Römerforschung in der DDR

Pardon, es handelt sich natürlich um XIII, 55.

Das ist aber ein mehr als vager Hinweis...
Da geht es um den Ampsivarier Boiocalus, der erzählt, er sei zur Zeit des Cherusker-Aufstands auf Arminius' Befehl in Fesseln gelegt worden, bald danach habe er unter den Feldherren Tiberius und Germanicus Kriegsdienst geleistet.
 
Das ist aber ein mehr als vager Hinweis...
Da geht es um den Ampsivarier Boiocalus, der erzählt, er sei zur Zeit des Cherusker-Aufstands auf Arminius' Befehl in Fesseln gelegt worden, bald danach habe er unter den Feldherren Tiberius und Germanicus Kriegsdienst geleistet.

Müller verweist hier auch auf seine Arbeit, veröffentlicht in "Das Altertum" Bd.3 Heft 4, 1957 (Akademie der Wissenschaften). Ein eventueller Fehler müsste sich dort aufklären.
 
Hallo Opteryx,

heute war ich in der Nähe von Freyburg. Die kaiserzeitliche Siedlung mit Münz- und Militariafunden ist bekannt. Jedoch war ich nicht im Tal, sondern auf einer markanten Anhöhe. Von hier aus kannst du alles einsehen. Dabei kam mir das unter - siehe Bilder im Anhang. Die Nägel liegen genau auf meiner Münzspur. Wahrscheinlich war es ein Kommunikationsposten/Signalposten.

Sie waren also tatsächlich da.

Grüße
 

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Müller verweist hier auch auf seine Arbeit, veröffentlicht in "Das Altertum" Bd.3 Heft 4, 1957 (Akademie der Wissenschaften). Ein eventueller Fehler müsste sich dort aufklären.

Ein Fehler ist das sicher nicht. Der Ampsivarier ("Ems-Hase-Völkerschaft") bezieht sich hier ja ganz klar auf die Ereignisse 9 n. Chr. Alles weitere lässt sich aber höchstens mutmaßen.

Boris Dreyer hat in mehreren Veröffentlichungen die Hypothese Müllers aufgegriffen, so in „Die Ausgrabungen von Kalkriese und die Rekonstruktion des Verlaufs der Varuskatastrophe im Jahre 9 n.Chr.”, Tekmeria Bd. 7, S. 25/26:

Im Jahre 59 berief sich der Fürst der Ampsivarier, Boiocalus, auf seine 50 Jahre währende Treue zu Rom, die mithin in der Zeit begonnen hatte, als er im Jahre 9 n. Chr., nachdem die Cherusker und ihre Bundesgenossen sich erhoben hatten, auf Befehl des Arminius in Fesseln gelegt wurde. Das Verhalten der mehrheitlich in der Folgezeit bes. unter der Führung des Boiocalus prorömischen Ampsivarier muss demnach für Arminius im Rahmen des Aufstandes von 9 n.Chr. wichtig gewesen sein. Diese erscheinen daher als die Aufständische, die auf Verabredung abfielen, plausibel.
...
Auf die Ampsivarier als Aufständische hatte bereits W. Müller hingewiesen, Das Altertum 3 (1957)223-234, bes. 229/30 (zus. mit ihrem Teilstamm die Chasuarier), wenngleich er die Barenauethese Mommsens ablehnte.
http://ejournals.epublishing.ekt.gr/index.php/tekmiria/article/viewFile/2928/2750.pdf

Das ist eine Möglichkeit, mehr nicht. Von "müssen" kann da nicht die Rede sein.


 
Hallo Opteryx,

heute war ich in der Nähe von Freyburg. Die kaiserzeitliche Siedlung mit Münz- und Militariafunden ist bekannt. Jedoch war ich nicht im Tal, sondern auf einer markanten Anhöhe. Von hier aus kannst du alles einsehen. Dabei kam mir das unter - siehe Bilder im Anhang. Die Nägel liegen genau auf meiner Münzspur. Wahrscheinlich war es ein Kommunikationsposten/Signalposten.
Sie waren also tatsächlich da.
Grüße
Hallo, Hermundure, gratuliere!
Bei gefundenen Nägeln musst Du allerdings immer beachten, dass die Innenseite der Köpfe römischer Sandalen-Nägel konkav und nicht konvex war, sonst hätten sie nicht lange gehalten. Die Verwechslung mit gewöhnlichen Nägeln ist leicht möglich, wenn auch damals noch nicht die Unsitte grassierte, alle Überreste von Maurer- und Dachdeckerarbeiten zur Auffüllung von Löchern in Wegen zu benutzen. (Wo sie sich die Nägel dann regelmäßig im Autoreifen wiederfinden). Aber noch vor wenigen Jahren flog bei den Bauern jeder Abfall auf den Misthaufen und wurde mit dem Dünger auf die Felder gebracht. Anhöhen waren davon natürlich ausgeschlossen.
Wenn die Nägel tatsächlich römisch sind, müsste man dort intensiv weitersuchen. Stammen sie aus der Drusus-Zeit, so käme der alte Dr.Pflug wieder zu Ehren. Zwar nicht mit seiner Varus-Schlacht, aber mit seiner Hypothese vom letzten Drusus-Feldzug bis zu (unserer!) Saale.
Grüße
 
