RAF - Öffentliche Meinung

mjay

Neues Mitglied
Guten Abend liebe Geschichtsinteressierten :)

Ich wollte mal fragen ob ihr wisst, wie die Öffentlichkeit damals zur RAF stand. Da ich verschiedene Quellen habe konnte ich mir noch kein Urteil bilden. Durch Internetrecherche habe ich herausgefunden, dass 1972 laut einer Meinungsumfrage knapp jeder zwanzigste Deutsche einen RAF Terroristen unterstützt bzw beherrbergt hätte. Aus Gesprächen mit Zeitzeugen, habe ich jedoch herausgefunden, dass zu keiner Zeit eine Symphatie zur RAF bestand. Selbst in der Arbeiterschicht, wurden die Anschläge verachtet.

Meine jetzige theorie ist, dass ein kleinerer teil der bevölkerung bis 1972 mitder RAF symphatisiert hat. Ab der Flugzeugentführungen und beginn der 2. generation der raf, wurden die stimmen kritischer, da auch menschen in gefahr waren, die nicht zum verhassten system gehörten.

Ich würde mich freuen, wenn ihr mir nicht nur antwortet sondern auch die zugehörige quelle angebt.

Das thema raf ist echt interessant.

mfg
mjay
 
Stefan Aust "Baader-Meinhof-Komplex" (bei amazon) Im Stil des Lese-Journalismus geschrieben, also sehr interessant und nie langweilig.

Die Umfrage mit "jeden 20." erinnert mich an Zivilcourage-Umfragen (80% würden es tun), ob man einem Dunkelhäutigen in der Bahn helfen und dazwischengehen würde, wenn diese Person tätlich angegriffen wird.
Im Konjunktiv (würde, hätte, könnte, sollte) leben ganze Gesellschaften.
Wenn mich wer am Telefon fragt, ob ich den richtigen und kostengünstigen Telefontarif hätte, sage ich immer ich sei Gesellschafter eines kostengünstigen Telefonanbieters und warte dann ab, wie mein/-e Befrager/-in mir einen schönen Tag wünscht.
 
Innerhalb der Arbeiterschaft war freilich die Sympathie für die RAF so gut wie nicht vorhanden, mochten die auch den Neomarxismus der 68er aufgesogen haben. Sympathie oder Verständnis kam am ehesten von linken Intellektuellen, nicht zuletzt, weil die Jagd auf Sympathisanten, der Ausbau des BKAs, die verfassungswidrige Bespitzelung von Journalisten aufgezeigt hatte, wie weit sich die BRD in dieser Zeit zu einem Überwachungsstaat entwickelt hatte.
 
So ist es, Scorpio! Während APO und RAF ganz am Anfang ihrer Aktionen noch eine gewisse Sympathie in der breiten Bevölkerung genossen, flaute das rasch ab als erkennbar wurde, dass die Forderungen der RAF mit terroristischen Mitteln durchgesetzt werden sollten. Nach den ersten Anschlägen und Morden war Schluss mit Zustimmungsbekundungen.

Eine versteckte Sympathie genoss die RAF von da ab lediglich bei einem ganz kleinen Kreis linker Intellektueller, die ich eher als "Salonkommunisten" bezeichnen möchte. Ich erinnere mich noch gut daran, dass es einen politischen Skandal gab, als der Generalintendant des Württembergischen Staastheaters seine Solidarität mit der RAF bekundete. In der Bevölkerung fand das keine Zustimmung und löste massives Befremden aus.
 
Heute ist es nicht anders. Die Leute sind zu wenig mit dem Gesellschafts-Virus infiziert. Sie lesen die BILD und gehen dann hausieren. Intellektuelle (Salonkommunisten ist böse, denn sämtliche Umwälzungen auf der ganzen Welt haben immer Intellektuelle angeführt) sind eben besser informiert.
 
Beim Begriff "Salonkommunisten" hast du mich missverstanden, Hurvinek.

Ich wollte diesen Begriff allein auf jene anwenden, die es damals "schick" fanden, auf Vernissagen oder öffentlichen Veranstaltungen eine positive Einstellung zur RAF herauszukehren. Auf diese Weise wollten sie lediglich Aufmerksamkeit erregen oder als gesellschaftlich besonders "progressiv" gelten. Eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Gedankengut der RAF war in den meisten Fällen nicht feststellbar.
 
So ist es, Scorpio! Während APO und RAF ganz am Anfang ihrer Aktionen noch eine gewisse Sympathie in der breiten Bevölkerung genossen, flaute das rasch ab als erkennbar wurde, dass die Forderungen der RAF mit terroristischen Mitteln durchgesetzt werden sollten. Nach den ersten Anschlägen und Morden war Schluss mit Zustimmungsbekundungen.

