Süddeutschland zur Okkupationszeit

Bei Aufgehen dieser Strategie wäre Süddeutschland/ Franken so nebenbei ebenfalls unter römische Kontrolle geraten, und bedurfte keiner eigenständigen Strategie (allenfalls ein paar taktischer Maßnahmen, um die dortige In-Besitz-Nahme vorzubereiten.)
Die Unterwerfung dieses Gebietes wäre natürlich eine logische Folge gewesen, klar. Aber auch wenn das Gebiet schon römisch eingekreist gewesen wäre, hätte es trotzdem heftigen Widerstand geben können, der einen richtigen Feldzug notwendig gemacht hätte. Ich verweise nur auf Thrakien, das bei seiner Annektion unter Claudius auch schon seit Jahrzehnten von den Provinzen Macedonia und Moesia eingekreist war, und trotzdem Widerstand leistete.
 
Aber auch wenn das Gebiet schon römisch eingekreist gewesen wäre, hätte es trotzdem heftigen Widerstand geben können, der einen richtigen Feldzug notwendig gemacht hätte.

Sitimmt im Prinzip natürlich. Aber nachdem die Römer Marbod zwischen 10 und 8 v.Chr. irgendwo im Hessischen / Obermaingebiet geschlagen hatten, war er ja mit den Resten seines Heeres / Volkes nach Böhmen gezogen. Da dürfte nicht so schrecklich viel auf dem Weg übriggeblieben sein, was zu heftigem Widerstand in der Lage war. Vermutlich war die Bevölkerungsdichte im Fränkischen sowieso eher gering, sonst wäre Marbod gar nicht so schnell und einfach nach Böhmen gelangt, bzw. hätte schon im Fränkischen sein Reich gegründet ..
 
Zuletzt bearbeitet:
P.S. @ Ravenik: Habe gerade gesehen, dass Du aus Niederösterreich kommst. Ist aus der lokalen Archäologie irgendetwas bekannt, dass darauf hindeutet, dass Marbod bei Euch durchgekommen ist? Oder ist er eher irgendwo entlang der heutigen Linie Würzburg-Nürnburg-Pilsen-Prag marschiert?
 
Funde, die sich unmittelbar mit Marbod in Verbindung bringen lassen, sind mir leider nicht bekannt. Allerdings gehörte das nordöstliche Niederösterreich nördlich der Donau vermutlich zu seinem Reich. Ich muss allerdings zu meiner Schande gestehen, dass ich mich mit der regionalen Archäologie noch nie so genau befasst habe. Vermutlich weiß Rovere mehr.

Es gibt allerdings mutmaßliche Überbleibsel aus den Markomannenkriegen des Mark Aurel.
 
Ich denke, die Strategie der Römer war großräumiger angelegt: Im Norden die Grenze bis an die Elbe vorschieben, von Noricum (15.v. Dhr. erobert) nach Böhmen und Mähren vorstossen, und dann beide Regionen zusammenführen (entweder entlang einer Elbe/Moldau-Grenze, oder durch In-Besitz-Nahme des gesamten böhmischen Beckens).

Allerdings wurde dieses große Vorhaben nicht realisiert, und Tacitus spottete in seiner Germania, dass die Elbe einst ein wohlbekannter Fluß war, den man heute (um 100 nach Chr.) nur noch vom hörensagen kenne... Das Scheitern der Errichtung einer Elbgrenze (Elbe-Moldau bis zur Donau) ließ eben "Plan B" relevant werden (die agri decumates wurden römisch), d.h. die Grenze wurde vorverlegt, der Rheinbogen ausgeglichen.

So ähnlich jedenfalls beschreibt es Wolters in dem kleinen, aber lesenswerten einführenden Büchlein "die Römer in Germanien".
 
Du meinst "Plan B" aber nicht im üblichen Sinne, oder? Normalerweise meint man mit "Plan B" einen Plan, der von Anfang an neben dem Hauptplan in Bereitschaft gehalten wird. Das würde bedeuten, dass bereits Augustus die Dekumatenland-Option erwogen hätte. Das wäre mir völlig neu.
 
