Die Liudolfinger/Ottonen übernahmen die Macht, nachdem ihr Prätendent Heinrich von Franken und Sachsen gewählt und sein Vorgänger Konrad I. ohne direkten männlichen Leibeserben gestorben war.
Daran kann ich nichts illegitimes erkennen. Dass es zuvor hinter den Kulissen intensive Gespräche - vor allem zwischen Liudolfingern und Konradinern - gegeben hat, liegt in der Natur der Sache und ist kennzeichnend für eine Wahlmonarchie und Wahlakte. Die Verfassung des mittelalterlichen Reichs hatte ja von Anfang an eine merkwürdige Zwitterstellung im Hinblick auf das Königtum: Theoretisch war das Reich eine Wahlmonarchie, in der Praxis wurde allerdings dem Geblütsrecht gefolgt, d.h. Ottonen, Salier, Staufer und Luxemburger blieben an der Macht, bis die Dynastie ausstarb.
So, Dieter, jetzt habe ich ein wenig recherchiert und wollte zunächst aufgeben. Schließlich war es nur ein fragender Gedanke, der sich mir aufdrängte, bei zitieren von El Quijotes Antwort zitiert hatte. Nun gut, es wurden genügend Gründe vorgebracht, die möglicherweise von der Genealogie her eine kognatische Nachfolge der (Konradiner und) Luidolfinger in Herrschaftstradition der Karolinger in gewisser Weise Weise zu rechtfertigen vermöchte. Hucker, den ich ebenfalls zitierte, allerdings eine Thronusurpation an. Mit dem Begriff der "Usurpation" (seitens eines Historikers) erscheint mir Legitimationsfrage zumindest nicht vollkommen unumstritten.
Zur ersten Hilfe habe ich bezüglich der Ereignisgeschichte also Rudolf Schieffers Karolingerbuch (in der 3. Auflage aus 2000) zu Rate gezogen, wo z. B. von Principes der Lotharingier die Rede ist, die sich von einem "glücklosen jungen Herrscher" (Schieffer) getrennt hätten. Diese Nachricht klingt ominös und es macht es nicht besser, daß sie nach "einer einzelnen, vielerörterten Annalennotiz" (ebd.) zitiert wird. Im Zeitrahmen von separatistischen Betrebungen - im ostfränkischen Reich: Bayern mit Luitpold als quasi autonomer Herzog, Schwaben ohne Erfolg - mit der ohne hinnigen Sonderstellung Lotharingiens (
Deutsche Biographie), sollte sie mich aber eventuell nicht allzusehr wundern.
Ferner fiel die Königswahl anscheinend nach dem Tode Ludwigs des Kindes also - und nach einer von altsächsischen Quelle mutmaßlich unabhängigen Quelle (
Konrad I. (Ostfrankenreich) ? Wikipedia) - an die Konradiner. Damit haben wir also ein unabhängiges politisches Gebilde und Schieffer spricht von einem irreversiblen Bruch mit der karolingischen Vergangenheit. Bis 914 soll es gemäß Gerd Althoff - mit einer kritischen Wertung der altsächsischen Überlieferung - nun zu einem Ausgleich mit dem Sachsenherzog Heinrich gekommen sein.
Bald starb Konrad und nachdem ich mich bis hierhin durchgearbeit habe lese ich bei Wikipedia: "Der Herrschaftsübergang selbst wird von Liudprand, Adalbert und Widukind in gleicher Weise geschildert: König Konrad selbst habe vor seinem Tod den Auftrag gegeben, Heinrich die Königswürde anzutragen und ihm die Insignien zu überbringen." (Stichwort: Konrad I) - An anderer Stelle wird es aber etwas differenzierter wider gegeben: "In der Aussage, dass Heinrich durch den Willen Konrads König wurde, stimmen die Berichte überein. Nach Widukind jedoch war Eberhard allein an Konrads Sterbebett, während laut Adalbert Konrad seine Brüder und Verwandten, die Häupter der Franken (fratribus et cognatis suis, maioribus scilicet Francorum), beschwor, Heinrich von Sachsen zu wählen. Liutprand wiederum lässt Konrad die Herzöge von Schwaben, Bayern, Lothringen, Franken und Sachsen zu sich rufen, um ihnen zu befehlen, den nicht anwesenden Heinrich zum König zu machen." (Stichwort: Heinrich I)
Interessanterweise wird Liudprand von Cremona lediglich von M. Springer nur in einem Absatz erwähnt, und zwar im Zusammenhang der Feststellung, daß Heinrich I - entgegen der ausrücklichen Überlieferung Liudprands - weder Herzog der Sachsen, noch Herzog der Thüringer gewesen sei", in der Anm. verweisend auf Matthias Becher (Rex, Dux & Gens), demnach der erste Herzog in Sachsen überhaupt erst der gewisse Herrmann Billung gewesen sei (
Francia 25/1 (1998)), allerdings akzeptiert Becher anscheinend wiederum durchaus die Überlieferung mit der Königswahl Heinrich des Voglers, obwohl ich trotzdem gerne mit Springer argumentieren würde, daß Liudprand "Otto I. nahe [stand] und hat eine Zeitlang an dessen Hof gelebt. Dort wird man ihm die Sicht der Dinge beigebracht haben" (S.89) - aber ich bliebe auch dann immer noch noch in Not wegen Adalbert von Magdeburgs Überlieferung, dem "einzig bedeutende[n] ottonischen Annalenwerk des 10. Jhs." (Ernst Karpf)
Liest man alle drei Überlieferungen aber ggf. in einem mentalitätsgeschichtlichen Kontext wie Kerstin Schulmeyer-Ahl (
Der Anfang vom Ende der Ottonen: Konstitutionsbedingungen ... - Kerstin Schulmeyer-Ahl - Google Books) eine weitere altsächsische Quelle im aufschlußreichen Vergleich mit Widukinds Überlieferung, läßt sich vllt. doch argumentieren, daß man die Sakralisierung der Ottonendynastie als Legitimationsbasis begreifen kann, die in den Quellen sozusagen auf Heinrich zurückprojiziert wurde.
Ich muß zugeben, meine Argumentation ist mehr eine spekulative Andeutung und eher Widerlegung eines fragenden Gedankens; immerhin bin ich bei meiner Recherche auf Literatur (v. a.: M. Becher & K. Schulmeyer-Ahl) gestoßen, die ich hiermit auf meine "Studienliste" zur derzeit (und ev. infolge Springers radikaler Thesen) bewegenden Sachsenforschung gesetzt habe - sowie: Johannes Laudage: König Konrad I. in der früh- und hochmittelalterlichen Geschichtsschreibung. In: Hans-Werner Goetz (Hrsg.):
Konrad I.: Auf dem Weg zum „Deutschen Reich“? Bochum 2006, S. 340–351 (auf den du dich wohl stützt, da du von zähen Verhandlungen spricht)