Eine versteckte Sympathie genoss die RAF von da ab lediglich bei einem ganz kleinen Kreis linker Intellektueller, die ich eher als "Salonkommunisten" bezeichnen möchte. Ich erinnere mich noch gut daran, dass es einen politischen Skandal gab, als der Generalintendant des Württembergischen Staastheaters seine Solidarität mit der RAF bekundete. In der Bevölkerung fand das keine Zustimmung und löste massives Befremden aus.


Das ist soweit schon richtig.
Ich hatte in meinem Umfeld Anfangs der 70er einige Sympathisanten, wobei sich die Staatsgewalt damals aufregte, dass oft innerhalb von Tagen aus Sympathisanten "Aktive" wurden.
Aber spätestens nach Mogadischu war damit Schluss.
Wobei die Stammheimer "Hinrichtungs-Mythen" zum Teil tatsächlich noch geglaubt wurden.


Manchmal denke ich, dass die Staatsgewalt eigentlich Glück hat, dass die Radikalen auf beiden Seiten sowas von blöd sind.
Hätten die damals die "Punkte-Zentrale" in Flensburg statt dem Knast in Weiterstadt in die Luft gejagt, die wären weiten Kreisen plötzlich sehr sympathisch geworden. Nur z. B.


Grüße Repo

NS: Haben die während der Münchner Räterepublik nicht die ganzen Polizei-Akten abgefackelt?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich wollte diesen Begriff allein auf jene anwenden, die es damals "schick" fanden, auf Vernissagen oder öffentlichen Veranstaltungen eine positive Einstellung zur RAF herauszukehren. Auf diese Weise wollten sie lediglich Aufmerksamkeit erregen oder als gesellschaftlich besonders "progressiv" gelten.
Solche Personen hat es damals auch gegeben, das bestreite ich nicht. Es ist aber noch nicht alles.
Insgesamt ging von RAF und Umfeld ein ziemlicher Druck aus, der mehr oder weniger das gesamte linke Spektrum erfaßte bzw zu erfassen versuchte, um sich eine so breit wie mögliche Unterstützungsstruktur zu sichern. Insbesondere auf die Teile des linken Spektrums, die zwar gesellschaftliche Veränderungen wollten, aber nicht auf diese Weise. Die RAF stellte sich als Avantgarde dar und trat auch entsprechend auf.

Zu Repos Anmerkung wg Punktezentrale Flensburg: Ich erinnere, daß auch bei der Entführung von Schleyer bei etlichen Personen zunächst eine etwas positivere Rezeption vorhanden war.
 
Wenn man sich den modernen Terrorismus ansieht, dann war die "Stadtguerilla" der frühen RAF tatsächlich nur ein Schinderhannesabenteuer. Die Gewalttaten, die die RAF beging, vor allem der Mord an Martin Schleyer und das doch recht diffuse politisch militante Weltbild ihrer Akteure machte es dann freilich allzu einfach, sich über die RAF moralisch zu entrüsten, und das Ganze als Abenteuer einer Gruppe unreifer Intellektueller abzutun. Doch, wie auch Stefan Aust in seinem Buch schreibt, war die RAF in vielen Köpfen. Aus der Spontibewegung gab es zwischenzeitlich einen gewissen Zulauf durch Leute wie Bommy Baumann. David Kohn Bendit und Joschka Fischer waren beide an Veranstaltungen in Frankfurt beteiligt, wo es hoch her ging. Der Mord an Benno Ohnesorg und die brutale Knüppelorgie nach der "Leberwursttaktik" "in der Mitte hineinstechen, und an den Enden spritzt es auseinander", hatte eine gewisse Militanz zur Folge. Ulrike Meinhof war, bevor sie an der Befreiung Baaders teilnahm, eine hochrangige Journalistin, deren Reportage über Heimkinder "Bambule" gerade im ZDF gesendet werden sollte.
Bei aller Ablehnung der politischen Ideologie der RAF und ihrer Taten, sollte man aber auch daran denken, daß Leute wie Meinhof, Baader, Enslin, Holger Meinz u. a. eigentlich tragische Persönlichkeiten sind, die auf ihrem Weg in den Terror und die Illegalität ursprünglich von durchaus ehrenhaften Motiven geleitet wurden.
 
Die Gewalttaten, die die RAF beging, vor allem der Mord an Martin Schleyer und das doch recht diffuse politisch militante Weltbild ihrer Akteure...
Das Weltbild würde ich als recht leninistisch bezeichnen.