Hallo Opteryx,

die Nägel gehören zur späteren flachen Form (siehe auch dazu K. Grote 2012). Die Köpfe sind auch nur 12 mm. Zudem fand ich am Fuß der Anhöhe den Rest einer Kniefibel mit halbrunder Kopfplatte nach Böhme Typ 19b. Diese waren hauptsächlich im 3. Jh. n. Chr. gebräuchlich. Damit wären wir bei den Alemannen- bzw. Juthungenkriegen. Wär käme in Frage ?

1. Maximinus Thrax
2. Aurelian
3. Probus

Gallienus wäre auch noch möglich. Dieser hatte bekanntlich mit 1 Fürsten ein Abkommen geschlossen, welcher die anderen Germanen hindern sollte den Rhein zu überqueren. Die vielen Aurei in meinem Gebiet aus besagter Zeit sprechen dafür.

Es bleibt interessant...
 

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Stammen sie aus der Drusus-Zeit, so käme der alte Dr.Pflug wieder zu Ehren. Zwar nicht mit seiner Varus-Schlacht, aber mit seiner Hypothese vom letzten Drusus-Feldzug bis zu (unserer!) Saale.

Das verstehe ich nicht.

Hier ist doch die Rede von der sächsischen (thüringischen) Saale, die zwischen Freyburg und Naumburg fließt, oder nicht?

Dass Drusus auf seinem letzten Feldzug dorthin gekommen ist, ist eine allgemein geläufige und schon jahrhundertealte Hypothese.

Bei Pflug (1956, S. 12) lese ich zu Drusus:
Aber auf dem Rückweg stürzte er und starb nach schwerer Krankheit zwischen Saale und Rhein im "Unglückslager", wo man eine Drususgedenkstätte errichtete, an der alljährlich feierliche Staatsakte mit Unterwerfungsmanifestationen der Stämme und Truppenparaden der Römer stattfanden. - Leider bieten die Quellen keine Örtlichkeitsangaben, so daß wir nicht in der Lage sind, die Feldzüge des Drusus zu lokalisieren.


Nebenbei: Das mit der Drususgedenkstätte ausgerechnet im "Unglückslager" geht aus keiner römischen Quelle hervor. Sueton schreibt zu diesem Lager lediglich:

Nach der Prätur trat er sofort das Konsulat an, nahm den Feldzug wieder auf und starb an einer Krankheit in dem Sommerlager, das danach das "verfluchte Lager" hieß.
(post praeturam confestim inito consulatu atque expeditione repetita supremum diem morbo obiit in aestivis castris, quae ex eo Scelerata sunt appellata.)
Suetonius: Claudius (1-9), Kindheit und Jugend des Tiberius Claudius Drusus Caesar (lateinisch, deutsch)

Mit "scelerata" wird ein unheilbringender oder entweihter Ort bezeichnet. Dass ausgerechnet dort reguläre Staatsakte gefeiert worden sein sollen, halte ich für sehr weit hergeholt.
 
Das verstehe ich nicht.

Hier ist doch die Rede von der sächsischen (thüringischen) Saale, die zwischen Freyburg und Naumburg fließt, oder nicht?
Dass Drusus auf seinem letzten Feldzug dorthin gekommen ist, ist eine allgemein geläufige und schon jahrhundertealte Hypothese.
Bei Pflug (1956, S. 12) lese ich zu Drusus:

Nebenbei: Das mit der Drususgedenkstätte ausgerechnet im "Unglückslager" geht aus keiner römischen Quelle hervor. Sueton schreibt zu diesem Lager lediglich:
Nach der Prätur trat er sofort das Konsulat an, nahm den Feldzug wieder auf und starb an einer Krankheit in dem Sommerlager, das danach das "verfluchte Lager" hieß.
(post praeturam confestim inito consulatu atque expeditione repetita supremum diem morbo obiit in aestivis castris, quae ex eo Scelerata sunt appellata.)
Suetonius: Claudius (1-9), Kindheit und Jugend des Tiberius Claudius Drusus Caesar (lateinisch, deutsch)
Mit "scelerata" wird ein unheilbringender oder entweihter Ort bezeichnet. Dass ausgerechnet dort reguläre Staatsakte gefeiert worden sein sollen, halte ich für sehr weit hergeholt.

