Mit einem deratig groß angelegtem Angriff im Raum und aus der Tiefe, der von vorneherein auf eine Einkesselung ausgelegt war hat niemand gerechnet, bzw. daß hat man den Sowjets garnicht zugetraut. Vieleicht muß man hier von Unterschätzung" sprechen. Diese Unterschätzung der Roten Armee zieht sich durch den gesamten Feldzug. Diese Unterschätzung hat wenn nicht mit Arroganz, so doch sicher mit Ignoranz zu tun.
Trotzdem muß man wohl auch anmerken, daß es der SU gelungen ist, die gesamten Vorbereitungen zur "Operation Uran" gut getarnt durchzuführen. So wurden z.B. Ersatzarmeedivisionen von Schukow und Wassilewski an ruhigere Frontabschnitte geschickt, wo sie unter Ernstfallbedingungen ausgebildet wurden. Dies veranlasste Reinhard Gehlen zu der Vermutung, es könnte eine Ablenkungsoffensive gegen die Heeresgruppe Mitte geben.
Die Ignoranz bzgl. der Lage ist originär bei Hitler festzumachen.
Sowohl die betroffene 6. Armee, als auch die vorgeordnete Heeresgruppe B, als auch im OKH gab es bis unmittelbar vor der Einschließung "Anträge", die 6. Armee in die verkürzte Don-Tschir-Linie zurückzunehmen. Dieses scheiterte ausschließlich an Hitler. Der letzte Antrag von Paulus erfolgte in der Woche vor der sowjetischen Offensive (-> Kehrig, Stalingrad).
Bereits im ganzen Verlauf Spetember-November 1942 war die Lage an der Donfront brisant. Den dortigen Verbündeten (zunächst ital. 8. Armee, dann rumänische 3. Armee) gelang es nicht, die Donbrückenköpfe der Roten Armee einzudrücken.
Bei 6. Armee, HGr. B und OKH, einschließlich Aufklärung "Fremde Heere Ost" lagen keine Fehleinschätzungen über die operativen und materiellen Möglichkeiten der Roten Armee für den Winter 1942/43 vor. Bei dem oben zitierten Hinweis auf "Ablenkung gegen Heeresgruppe Mitte" handelt es sich um die Lageeinschätzung Gehlens und der FHO, die sich lediglich unsicher war, wo die Offensiven stattfinden könnten. Bei HG Mitte traf man genau den Kern: hier fand "Operation Mars" statt, mit dem Ziel der Vernichtung der 9. Armee im Rshew-Bogen, im Volumen etwa das 1,5-fache der Operation Uranus/Stalingrad, und damit zutreffend als
Schwerpunkt der Winteroffensiven erkannt (-> Glantz, Zhukov's Greatest Defeat : The Red Army's Epic Disaster in Operation Mars, 1942).
FHO wies zudem auf die Winteroffensive gegen HGr. B, Don-Wolga-Raum hin, und legte sich (nach dem materiellen Einsatz der Roten Armee: zutreffend!) hier nicht auf den Schwerpunkt im Winter fest.
Die Aufstellungskapazitäten der Roten Armee wurden außerdem laufend berichtet, dieses Phänomen wurde schließlich seit Herbst 1941 permanent beobachtet. Auch die monatlichen Panzerkapazitäten mit Zugängen von rd. 2000 Stück waren recht genau geschätzt.
Die "Trainings-Verlegungen" sind ein Märchen der sowjetischen Memoirenliteratur. Die an der Uranus-Offensive teilnehmenden Verbände waren neu aufgestellt, bzw. aufgefrischte und aufgefüllte Reste, und haben mit Vorgänger-Verbänden nur die "Numerierung" gemeinsam. Zum Teil ist diese sogar irreführend: die mechanisierten Korps des Herbst 1942 waren auch organisatorisch und in der Zusammensetzung neu, und haben mit den Mechanisierten Korps 1941 nichts zu tun.
Diese Art der Bereitsstellung betraf sämtliche Stoßgruppen der Nord- und der Südgruppe bei Stalingrad. Ebenso verfuhr man im Übrigen auch bei der größeren Operation "Mars", wo die Verbandsaufstellungen ebenfalls seit September 1942 im sowjetischen Rückraum las "Reserven" liefen.
Bzgl. "Tiefe" ist Uranus nicht Besonderes. Raumgreifende Vorstöße zur Umfassung hatte es bereits im Winter 1942/42 in ähnlichem oder größerem Umfang gegeben.