Aus der Spontibewegung gab es zwischenzeitlich einen gewissen Zulauf durch Leute wie Bommy Baumann. David Kohn Bendit und Joschka Fischer waren beide an Veranstaltungen in Frankfurt beteiligt, wo es hoch her ging.
(Daniel Cohn-Bendit) Die von dir erwähnten 'Veranstaltungen' in Frankfurt hatten im übrigen nichts mit der RAF zu tun und wurden von dieser abgelehnt.
Gerade die Spontibewegung hatte einen völlig anderen Ansatz als die RAF. Daß seinerzeit von interessierter Seite die RAF als "anarchistisch" dargestellt wurde, hat mit Fakten aber auch gar nichts zu tun.

Aus der Spontiszene kam zB die Kritk am Vorgehen der RAF, die sich über eine Seite damit auseinandersetzt, daß es genau so nicht gehen kann, daß keine "schwarzen Listen" geführt werden dürfen, keine Personen - egal, wer auch immer - als "abschußwürdig" angesehen werden dürften. Und schon gar nicht dann, wenn man eine bessere Welt als Resultat haben wollte als die vorhandene. Von diesem Artikel wurde dann weithin nur ein Satz zitiert, der ganz am Anfang stand und vom Artikel selbst völlig zurückgenommen wurde: der mit der "klammheimlichen Freude". Du erinnerst dich?

Der Mord an Benno Ohnesorg und die brutale Knüppelorgie nach der "Leberwursttaktik" "in der Mitte hineinstechen, und an den Enden spritzt es auseinander", hatte eine gewisse Militanz zur Folge.
Die späteren Radikalenerlasse nicht minder. Die Gesellschaft war sehr polarisiert; die Politik hat im Grunde auf die RAF mit derselben Einstellung reagiert, die diese auch hatte: wir oder die und das mit allen Mitteln.
 
Eine versteckte Sympathie genoss die RAF von da ab lediglich bei einem ganz kleinen Kreis linker Intellektueller, die ich eher als "Salonkommunisten" bezeichnen möchte. Ich erinnere mich noch gut daran, dass es einen politischen Skandal gab, als der Generalintendant des Württembergischen Staastheaters seine Solidarität mit der RAF bekundete. In der Bevölkerung fand das keine Zustimmung und löste massives Befremden aus.

War das damals nicht Klaus Peymann? Woran man auch gut erinnern könnte, wäre die Sache mit dem Göttinger "Mescalero" und seiner "klammheimlichen Freude" über die Ermordung Schleyers.
 
Genau der war es, Tannhäuser, nur ist mir sein Name beim Schreiben des Beitrags nicht mehr eingefallen. Die Geschichte wurde seinerzeit wochenlang in allen großen Gazetten der Republik erörtert und gewendet.
 
Woran man auch gut erinnern könnte, wäre die Sache mit dem Göttinger "Mescalero" und seiner "klammheimlichen Freude" über die Ermordung Schleyers.

Nein, die nun gar nicht. Das war übrigens der Artikel, den ich oben meinte. Der Artikel wurde zwar so eingeleitet, daß der Autor im ersten Moment eine "klammheimliche Freude" empfunden habe (und ich erinnere nicht mehr genau, ob diese der Entführung galt oder der Ermordung). Dann jedoch wurde auf einer A3-Seite auseinandergesetzt, daß der Autor diese Freude recht schnell wieder zurücknahm und warum. Der Tenor des Artikels war schlußendlich ein ganz anderer: daß eine bessere Welt sich nicht durch Mord etc aufbauen läßt und auch nicht mit Zwang.
 
Zu Repos Anmerkung wg Punktezentrale Flensburg: Ich erinnere, daß auch bei der Entführung von Schleyer bei etlichen Personen zunächst eine etwas positivere Rezeption vorhanden war.


Das ist schon richtig.
Aber bei Schleyer wäre ich mir da schon nicht mehr so sicher.
Bei Buback noch, da gab es ganz böse Witze.

Auch bei den ganzen Stammheimer Geschichten, wie die sich über drahtlose Wechselsprechanlagen unterhalten haben, die Polente spannte damals noch gar nicht, dass es sowas gibt. usw. usf. da war reichlich Sympathie vorhanden.
Man hat das nächtelang diskutiert und ausgebreitet.
War jahrelang der Meinung, dass die Staatsgewalt total überreagieren würde.
Ich kann mich an eine Karikatur erinnern, Düsenjäger am Himmel, Panzer auf den Wiesen, Soldaten mit Stahlhelm und Gewehr.
Frage: Verteidigungsfall?
Antwort: Nee, Genscher fahndet nach Baader-Meinhof.