Ich versuche mal, etwas Licht ins Dunkel zu bringen:
So klar ist die Lokalisierung der "Saale" durchaus nicht. Schon Müller meint zu Pflug, dass der nur deshalb die Züge des Germanicus an die thüringische Saale praktizieren wolle, um weitere Beweise für sein utopisches Geschichtsbild zu bekommen: "Mit der bei Strabo und Tacitus genannten Saale kann entweder nur die Werra (bei Salzungen) oder die fränkische Saale (bei Kissingen) gemeint sein."
Dann haben wir noch die verwirrenden Vermischungen zwischen: dem "alten Drusus-Altar" beim Schlachtfeld, dem Sterbelager auf dem Rückweg zwischen Saale und Rhein, dem Tropaeum Drusi (Der Name kommt wohl von jenem Tropaeum, das der jüngere Drusus
errichten ließ nach der Schlacht von Idistaviso im Jahr 16 n. Chr.) und dem Eigelstein bei Mainz.
Pflug nahm auf Grund der Entfernungsangabe einen Drusus-Rückzug von der thüringischen Saale zum Rhein südlich des Harzes an. Er wollte bei Monra das Sterbelager entdeckt haben, welches nun aus einem Doppellager bestand , weil das Sterbelager als Unglücksstätte selbst nicht wieder benutzt werden durfte. Er verband alle Informationen miteinander, sein "gefundenes" Lager, den alten Altar, Tropaeum und Eigelstein, und meinte, dass auch hier noch Jahrhunderte später regelmäßige Umzüge stattgefunden hätten. Hierzu zog er eine uralte Kirche und deren Geschichte heran, die ähnliche frühe Umzüge überliefert. (unveröffentlicht)
Hachelbich liegt übrigens genau auf einer solchen Marschroute.
 
So klar ist die Lokalisierung der "Saale" durchaus nicht.
Mir ist schon klar, dass das nicht so klar ist.
Wie ich schrieb, handelt es sich hier um eine Hypothese. Diese Hypothese geht aber sicher nicht auf Pflug zurück. Und sie wird ja auch - unabhängig von Pflug - von vielen Autoren bis zum heutigen Tag vertreten.

Pflug nahm auf Grund der Entfernungsangabe einen Drusus-Rückzug von der thüringischen Saale zum Rhein südlich des Harzes an. Er wollte bei Monra das Sterbelager entdeckt haben, welches nun aus einem Doppellager bestand , weil das Sterbelager als Unglücksstätte selbst nicht wieder benutzt werden durfte. Er verband alle Informationen miteinander, sein "gefundenes" Lager, den alten Altar, Tropaeum und Eigelstein, und meinte, dass auch hier noch Jahrhunderte später regelmäßige Umzüge stattgefunden hätten. Hierzu zog er eine uralte Kirche und deren Geschichte heran, die ähnliche frühe Umzüge überliefert. (unveröffentlicht)
Und was davon käme nun "wieder zu Ehren", falls bei Freyberg tatsächlich Drusus-zeitliche Sandalennägel identifiziert werden könnten?
 
Mir ist schon klar, dass das nicht so klar ist.
Wie ich schrieb, handelt es sich hier um eine Hypothese. Diese Hypothese geht aber sicher nicht auf Pflug zurück. Und sie wird ja auch - unabhängig von Pflug - von vielen Autoren bis zum heutigen Tag vertreten.


Und was davon käme nun "wieder zu Ehren", falls bei Freyberg tatsächlich Drusus-zeitliche Sandalennägel identifiziert werden könnten?

Ganz einfach: Pflug nahm an, dass Drusus in 11 bis 9 nicht nur schnell durchs mitteldeutsche Land eilte, sondern war wohl auch der Erste und Einzige, der ihm tiefer gehende Aktivitäten, bis in den Leipziger Raum, zugestand. Er begründete das mit strategischen Notwendigkeiten im Rahmen der Grenzverlegung zur Elbe. Da er dies aber nicht mehr veröffentlichen durfte, war natürlich zu diesem Thema kein neuer Anti-Pflug erforderlich.
 