Du meinst "Plan B" aber nicht im üblichen Sinne, oder?
nein, das war nur eine scherzhafte Ausdrucksweise (deshalb die Anführungszeichen)
Die Ausgestaltung der Ostgrenze (im Westen/Norden) des Imperiums nach dem nicht realisierten Installieren der Elbe als Grenze musste eben möglichst strategisch günstig Rhein und Donau verbinden.
 
Leider ist mir des Namen des zeitgenössischen Autors entfallen, der sinngemäß feststellte:

"Die Vorstellung von einem römischen Plan, einer Grenze gebildet aus Elbe und Donau sowie einem Verbindungsstück über Böhmen und Mähren, ist eher dem heutigen Blick auf die Landkarte Europas geschuldet als den geographischen Kenntnissen der Römer".

Zur eigentlichen Fragestellung:
Hans Smettan schreibt in dem Buch "Imperium Romanum, Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau" einen interessanten Beitrag. Er bezieht sich dabei auf Pollenanalysen. Nachweisbar ist die keltische Auswanderung aus Süddeutschland durch einen starken Anstieg von ausdauernden Unkräutern sowie von Pioniergewächsen wie Hasel und Birke. Demnach wucherten die keltischen Äcker in der fraglichen Zeit wieder zu.

Für spätere Zeit gibt dann Tacitus Zeugnis. Nach seiner Überlieferung wurde das Land von gallischen "Abenteurern" wieder aufgesiedelt. Auch diese Aufsiedelung kann Smettan mit seinen Pollenanalysen nachweisen. Unter römischer Herrschaft sinkt der Anteil der Baumpollen in landwirtschaftlich attraktiven Gebieten von 77% auf knapp 49% der Gesamtzahl an Pollen. Ackerbaulich weniger attraktive Gebiete (zum Beispiel Oberschwaben) bleiben nach der Pollenanalyse auch nach der römischen Besetzung für den Feldbau ungenutzt.

Ein weiteres Indiz für das Brachliegen des Südwestens zur augusteischen Zeit ist die spätere Namensgebung der Civitates im Südwesten. Diese werden - in Gegensatz zum linksrheinischen Gebiet - nur selten nach Stämmen benannt. Für uns ist als germanischer Stamm nur die Neckar-Sueben fassbar. Deren Civitas umfasst jedoch nur einen Teil des Südwestens.

Nimmt man an

- die Helvetier wanderten aus ihrem angestammten Gebiet nördlich von Hochrhein und Bodensee aus bevor die Römer Südwestdeutschland erreichten

- die Neckarsueben besetzten nur einen Teil des Südwestens (vornehmlich der nördliche Teil mit dem unteren Neckar)

- der unbewohnte Rest wurde durch individuelle Zuwanderung vom linken Rheinufer wieder in Besitz genommen

dann gab es für die Römer zur augusteischen Zeit wenig Anlass dieses Gebiet in Besitz zu nehmen. Was man an Ressourcen gebrauchen konnte (Wild oder Holz) ließ sich durch Arbeitstrupps linksrheinisch stationierter Truppen gewinnen, von den gallischen Abenteurern ankaufen oder bei den germanischen Bewohnern einhandeln. Da wohl auch keine militärische Bedrohung für die Romer existierte, gab es keinen Zwang zu einer dauerhaften Besetzung der Region.
 
(...) Da wohl auch keine militärische Bedrohung für die Romer existierte, gab es keinen Zwang zu einer dauerhaften Besetzung der Region.

Das ist sehr interessant! Offenbar hat sich die eher spärliche Besiedlung des heutigen Baden-Württemberg vereinfacht gesagt für das 1.-2. Jh. also nachweisen lassen.
Dennoch ist diese Region "romanisiert" worden, und sei es auch nur in den wegsamen und besiedelbaren Abschnitten - es gäbe ja sonst kein Sumelocenna, keine Hechinger villa rustica (deren Besuch wirklich sehr lohnend ist!), keinen oberraetischen Limes usw.
 
Leider ist mir des Namen des zeitgenössischen Autors entfallen, der sinngemäß feststellte:

"Die Vorstellung von einem römischen Plan, einer Grenze gebildet aus Elbe und Donau sowie einem Verbindungsstück über Böhmen und Mähren, ist eher dem heutigen Blick auf die Landkarte Europas geschuldet als den geographischen Kenntnissen der Römer".