Ein Statement eines älteren Stammtischpolitikers damals: "Noch kein Mensch konnte mir sagen, was die tatsächlich verbrochen haben. Die ganzen Banküberfälle und Morde sind doch nur Reaktionen auf Polizei-Maßnahmen."

Sympathien waren schon da.


Grüße Repo
NS: Dass Genscher mal Innenminister war ist auch weithin vergessen.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Ingeborg
Daniel Cohn-Bendit wollte ich auch wirklich nicht mit der RAF in einen Topf werfen, es ging mir nur um die von dir angesprochne Polarisierung der Gesellschaft und die dadurch bedingte Militanz.
 
Bei aller Ablehnung der politischen Ideologie der RAF und ihrer Taten, sollte man aber auch daran denken, daß Leute wie Meinhof, Baader, Ensslin, Holger Meins u. a. eigentlich tragische Persönlichkeiten sind, die auf ihrem Weg in den Terror und die Illegalität ursprünglich von durchaus ehrenhaften Motiven geleitet wurden.


Holger, der Kampf geht weiter!
Rudi Dutschke 1974 am offenen Grab von Holger Meins.

Dann, Christian Klar, so alt wie ich, sitzt heute noch.
Und noch etliche andere.


Ingeborg kennt sich gut aus. Hatte manches gar nicht mehr so genau in Erinnerung.


Grüße Repo
 
Die Gewalttaten, die die RAF beging, vor allem der Mord an Martin Schleyer und das doch recht diffuse politisch militante Weltbild ihrer Akteure machte es dann freilich allzu einfach, sich über die RAF moralisch zu entrüsten, und das Ganze als Abenteuer einer Gruppe unreifer Intellektueller abzutun..

Bei all dem muss man sich vor Augen halten, dass die Nachkriegsgesellschaft zu jener Zeit noch gewaltigen Nachholbedarf hatte, denn ihre Werte- und Verhaltensmuster waren vielfach altväterlich und mit doppelter Moral behaftet. Man macht sich nicht klar, dass z.B. ein unverheiratetes Pärchen nicht zusammen in einer Wohnung leben durfte, da sich der Wohnungsinhaber in solchen Fällen der Kuppelei schuldig machte - ja, es gab noch einen solchen "Kuppelparagrafen" im Gesetzbuch! Die "Kommune 1" und andere haben dann solche Relikte schnell getilgt und der "Kuppelparagraf" verschwand irgendwann still und leise.

Die neuen Forderungen der Protestbewegung hinterließen nachhaltige Spuren, denn von da ab bahnte sich eine freiere, individuelle Lebensgestaltung an, auch dort, wo sie von der bürgerlichen Norm abwich. Uns noch eins folgte: Erstmals mischten sich Bürger in politische Entscheidungen ein und machten ihre Forderungen mit demonstrationen und Bürgerinitiativen geltend. Das war dann unzweifelhaft das Ende der "Ära Adenauer".

Diese Dinge sollte man auch im Auge haben, wenn man über APO, Protest und RAF redet.
 
Bei all dem muss man sich vor Augen halten, dass die Nachkriegsgesellschaft zu jener Zeit noch gewaltigen Nachholbedarf hatte, denn ihre Werte- und Verhaltensmuster waren vielfach altväterlich und mit doppelter Moral behaftet. Man macht sich nicht klar, dass z.B. ein unverheiratetes Pärchen nicht zusammen in einer Wohnung leben durfte, da sich der Wohnungsinhaber in solchen Fällen der Kuppelei schuldig machte - ja, es gab noch einen solchen "Kuppelparagrafen" im Gesetzbuch! Die "Kommune 1" und andere haben dann solche Relikte schnell getilgt und der "Kuppelparagraf" verschwand irgendwann still und leise.

Die neuen Forderungen der Protestbewegung hinterließen nachhaltige Spuren, denn von da ab bahnte sich eine freiere, individuelle Lebensgestaltung an, auch dort, wo sie von der bürgerlichen Norm abwich. Uns noch eins folgte: Erstmals mischten sich Bürger in politische Entscheidungen ein und machten ihre Forderungen mit demonstrationen und Bürgerinitiativen geltend. Das war dann unzweifelhaft das Ende der "Ära Adenauer".

Diese Dinge sollte man auch im Auge haben, wenn man über APO, Protest und RAF redet.


Dem kann man weitgehend zustimmen.


Grüße Repo
 
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