Guten Abend,

@Sepiola

die Nägel sind nicht augusteisch/tiberisch, da diese hier eine äußerst flache Wölbung (fast linsenförmig) aufweisen. Die von Hachelbich haben pyramidale Köpfe und die von Hedemünden sind kegelförmig und halbkugelig (pilzförmig). Auf Grund des Fibelrest aus der Hanglage scheidet Drusus definitiv aus. Ich werde auch noch die anderen 3 dominierenden Anhöhen untersuchen. Die Hessen und Niedersachsen hatten mit Erfolg 2011 einige dominierende Anhöhen rund um Hedemünden und im Werratal untersucht. Die Ergebnisse waren bezüglich der Schuhnagelform sehr unterschiedlich (K. Grote 2012). Bei Rosdorf/NDS fand K. Grote flache Schuhnägel zusammen mit einem Kleinerz des 4. Jh. n. Chr. und war überrascht. Jedoch wissen wir das Kaiser Valentinian einen Feldzug gegen die Bucinobanten unternahm. Die Forschung geht allgemein vom Mainmündungsgebiet aus. Ich hingegen vertrete die These, dass mit den Bucinobanten nicht die Bewohner der Buconia gemeint sind, sondern die Bewohner des einstigen Bukkigau an der Weser. Offensichtlich geben die Schuhnagelfunde und der Münzfund mir Recht. Wir wissen einfach noch zu wenig und trauten den Römern der späteren Zeit keine großen Feldzüge mehr zu. Harzhorn hatte uns eines besseren belehrt. Auch wenn ich Friebe nicht gemocht hatte und seine Thesen abstrus waren, so hatte er doch in einer Sache Recht - nämlich das die Römer nach Varus weitere Feldzüge nach Germanien unternahmen. Valentinian war wahrscheinlich der Letzte, der weit in die Germania vordrang.

Grüße
 
Ganz einfach: Pflug nahm an, dass Drusus in 11 bis 9 nicht nur schnell durchs mitteldeutsche Land eilte, sondern war wohl auch der Erste und Einzige, der ihm tiefer gehende Aktivitäten, bis in den Leipziger Raum, zugestand. Er begründete das mit strategischen Notwendigkeiten im Rahmen der Grenzverlegung zur Elbe. Da er dies aber nicht mehr veröffentlichen durfte, war natürlich zu diesem Thema kein neuer Anti-Pflug erforderlich.

Ich verstehe nicht den Zusammenhang mit meiner Frage.

Du hast geschrieben:
Pflug nahm auf Grund der Entfernungsangabe einen Drusus-Rückzug von der thüringischen Saale zum Rhein südlich des Harzes an. Er wollte bei Monra das Sterbelager entdeckt haben, welches nun aus einem Doppellager bestand , weil das Sterbelager als Unglücksstätte selbst nicht wieder benutzt werden durfte. Er verband alle Informationen miteinander, sein "gefundenes" Lager, den alten Altar, Tropaeum und Eigelstein, und meinte, dass auch hier noch Jahrhunderte später regelmäßige Umzüge stattgefunden hätten. Hierzu zog er eine uralte Kirche und deren Geschichte heran, die ähnliche frühe Umzüge überliefert. (unveröffentlicht)
Und meine Frage war: Was davon käme nun "wieder zu Ehren", falls bei Freyberg tatsächlich Drusus-zeitliche Sandalennägel identifiziert werden könnten?
(Dass bis jetzt keine Drusus-zeitlichen Sandalennägel identifizert werden konnten, habe ich schon verstanden.)
 
Nun habe ich den sogenannten "Anti-Pflug" in Händen, außerdem den unabhängig davon und schon etwas früher veröffentlichten Aufsatz von Karl Weerth: Die Varusschlacht östlich der Weser? Kritische Betrachtungen zu einem "neuen Geschichtsbild", in: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde 26, 1957
(Zu Karl Weerth siehe: https://www.lwl.org/LWL/Kultur/Hist.../ehemalige-mitglieder-buchstabe-w/karl-weerth)

Man muss sich ja wirklich fragen, warum Wissenschaftler sich überhaupt mit so offensichtlichem Humbug befassen. Karl Weerth äußert sich wie folgt:

Für die Fachwissenschaft wäre eine kritische Beleuchtung des Pflugschen Geschichtsbildes nicht nötig, aber die vielen ernsthaft interessierten Nichtfachleute könnten eine Nachprüfung der mit so großem Applomb in die Welt gesetzten und von großen Zeitungen ohne Kritik bekanntgegebenen Behauptungen des Dr. Ing. Pflug beanspruchen.