Zur eigentlichen Fragestellung:
Hans Smettan schreibt in dem Buch "Imperium Romanum, Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau" einen interessanten Beitrag. Er bezieht sich dabei auf Pollenanalysen. Nachweisbar ist die keltische Auswanderung aus Süddeutschland durch einen starken Anstieg von ausdauernden Unkräutern sowie von Pioniergewächsen wie Hasel und Birke. Demnach wucherten die keltischen Äcker in der fraglichen Zeit wieder zu.

Für spätere Zeit gibt dann Tacitus Zeugnis. Nach seiner Überlieferung wurde das Land von gallischen "Abenteurern" wieder aufgesiedelt. Auch diese Aufsiedelung kann Smettan mit seinen Pollenanalysen nachweisen. Unter römischer Herrschaft sinkt der Anteil der Baumpollen in landwirtschaftlich attraktiven Gebieten von 77% auf knapp 49% der Gesamtzahl an Pollen. Ackerbaulich weniger attraktive Gebiete (zum Beispiel Oberschwaben) bleiben nach der Pollenanalyse auch nach der römischen Besetzung für den Feldbau ungenutzt.

Ein weiteres Indiz für das Brachliegen des Südwestens zur augusteischen Zeit ist die spätere Namensgebung der Civitates im Südwesten. Diese werden - in Gegensatz zum linksrheinischen Gebiet - nur selten nach Stämmen benannt. Für uns ist als germanischer Stamm nur die Neckar-Sueben fassbar. Deren Civitas umfasst jedoch nur einen Teil des Südwestens.

Nimmt man an

- die Helvetier wanderten aus ihrem angestammten Gebiet nördlich von Hochrhein und Bodensee aus bevor die Römer Südwestdeutschland erreichten

- die Neckarsueben besetzten nur einen Teil des Südwestens (vornehmlich der nördliche Teil mit dem unteren Neckar)

- der unbewohnte Rest wurde durch individuelle Zuwanderung vom linken Rheinufer wieder in Besitz genommen

dann gab es für die Römer zur augusteischen Zeit wenig Anlass dieses Gebiet in Besitz zu nehmen. Was man an Ressourcen gebrauchen konnte (Wild oder Holz) ließ sich durch Arbeitstrupps linksrheinisch stationierter Truppen gewinnen, von den gallischen Abenteurern ankaufen oder bei den germanischen Bewohnern einhandeln. Da wohl auch keine militärische Bedrohung für die Romer existierte, gab es keinen Zwang zu einer dauerhaften Besetzung der Region.


Die Theorie der "Helvetischen Einöde". Menschenleer im Gefolge der Teutonen und Kimbernzüge.

Sie will mir einfach nicht so richtig schmecken:weinen:
Schon aus dem genannten Grund, dass die römische Truppe, die Anno 70 die Kinzig entlang zog, recht stark war.

Dann sind die Römer sehr methodisch vorgegangen. Kastelle entlang der Donau.
Nach ein paar Jahren vorverlegt an die Albübergänge. Wieder ein paar Jahre später an den Neckar.
Methodische Sprünge von ca. 30-40 Straßenkilometern (Luftlinie 20km) sind einer "Einöde" doch zuviel Ehre angetan.

Ich Laie vermute mal, dass es da dramatische kulturelle Veränderungen gab, die "Folgekultur" für eben diese Zeit (50vor-50nach) derzeit (2011) noch nicht archäologisch nachgewiesen werden kann. Von einer "Einöde" keine Rede, nur eben noch kein Nachweis.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ohne mich in die Diskussion direkt einmischen zu wollen: Wieso hätte man diese Gegend denn jahrzehntelang beinahe ungenutzt/unbewohnt lassen sollen? Immerhin zogen schon vor Caesar Germanen auf Landsuche über den Rhein ins relativ dichtbesiedelte Gallien, und dann soll man später eine Gegend leer gelassen haben?
 
