Nun, ich könnte den einen oder anderen interessierten Gast vielleicht entschädigen, indem ich ein wenig von dem plaudere, was ich gestern Abend so getrieben hätte ...
Nunja, der hiesige Discurs hat mich beflügelt (vielen Dank!), wieder einmal tiefschürfend in den Quellen der alten Maitres nachzublättern, um mich recht tief darin zu versenken : nicht allein geistig - nein! vor allem auch cörperlich. Ich stellte eine Menuet von Telemann an und blätterte und tanzte und blätterte und tanzte ... dabei hatte ich Kerzenlicht. Schön war das.
Und was soll ich sagen - ich fand ein paar interessante Details, über die ich bislang allzu schnell hinweg gelesen hatte. Vor allem dies:
Taubert war ja bis 1715 Tantz=Meister zu Dantzig, wo er so erfolgreich gewesen ist, daß alle anderen Concurenten (auch Franzosen gar) einpacken und weiterziehen mußten (leider vertrieb ihn 1715 die Pest aus diesem seinem Paradis, sodaß er vorläufig nach Leibzig zurückkehrte). Eines Tages kam ein Aufschneider (man nennt solche Leute im Tanzjagon um 1700 Pickelhering), der vorgab lange in Paris geweilt zu haben, wo er folgenden Schrei her hätte:
Pas de Menuet mit (1.) halbe Coupee*, (2.) Pas Marche**, (3.) halbe Coupee, (4.) Pas Marche - fertig.
Die Danziger sollen zunächst darauf abgefahren sein, da alles was neu aus Paris kommt, allgemein Aufsehen erregt. Nun wird aber jeder, der ein wenig Menuet zu tanzen versteht, rasch erkennen, daß dieser "nagelneue und badwarme" (sagt Taubert ironisch) 'Pas de Menuet' mehr gehinkt als getanzt heraus kommt, wo ja Coupee (linkes Bein) und Pas Marche (rechtes Bein) jedesmal auf dem gleichen Bein geschieht.
Taubert hierzu:
Denn, nachdem er die Ohren so gar sehr schlecht verbergen kunte, und alle seine Actiones, Reden, Geberden, Reverences, Schritte und Schnitte allzustarck mit Hasen=Schmaltz gewürtzet hatte; als bekam ein ieder gar bald für seiner Frantzösischen Delicatesse einen Eckel, als für unreiff Obst, ja so gar, daß er sein Handwerck in summa miseria deponiren muste.
Bezeichnend übrigens das viele Latein: Taubert affectiert nicht Französisch, sondern beschränkt sich hier auf die Französische Tanzfachsprache. Ansonsten zeigt er durch Latein, offensichtlich bewußt, daß ein Tanzmeister eben kein dummer Modegeck sein muß.
Mit "Ohren" meint er übrigens eingangs Hasenohren. Der Hase ist jenes Tier, mittels dessen man gern den Narren kennzeichnet - so wie er ja alle die Taten dieses Pickelherings als hasenhaft beschreibt.
Taubert nennt aber noch einen anderen Punct, wo ich doch einen anderen Geschmack als er bekennen muß:
Er berichtet nämlich, daß ein vornehmer Danziger ihm ein älteres Document gezeigt hätte, welches dieser einst von einem Pariser Maitre zum Present erhalten hatte. Darin befand sich der vorgeblich "allererste Pas de Menuet"! Ob es nun wirklich der allererste gewesen ist, kann man bezweifeln, allein finde ich diesen Schritt gar nicht mal uninteressant (Taubert nennt ihn "lächerlich")! Denn er beginnt (wie curios für heutige 'Barocktanz'-Beine!!) mit einem doppelten Mouvement!!! - Das ist gewiß recht ungewöhnlich, wenn man die sonstigen Standartmenuetschritte dageben hält. Aber es hat was Neckisches und dies keinesfalls zu neckisch, sondern decent neckisch und das begeistert mich.
Nunja, nach diesen zwei Mouvements kommen nur noch Pas Marches - aber es kommt ja darauf an, wie man anfänglich die beiden Kniebeugen ausführt und da gibt es etliche Möglichkeiten, welche eine Menuet nur ausdrucksvoller machen können.
Was ich an Taubert einfach gut finde, ist wie er bestreitet, daß es DEN Menuet Pas geben könne. Vielgleisig, wie er sich stets erzeigt, macht er darauf aufmerksam, daß man eigentlich alle Schrittvarianten in einer einzigen Menuet miteinander connectieren könne. Und hier trifft er exact jenem starren Nagel auf den Kopf, wie er im 21.Jahrhundert eingerissen ist : daß man stur nach Schablonen tanzt, um die ganze Vielfalt an galanten Techniken zu übergehen.
Taubert nennt in seinem Buch die vier üblichen Menuetschritte:
1. Pas de Menuet un seul mouvement,
2. Pas de Menuet en fleuret,
3. Pas de Menuet a deux mouvemen(t)s,
4. Pas de Menuet a trois mouvemen(t)s (da hat der Setzer das t vergessen).
Am besten findet Taubert Nr.3 - heute verbreitet ist Nr.2; ich finde alle hübsch und habe mich noch nicht recht für einen Lieblingspas entschieden (aber ich glaube der alte mit dem doppelten Mouvement gefällt mir auch weiter besonders gut).
Nun weist Taubert zurecht darauf hin, daß es im Verlaufe der Menuetentwicklung weit mehr Varianten gegeben hätte. Wenn man die Möglichen Variationen im Stillen durchrechnet, bekommt man eine lange LIste ... - Bei jeweils gleichbleibender Anzahl des Mouvements (halbe Coupee) lassen sich jeweils ja die steifen Schritte (Pas Marche) anzahlmäßig variieren. Und ich bin keineswegs der Meinung, daß ein Menuet Pas immer ohne Fußwechsel ausgeführt werden müsse (wie Engstirnige gern insistieren) - warum? es gibt keinen vernünftigen Grund dafür.
Nochmals variieren kann man die Menuet-Varianten im Rhythmus: Bei (2.) und (3.) kann man einfach nur Viertelnoten durchschreiten, bei den anderen muß man überlegen, wohin man die überzählige Achtel hinbaut. Bei (4.), der schwierigsten, finde ich zwei Möglichkeiten am besten: Entweder man macht die Achtel gleich im Auftact, oder (was ich besonders gepfeffert-rafiniert finde!) man beeilt sich in der Mitte mit der Setzung des Pas Marche.
Bei (1.) geht es natürlich nicht um eine Achtel, sondern um Weglassung eines Viertelschlages; hier habe ich die halbe Note (das doppelte einer Viertel) ganz gern vor den drei Pas Marches (bei Anfängern finde ich übrigens ganz günstig, hier nur zwei steife Schritte vorzugeben).
Ja fein - das war jetzt mal ganz nach meinem Gusto (fern aller Bauernschäncken). Ich muß übrigens darauf hinweisen, daß ich an diesem Internetterminal keinen Französischen Accent setzen kann. Bitte höflichst, sich die kleinen Dinger dazu zu denken.