Ungleich größere Ehre wurde dem Pflugschen Machwerk in der DDR zuteil. Möglicherweise spielt dabei eine Rolle, dass es vor der Veröffentlichung des Büchleins eine Zusammenarbeit zwischen Pflug und dem Archäologen Theodor Voigt gegeben hat - beide schreiben von einer gemeinsamen Begehung des "Königswaals" am 27. Juni 1956. Voigt schreibt weiter (S. 26):
Trotz meiner mündlichen Mitteilungen und Mahnung zur Vorsicht arbeitete der Autor mit solchen Unterlagen "Beweise" heraus für seine Hypothese, daß "das Königswaal" das Heerlager des Tiberius im Jahre 5 u. Z. gewesen ist.

Da Pflug sich an mehreren Stellen auf Theodor Voigt (und Wilhelm Müller) berufen hat, könnte hier eine zusätzliche Motivation gelegen haben, sich öffentlich mit Pflugs Thesen zu befassen, die um die Jahreswende 1956/57 auf den Markt kamen und prahlerisch beworben wurden (Klappentext): "die Rekonstruktion eines alle bisherigen Hypothesen umstoßenden realistischen Geschichtsbildes ... die in der Geschichtswissenschaft eine wahrhafte Kettenreaktion auslösen wird ... selbst das kleinste Schulgeschichtsbuch wird geändert werden müssen."

Die "Kettenreaktion" beschränkte sich, soweit ich sehe, in Westdeutschland auf den Aufsatz Weerths.

In der DDR wurden zwei (!) Kolloquien veranstaltet, das erste noch 1957 von der Abteilung Geschichte des Altertums im Institut für Allgemeine Geschichte an der Leipziger Universität unter dem damaligen kommissarischen Direktor des Instituts für Allgemeine Geschichte, Helmut Thierfelder. Hierzu war Pflug eingeladen: Nord rhein-Westfalen: Hermann kann stehen bleiben |*ZEIT ONLINE

Ein zweites Kolloquium fand am 17. Februar 1958 im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle statt.

Die Referate wurden vom Landesmuseum bald darauf (unter Federführung von Theodor Voigt) herausgegeben.


Schon Müller meint zu Pflug, dass der nur deshalb die Züge des Germanicus an die thüringische Saale praktizieren wolle, um weitere Beweise für sein utopisches Geschichtsbild zu bekommen: "Mit der bei Strabo und Tacitus genannten Saale kann entweder nur die Werra (bei Salzungen) oder die fränkische Saale (bei Kissingen) gemeint sein."
Das steht nicht bei Müller, sondern bei Langhammer, S. 9 (Fußnote).
Was Tacitus betrifft, könnte Langhammer mit der Lokalisierung recht haben*, allerdings wird der Name des Flusses dort nicht genannt, und die Gleichsetzung mit dem Fluss "Salas" bei Strabon ist völlig hypothetisch. Das kann man bei Langhammer mit Recht kritisieren, allerdings handelt es sich hier nur um eine beiläufige Fußnote und nicht um die eigentliche Kritik an Pflugs Methode.
Die besteht nämlich an der fraglichen Stelle darin, den bei Tacitus unzweideutig genannten Fluss Ems ("ad flumen Amisiam mittit") zu ignorieren und stattdessen (gewaltsam und ohne den Hauch einer Begründung) stattdessen die Saale in Tacitus' Text "einzuflicken".



* vgl. Johne: "Bei dem Fluss handelt es sich mit größter Wahrscheinlichkeit um die Werra in der Gegend des heutigen Bad Salzungen in Thüringen, wo seit dem Jahre 775 Salzsiedehütten nachgewiesen sind. Eine andere Möglichkeit für die Lokalisierung des Grenzflusses wäre die fränkische Saale, an der das als Solbad bekannte Bad Kissingen liegt."
(Persönliche Bemerkung: An das "mit größter Wahrscheinlichkeit" würde ich wiederum ein sehr großes Fragezeichen machen...)
 
Zuletzt bearbeitet:
Zudem ist ja auch der lateinische Name der Werra bekannt: Visurgis.

Ich sage es nochmals: Weser ist die Niederdeutsche Version der Werra. Der Sprachwandel fand erst nach Ende des Weströmischen Reiches statt.
 