Ohne mich in die Diskussion direkt einmischen zu wollen: Wieso hätte man diese Gegend denn jahrzehntelang beinahe ungenutzt/unbewohnt lassen sollen? Immerhin zogen schon vor Caesar Germanen auf Landsuche über den Rhein ins relativ dichtbesiedelte Gallien, und dann soll man später eine Gegend leer gelassen haben?


Wäre wirklich unlogisch.
Warum sollen die Helvetier vom Neckar an den Limmat ziehen? Und am Neckar eine Einöde hinterlassen?

Es gibt für gewisse Zeiten "Fundleerstände", die aber lediglich ein noch nicht gelöstes Problem der Suchtechnik sind.
Und da gibt es dann eben Raum für Spekulationen, bis zur Zeitfälschung.
:devil::rofl::rofl:
 
Dekumatland schrieb:
Das ist sehr interessant! Offenbar hat sich die eher spärliche Besiedlung des heutigen Baden-Württemberg vereinfacht gesagt für das 1.-2. Jh. also nachweisen lassen.
Die Untersuchungen von Smettan beschäftigen sich mit der Zeitenwende im heutigen Baden-Württemberg. Spätestens mit der Vorverlegung der römischen Herrschaft auf das rechtsrheinische Gebiet unter Domitian änderte sich die Situation grundlegend. Das Errichten des rechtsrheinischen Limes führte zur Anlage von Auxiliarkastellen. Die Besatzung dieser Kastelle waren Bezieher regelmäßiger Soldzahlungen. Diese Gelder zogen wiederum zivile "Dienstleister" aus anderen Gebieten des Reiches an. Schnell erfolgte die Gründung von Lagervici. Die Menschen im Kastell und Vicus mussten versorgt werden. Das römische Militär gründete daher Villae Rusticae und übertrug diese an Veteranen als finanzielle Altersversorgung. Die Kastelle mussten an das linksrheinische Gebiet sowie an das Innere Raetiens angebunden werden. Straßen wurden gebaut, diese in regelmäßigen Abständen mit Mansio und Pferdewechselstation versehen. An diesen Einrichtungen sowie an Straßenkreuzungen wurden schnell neue Siedlungen gegründet. Kurzum, für das 2. Jahrhundert uZ ist mit einem starken Bevölkerungszuwachs im Südwesten zu rechnen. Jedoch befinden wir uns in einer Randzone des Reiches. Große Städte befanden sich hier nicht, auch Arae Flaviae blieb eher eine wenig erfolgreiche Gründung.

Ohne mich in die Diskussion direkt einmischen zu wollen: Wieso hätte man diese Gegend denn jahrzehntelang beinahe ungenutzt/unbewohnt lassen sollen? Immerhin zogen schon vor Caesar Germanen auf Landsuche über den Rhein ins relativ dichtbesiedelte Gallien, und dann soll man später eine Gegend leer gelassen haben?
Weil Gallien attraktiver war? Ariovist kam ja zuerst nicht mit Kind und Kegel, sondern war auf Raubzug. Was hätte er im verlassenen Süddeutschland rauben sollen? Nach Caesar wurden die Überlebenden der Sueben dann rechtsrheinisch angesiedelt. Klingt jetzt nicht so, als wären nach Ariovists Niederlage die Sueben die Akteure gewesen - eher das Objekt politischer Fremdbestimmung.

Repo schrieb:
Die Theorie der "Helvetischen Einöde". Menschenleer im Gefolge der Teutonen und Kimbernzüge.

Sie will mir einfach nicht so richtig schmecken:weinen:
Schon aus dem genannten Grund, dass die römische Truppe, die Anno 70 die Kinzig entlang zog, recht stark war.
Das sind jetzt aber zwei Dinge, welche nicht zusammen gehören.
Kimbern und Teutonen waren vor 100 vuZ. Richtig ist, dass die römischen Quellen erwähnen, dass sich Teile der Helvetier dem Zug der Kimbern und Teutonen angeschlossen haben. Aber hier liegt die Betonung auf einem Teil.