Zudem ist ja auch der lateinische Name der Werra bekannt: Visurgis.

Ich sage es nochmals: Weser ist die Niederdeutsche Version der Werra. Der Sprachwandel fand erst nach Ende des Weströmischen Reiches statt.

Da hast Du natürlich recht.
Die Frage nach dem "Salzfluss" lässt sich aber auch damit nicht beantworten. Wissen wir, warum Tacitus den Namen des Flusses nicht nennt? Hielt er ihn nicht für erwähnenswert? Kannte er ihn nicht?
 
Man muss sich ja wirklich fragen, warum Wissenschaftler sich überhaupt mit so offensichtlichem Humbug befassen. Karl Weerth äußert sich wie folgt:

Für die Fachwissenschaft wäre eine kritische Beleuchtung des Pflugschen Geschichtsbildes nicht nötig, aber die vielen ernsthaft interessierten Nichtfachleute könnten eine Nachprüfung der mit so großem Applomb in die Welt gesetzten und von großen Zeitungen ohne Kritik bekanntgegebenen Behauptungen des Dr. Ing. Pflug beanspruchen.

Das meint jemand, der offenbar von der politischen Situation in der DDR nur vier Jahre nach dem 17.Juni keine Ahnung hatte. Es gab in der DDR keine einzige Veröffentlichung, die nicht von der SED gründlich geprüft und freigegeben war. Jede Veröffentlichung hatte deshalb indirekt den Rang einer "staatlich gedeckten Meinung". Pflug hatte dies durch seine Veröffentlichung beim Klassenfeind umgangen. Die Folge waren deshalb ein Parteiverfahren wegen des Verstoßes, eine wissenschaftliche Widerlegung aller seiner Hypothesen und der Nachweis, dass ihr Urheber unfähig war, den Anforderungen wissenschaftlichen Arbeitens zu genügen. Denn: mit seinem Verstoß und dessen Inhalts hatte er nicht nur die ostdeutsche Wissenschaft, sondern in erster Linie die DDR in Misskredit gebracht, da- siehe oben!
Eine andere, denkbare Methode wäre nämlich gewesen, Pflug einfach in allen DDR-Medien lächerlich zu machen. Aber den Genossen war die Keule einfach gebräuchlicher, als bloßer Spott.
Nur, wenn man diesen Hintergrund kennt, versteht man auch das Klima im Landesamt, das man vorfand, wenn über "Römer in Mitteldeutschland" auch nur ein Wort fallen gelassen wurde. Erst Dr.Meller machte nach der Wende diesem Spuk ein Ende
 
Man muss sich ja wirklich fragen, warum Wissenschaftler sich überhaupt mit so offensichtlichem Humbug befassen. Karl Weerth äußert sich wie folgt:

Für die Fachwissenschaft wäre eine kritische Beleuchtung des Pflugschen Geschichtsbildes nicht nötig, aber die vielen ernsthaft interessierten Nichtfachleute könnten eine Nachprüfung der mit so großem Applomb in die Welt gesetzten und von großen Zeitungen ohne Kritik bekanntgegebenen Behauptungen des Dr. Ing. Pflug beanspruchen.
Das meint jemand, der offenbar von der politischen Situation in der DDR nur vier Jahre nach dem 17.Juni keine Ahnung hatte.

Weerth lebte (und veröffentlichte den zitierten Satz) in Detmold, Nordrhein-Westfalen, Bundesrepublik Deutschland. Was er schreibt, gilt unabhängig vom politischen System. Welche Ahnung Weerth von der Situation in der DDR hatte, spielt hier keine Rolle.

der Nachweis, dass ihr Urheber unfähig war, den Anforderungen wissenschaftlichen Arbeitens zu genügen.
Diesen Nachweis hat Pflug selber erbracht, und zwar gründlichst.*
Er geht sogar bis zur bewussten Täuschung des Lesers.
Pflug schrieb:
"bis zum 400. Meilenstein vor Rheno, d. h. bis an den Elbstrom" (um den allerseits anerkannten Wortlaut der Übersetzung Wilh. Capelles zu benutzen.)
Der tatsächliche "anerkannte Wortlaut":
"bis zum 400. Meilenstein vom Rhein, d. h. bis an den Elbstrom"

Pflug hatte dies durch seine Veröffentlichung beim Klassenfeind umgangen.
Wobei er anscheinend auch da keinen wissenschaftlichen Verlag gefunden hat, der ihm das Machwerk abgenommen hätte.
Der "Franz Schröter Verlag Gießen" hat offensichtlich nie etwas anderes hervorgebracht als Pflugs Schrift.
Suchanfrage bei der Deutschen Nationalbibliothek:
https://portal.dnb.de/opac.htm?inde...tart=&wvnEnd=02.08.2016&method=enhancedSearch

Die Folge waren deshalb ein Parteiverfahren wegen des Verstoßes
Interessant wäre, was das Parteiverfahren tatsächlich ergeben hat. Wie bereits gesagt: Parteistrafen gab es auch für die linientreuen SED-Historiker - den "überragenden" Althistoriker der DDR, Rigobert Günther, eingeschlossen.

Woher stammt die Information über das Parteiverfahren überhaupt? Angesichts der Legenden, die vom Pflug-Fanclub in die Welt gesetzt wurden, ist die Frage sicherlich angebracht.
Zu diesen Legenden zähle ich das behauptete Publikationsverbot - wie Du selbst bemerkt hast, kann diese nicht stimmen, denn schon 1960 veröffentlichte Pflug wieder ein Buch (weitere Veröffentlichungen folgten).


* Der Vorwurf der Unfähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten wurde eigentlich nicht erhoben, soweit ich sehe. Seine Unfähigkeit im Umgang mit lateinischen Texten hat Pflug (u. a. mit der zitierten "Übersetzung") eindrucksvoll bewiesen. Um das feststellen zu können, muss man noch nicht einmal vom Fach sein (siehe hier).
Dass er grundsätzlich wissenschaftlich arbeiten konnte, ist ja eigentlich nicht zu bezweifeln. Seinen Dr.-Ing.-Titel wird er sich wohl redlich erarbeitet haben.
Interessant wäre, ob man versucht hat, ihm diesen akademischen Grad wieder abzuerkennen. Im Fall der Pflug-Gegner Thierfelder und Langhammer ist das nämlich geschehen.

Einen sehr guten Eindruck vom politischen Druck im Bereich der Geschichtswissenschaft vermittelt Ilko-Sascha Kowalczuk, Legitimation eines neuen Staates: Parteiarbeiter an der historischen Front. Geschichtswissenschaft in der SBZ/DDR 1945 bis 1961, Berlin 1997.
Neben dem 17. Juni 1953 spielen auch die Aufstände in Polen und Ungarn eine Rolle. Nach der III. Hochschulkonfernz 1958 waren die Universitäten und Hochschulen "endgültig im Sozialismus angekommen". (S. 146) 1953/54 waren von den Universitätshistorikern rund 58% SED-Mitglieder, 1961 rund 90%. (S. 245)
 
Weerth lebte (und veröffentlichte den zitierten Satz) in Detmold, Nordrhein-Westfalen, Bundesrepublik Deutschland. Was er schreibt, gilt unabhängig vom politischen System. Welche Ahnung Weerth von der Situation in der DDR hatte, spielt hier keine Rolle.

Diesen Nachweis hat Pflug selber erbracht, und zwar gründlichst.*
Er geht sogar bis zur bewussten Täuschung des Lesers.Der tatsächliche "anerkannte Wortlaut":
"bis zum 400. Meilenstein vom Rhein, d. h. bis an den Elbstrom"

Wobei er anscheinend auch da keinen wissenschaftlichen Verlag gefunden hat, der ihm das Machwerk abgenommen hätte.
Der "Franz Schröter Verlag Gießen" hat offensichtlich nie etwas anderes hervorgebracht als Pflugs Schrift.
Suchanfrage bei der Deutschen Nationalbibliothek:
https://portal.dnb.de/opac.htm?inde...tart=&wvnEnd=02.08.2016&method=enhancedSearch

Interessant wäre, was das Parteiverfahren tatsächlich ergeben hat. Wie bereits gesagt: Parteistrafen gab es auch für die linientreuen SED-Historiker - den "überragenden" Althistoriker der DDR, Rigobert Günther, eingeschlossen.

Woher stammt die Information über das Parteiverfahren überhaupt? Angesichts der Legenden, die vom Pflug-Fanclub in die Welt gesetzt wurden, ist die Frage sicherlich angebracht.
Zu diesen Legenden zähle ich das behauptete Publikationsverbot - wie Du selbst bemerkt hast, kann diese nicht stimmen, denn schon 1960 veröffentlichte Pflug wieder ein Buch (weitere Veröffentlichungen folgten).