Den Begriff "Helvetiereinöde" verdanken wir Claudius Ptolemaeus. Er bezieht sich nicht auf die Kimbern, sondern auf die Kriege Caesars in Gallien. Nach der Überlieferung war der Druck germanischer Stämme auf die keltischen Helvetier so stark, dass diese sich ein neues Stammesgebiet gesucht haben. Für das Gebiet der heutigen Schweiz kann man dies jedoch verneinen, weil dort die Besiedlung nicht abbricht. Für das heutige Baden-Württemberg ist diese Auswanderung jedoch archäologisch fassbar.

Bei Domitian bin ich gerade nicht mehr fit genug um es nachzulesen:
Führte er nicht Krieg gegen die Chatten? Hatte er nicht deshalb eine so starke Streitmacht aufgeboten um im Bereich des heutigen Hessens Krieg zu führen? Gab es denn auch Kämpfe im heutigen Baden-Württemberg?
 
Weil Gallien attraktiver war? Ariovist kam ja zuerst nicht mit Kind und Kegel, sondern war auf Raubzug. Was hätte er im verlassenen Süddeutschland rauben sollen? Nach Caesar wurden die Überlebenden der Sueben dann rechtsrheinisch angesiedelt. Klingt jetzt nicht so, als wären nach Ariovists Niederlage die Sueben die Akteure gewesen - eher das Objekt politischer Fremdbestimmung.
Jein. Ariovist kam anfangs mit seinen Mannen über den Rhein, weil die Arverner und Sequaner ihn zum Kampf gegen die Haeduer angeheuert hatten. Dann holte er weitere Germanen aus verschiedenen Stämmen nach, besetzte ein Drittel des Gebietes der Sequaner und verlangte die Überlassung eines weiteren Drittel. Mittlerweile ging es ihm also sehr wohl um Siedlungsland.

Bei Domitian bin ich gerade nicht mehr fit genug um es nachzulesen:
Führte er nicht Krieg gegen die Chatten? Hatte er nicht deshalb eine so starke Streitmacht aufgeboten um im Bereich des heutigen Hessens Krieg zu führen? Gab es denn auch Kämpfe im heutigen Baden-Württemberg?
Primär kämpfte er gegen die Chatten, ja.
 
Den Begriff "Helvetiereinöde" verdanken wir Claudius Ptolemaeus. Er bezieht sich nicht auf die Kimbern, sondern auf die Kriege Caesars in Gallien. Nach der Überlieferung war der Druck germanischer Stämme auf die keltischen Helvetier so stark, dass diese sich ein neues Stammesgebiet gesucht haben. Für das Gebiet der heutigen Schweiz kann man dies jedoch verneinen, weil dort die Besiedlung nicht abbricht. Für das heutige Baden-Württemberg ist diese Auswanderung jedoch archäologisch fassbar.
Wo ist diese Auswanderung in Baden-Württemberg archäologisch fassbar, wenn die Helvetiereinöde eine Folge der Aktivitäten Caesars gewesen sein soll? Wie ich hier im thread schon geschrieben habe, nimmt man doch das Ende von einigen wichtigen keltischen Siedlungen erst einige Jahrzehnte nach Caesar an (15 v. Chr.). Oder verstehe ich da irgendwas falsch?
 
Den Begriff "Helvetiereinöde" verdanken wir Claudius Ptolemaeus. Er bezieht sich nicht auf die Kimbern, sondern auf die Kriege Caesars in Gallien. Nach der Überlieferung war der Druck germanischer Stämme auf die keltischen Helvetier so stark, dass diese sich ein neues Stammesgebiet gesucht haben. Für das Gebiet der heutigen Schweiz kann man dies jedoch verneinen, weil dort die Besiedlung nicht abbricht.
Welche Überlieferung? Welche germanischen stämme?

Für das heutige Baden-Württemberg ist diese Auswanderung jedoch archäologisch fassbar.

siehe tela.

Bei Domitian bin ich gerade nicht mehr fit genug um es nachzulesen:
Führte er nicht Krieg gegen die Chatten? Hatte er nicht deshalb eine so starke Streitmacht aufgeboten um im Bereich des heutigen Hessens Krieg zu führen?