* Der Vorwurf der Unfähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten wurde eigentlich nicht erhoben, soweit ich sehe. Seine Unfähigkeit im Umgang mit lateinischen Texten hat Pflug (u. a. mit der zitierten "Übersetzung") eindrucksvoll bewiesen. Um das feststellen zu können, muss man noch nicht einmal vom Fach sein (siehe hier).
Dass er grundsätzlich wissenschaftlich arbeiten konnte, ist ja eigentlich nicht zu bezweifeln. Seinen Dr.-Ing.-Titel wird er sich wohl redlich erarbeitet haben.
Interessant wäre, ob man versucht hat, ihm diesen akademischen Grad wieder abzuerkennen. Im Fall der Pflug-Gegner Thierfelder und Langhammer ist das nämlich geschehen.

Einen sehr guten Eindruck vom politischen Druck im Bereich der Geschichtswissenschaft vermittelt Ilko-Sascha Kowalczuk, Legitimation eines neuen Staates: Parteiarbeiter an der historischen Front. Geschichtswissenschaft in der SBZ/DDR 1945 bis 1961, Berlin 1997.
Neben dem 17. Juni 1953 spielen auch die Aufstände in Polen und Ungarn eine Rolle. Nach der III. Hochschulkonfernz 1958 waren die Universitäten und Hochschulen "endgültig im Sozialismus angekommen". (S. 146) 1953/54 waren von den Universitätshistorikern rund 58% SED-Mitglieder, 1961 rund 90%. (S. 245)
Was das a Rheno betrifft, so kann man das nicht als Täuschung auslegen, denn etwas später meint er ja, dass "vom Rhein" objektiv völlig falsch wäre. Und es scheint ja heute nicht unüblich zu sein, aus- oder unterzulegen. Warum gab es eigentlich keinen "Anti-Friebe"? Ganz einfach: es genügte, ihn lächerlich zu machen. Was die Parteistrafe Pflugs betraf, so vermute ich eine Rüge. Ein Parteiausschluss wurde nicht vorgenommen, da Pflugs Verstoß nicht gegen die marxistisch-leninistische Lehre gerichtet war. Hierzu muss man wissen, dass er sich schon einmal mit den Genossen angelegt hatte, als er nach 1945 die angeordnete Zerstörung des Schlosses Mosigkau zur Gewinnung von Baumaterial für sozialistische Neubauten verhinderte. Später wurde es ihm gedankt. Und seine Schriften zum Schloss und zur Ortsgeschichte waren gern gesehen. Nur auf diesem Gebiet hat man ihm sicherlich später etwas Freiraum gelassen. An einer Aberkennung seines Titels war niemand interessiert. Das wäre aber denkbar gewesen, wenn er die DDR verlassen hätte.
 
Was das a Rheno betrifft, so kann man das nicht als Täuschung auslegen

Wie denn sonst?

Pflug setzt die Worte "bis zum 400. Meilenstein vor Rheno, d. h. bis an den Elbstrom" in Anführungszeichen.
Er kennzeichnet das Zitat als "Wortlaut der Übersetzung Wilh. Capelles"
Er macht den unbefangenen Leser somit glauben, der Wortlaut "vor Rheno" sei eine "allerseits anerkannte Übersetzung".

Dass Pflug mangels Lateinkenntnissen selber geglaubt hat, man könne das tatsächlich so übersetzen, steht auf einem anderen Blatt.


Warum gab es eigentlich keinen "Anti-Friebe"?
Warum gibt es keinen "Anti-Zillmer"?
Warum gibt es keinen "Anti-Topper"?
Warum gibt es keinen "Anti-Mayer"? (http://www.geschichtsforum.de/764092-post104.html)
Warum sollen sich Wissenschaftler überhaupt mit offensichtlichem Humbug befassen?
Das ist doch die Frage, die sich zunächst einmal aufdrängt.

Was die Parteistrafe Pflugs betraf, so vermute ich eine Rüge.
Ich möchte noch einmal meine Frage wiederholen: Woher stammt die Information über das Parteiverfahren überhaupt?
 
Ich möchte noch einmal meine Frage wiederholen: Woher stammt die Information über das Parteiverfahren überhaupt?

Hättest Du diese Frage vor 25 Jahren gestellt, so wäre sie noch zu beantworten gewesen. Bekanntlich wurden parteiinterne Vorgänge nicht öffentlich gemacht. Die Erfahrungsträger leben zumeist nicht mehr. Falls ich doch noch einen finde, berichte ich hier darüber.
 
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