Durch den Schwarzwald gegen de Chatten? ins heutige Hessen???
Die Nichtnutzung wesentlich kürzerer (Faktor 10) und wesentlich bequemerer Wege (Faktor 20) ohne schwerwiegenden Grund kann man wohl ausschließen.

Gab es denn auch Kämpfe im heutigen Baden-Württemberg?
Die Frage ist verm. rhetorisch gestellt?
In den Quellen ist nichts. Gar nichts enthalten.
Und die Spatenforschung kann solche Ereignisse ja nur in absoluten Ausnahmefällen entdecken, und bei Fehlen schriftlicher Quellen ja nicht zuordnen.
 
Hmmh, ich weiß jetzt nicht ob wir uns im Römerforum tiefer mit dem Ende der Kelten in Südwesten beschäftigen sollten. Vermutlich gibt es im benachbarten Keltenforum wohl entsprechende Fäden zu dem Thema. Eine kurze Antwort* will ich auf jeden Fall noch schreiben, sonst sieht es nach kneifen aus.

Wir haben in den letzten Beiträgen drei mögliche zeitliche Szenarien für das Ende der keltischen Besiedlung im heutigen Baden-Württemberg angesprochen:

- Ende mit dem Zug der Teutonen und Kimbern nach Gallien und Norditalien (um 100 vuZ)

- Ende während der Zeit des gallischen Krieges (um 50 vuZ)

- Ende mit oder nach dem Alpenfeldzug des Augustus (also ab 15 vuZ)

Die mir bekannten Fakten:

Strabon überliefert uns, dass die Vindeliker zwischen Donau und Alpen gesiedelt haben. Der Fund eines vindelikischen Opferplatzes mit römischen Waffen aus der Zeit des Alpenfeldzuges in Oberammergau bestätigt dies. Auch wird uns für den Alpenfeldzug berichtet, dass es zu einem Seegefecht zwischen den Einheimischen und den Römern auf dem Bodensee gekommen ist. Die Kelten waren also sicherlich noch im Alpengebiet ansässig:

- die Vindeliker wohl im heutigen Südbayern
- die Raeter im Alpenbereich
- die Helvetier in der heutigen Schweiz, mit dem Schwerpunkt nach der heutigen Westschweiz

Claudius Ptolemaeus schreibt in der Geographia 2,11,6
atque deinde Intuergi et Vargiones et Caritni, infra quos Vispi
et
Helvetiorum Desertum usque ad eos quos diximus Alpes montes.

Als letzte mir relevante Quelle ist noch "Der Gallische Krieg"
von Julius Cäsar vorhanden. Darin berichtet uns Cäsar, dass die
Helvetier ihre Behausungen in ihrem alten Siedlungsgebiet ver-
brannt hätten und nach Gallien ausgewandert sind.


Sabine Rieckhoff und Jörg Biel schreiben in "Die Kelten
in Deutschland", Stuttgart 2001:

Rieckhoff/Biel schrieb:
Ein völlig anderes Bild als Gallien und Noricum bietet Süd-
deutschland. Von Frankfurt bis Manching, vom Staffelberg bis
Altenburg-Rheinau fehlen die archäologischen Funde der letzten
vier fünf Jahrzehnte vor der Zeitenwende durchgehend; eine
unbezweifelte Kontinuität zwischen keltischer und römischer Zeit
ist in keinem einzigen Lebensbereich zu erkennen ...

Zu der Situation nach 15 vuZ schreiben die beiden:

Rieckhoff/Biel schrieb:
Ein paar Einzelfunde, Verluststücke (Hüfingen), oder Opfergaben
(Andechs) entlang
der alten hallstatt- und latenezeitlichen Verkehrswege zeigen nur an, dass es gelegent-
lich Patrouillen an den oberen Neckar und ins Land der Vindeliker gegeben hat. Von
den süddeutschen Kelten war dabei jedoch offenbar so wenig zu sehen, dass eine
stationäre militärische Kontrolle nicht erforderlich schien. Eine Besetzung des verödeten
Landes wäre kaum möglich gewesen, da es an Menschen gefehlt hätte, die die Truppen
mit Nahrungsmitteln hätten versorgen können ...
Der weit vorgeschobene Militärstandort Augsburg war mit Bedacht gewählt worden.
Er zielte auf altbekannte Fernwege ins Maindreieck. Da war zu dieser Zeit weit und
breit das einzige Gebiet, von dem Gefahr drohte, da sich hier inzwischen in dem von
den Kelten verlassenen Land Leute niedergelassen hatten: Germanen


Die von Tela erwähnten neueren Ausgrabungen in keltischen Siedlungen nahe der
heutigen Schweizer Grenze stehen meines Erachtens dazu nicht im Widerspruch.
Unbestritten von Biel ist, dass die Kelten weiterhin im Gebiet der heutigen Schweiz
siedelten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass wir in der Nähe der Schweiz noch
Siedlungen der Kelten finden. Es wäre ein ganz anderer Sachverhalt, wenn wir nun aus
der Zeitenwende Siedlungen in Mittelbaden oder im mittleren Neckarraum finden würden.
Biel verweist auf die Arbeiten von "Wieland" aus dem Jahr 1996, wonach man in den
Fundarchiven lediglich fünf keltische Fibeln aus der zweiten Hälfte des 1. Jahr-
hunderts vuZ aus dem heutigen Baden-Württemberg besitzt. So viele findet man im
linksrheinischen an einem keltischen Siedlungsort.

In der Frage der Helvetier scheint mir die Darstellung bei Cäsar weiterhin glaubhaft.

* kurz ist eine Frage der Definition

 
Als letzte mir relevante Quelle ist noch "Der Gallische Krieg"
von Julius Cäsar vorhanden. Darin berichtet uns Cäsar, dass die
Helvetier ihre Behausungen in ihrem alten Siedlungsgebiet ver-
brannt hätten und nach Gallien ausgewandert sind.
Allerdings wurden die überlebenden Helvetier nach dem Ende des Krieges von Caesar in ihre Heimat zurückgeführt. Sie werden auch später immer wieder erwähnt, z. B. von Tacitus in Zusammenhang mit dem Vierkaiserjahr, wo sie sich in den Bürgerkrieg einmischten.
 


Sabine Rieckhoff und Jörg Biel schreiben in "Die Kelten
in Deutschland", Stuttgart 2001:


Kenne ich soweit.
Du hast gelesen, dass einige ihrer Co-Autoren auch andere Meinungen vertreten?

Was mich aber zweifeln lässt, ist:
Für die starken Okkupationstruppen hat bisher keiner eine Erklärung geliefert.
Naheliegend ist dies jedenfalls für einen Zug in eine Einöde nicht.
Weiter das methodische Vorgehen, bis zur Donau dann zu den Albausgängen, dann zum Neckar, wobei die selben Truppen jeweils ein ca. 30 Kilometer weiter liegenden neues Kastell errichtetem.
Fehlt mir für die Einöde auch die Erklärung.

Zeiten der Fundleere gibt es in der Archäologie die Menge, schon für die Kelten" mehrfach. Ich vermute einfach mal, dass das eher Probleme der Funddeutung und Suchtechnik sind, die im Laufe der Jahre gelöst werden.
Die "Einöde" will mir einfach nicht recht einleuchten. Ähnlich wie die Chronologiekritik:friends:

Aber OK, wir kommen da sowieso nicht weiter, kann man auf die Forschungsergebnisse der Zukunft auf jeden Fall gespannt sein.
 
Zeiten der Fundleere gibt es in der Archäologie die Menge, schon für die Kelten" mehrfach. Ich vermute einfach mal, dass das eher Probleme der Funddeutung und Suchtechnik sind, die im Laufe der Jahre gelöst werden.
Die "Einöde" will mir einfach nicht recht einleuchten.

Die stets gern propagierte "Fundleere" will mir auch nicht einleuchten, auch nicht die damit zusammenhängende angebliche "Siedlungsleere" in Süddeutschland zu Beginn der römischen Besetzung. Vor allem sehe ich keinen historischen Anlass, der zu einem derart "entvölkerten Gebiet" hätte führen können. Einschneidende Invasionen, Völkerbewegungen oder -wanderungen sind in den letzten vorrömischen Jahrhunderten aus diesen Regionen nicht bekannt.
 
Zurück
Oben