TOVTONENSTEIN in Miltenberg - 2
Der Befund
Der Stein war beim Auffinden in zwei Teile zerbrochen (2,75 m + 1,90 m). Conrady beschreibt ihn als „obeliskartig“ und nennt ihn eine „Felsnadel“. Er stammt aus dem heimischen Buntsandstein. Für Conrady steht außer Frage, daß es sich um einen römischen Fund handelt, „einen uralten Markstein, einen unter römischer Mitwirkung und Einfluß errichteten Cippus“. Damit schien auch bereits die Datierung (die Römerzeit am Untermain) klar.
Wer waren die Toutonen?
Da Conrady eine Völkerschaft mit diesem Namen unbekannt war, unterlegte er unbedenklich einen anderen Namen:
„Unter den Toutoni unseres Grenzsteins kann daher nur eine bestimmte Einzelvölkerschaft (Gaugenossenschaft?) verstanden werden, und will man ihr nicht ... einen versprengten Rest der mit den Cimbern nach dem Süden gezogenen Teutonen finden, so bleibt eben nur die Annahme übrig, daß auf dem Denkmal der Name einer bisher unbekannt gebliebenen [keltischen] Völkerschaft zum ersten Male genannt werde“. Denn das Wort TOVTONOS sei nur eine keltische Form für die „Teutonos“.
Noch im gleichen Jahr (1878) kommt das Echo aus wissenschaftlichen Kreisen: „Ptolemäus kennt unter den Völkern am Abnoba auch die Тουρφνοι. Er hat nicht das geringste Bedenken, die überlieferte Form in Тουτφνοι zu ändern [E. Hübner]“. So wurden aus den Touronen Toutonen.
Und da der Gau der Tovtonen im nördlichsten Zipfel des Dekumatenlandes (durch diesen Fund Conradys) „sicher" bezeugt ist, so geht die Gleichung glatt auf: Die Toytonen der Grenzinschrift auf dem Stein sind die Teutonen, und die Tovtonen sind die Tovronen. Nur Meitzen (1895) läßt vorsichtiger aus der Diskussion, wer denn diese Tovtonen gewesen sein mögen. Es ist darum auch nicht verwunderlich, wenn K. Hofmann (1937) schreibt, daß dieser Tovtonenstein auf einem aus dem Bergeshang herausgeebneten Versammlungsplatz oder einer „Kultstätte" stand, aus einem Stück roten Sandsteins der Gegend gefertigt. Wenn auch die Sprache dieser Inschrift die lateinische ist, so sei das Volkstum doch germanisch.
Von hier bis zu der erfindungsreichen Auslegung, daß es sich um einen „Runenstein" handelt„durch den zudem das Vorkommen der Runen auf dem Festland bewiesen werden soll, ist nur ein kleiner Schritt. Die Runen sollen jedoch vor der römischen Beschriftung abgemeißelt worden sein, so daß wir leider um den Genuß kommen, sie enträtseln zu dürfen.
Die Kimbern sind nicht weit
Auch die Wissenschaft von der Wanderung der Kimbern und Teutonen hat natürlich von diesem Faktum, das ihr unwidersprochen geboten wurde, gern Gebrauch gemacht; sie hat die Reste der bei Vercellä geschlagenen und versprengten Kimbern und Teutonen über die Alpen zurückgeleitet und in der anmutigen Odenwaldgegend ansässig gemacht, wo sie den Römern gewiß willkommene Grenznachbarn waren.
Denn nicht nur allein diese (Pseudo-) Teutonen sollen in den Tovtonen nachweisbar sein, sondern auch die Kimbern sollen Spuren ihrer Anwesenheit in dieser Gegend hinterlassen haben; wurden doch auf demselben Greinberg, sogar in nicht zu großer Entfernung vom Tovtonenstein, Weihungen an einen Mercurius „Cimbrianus“ gefunden. Innerhalb des auf dem Gipfel des Greinbergs (nicht weit nord-östlich von Conradys Fundstelle) gelegenen Ringwalls grub der Leiningische Forstmeister Madler im Jahre 1845 zwei Inschriftensteine aus, die nach seiner Ansicht von den römischen Wachtposten des Altstadtkastells unterhalb Miltenbergs gesetzt sein sollten.
Die nur teilweise erhaltene Inschrift des einen enthält die Zeilen
MERCURIO
CI...NIO
die zu Mercurio Cimbriano? ergänzt wurden.
Auf dem zweiten Denkmal erscheint ein Mercurius mit dem Beinamen Arverniorix. Mit diesem könnte der Stammesgott der Völkerschaft der Arverner gemeint sein, da „der einheimische Schutzpatron der Hauptstadt Arverna mit dem römischen Merkur identifiziert wurde, der auch sonst auf rheinländischen Inschriften als Mercurius Arvernus erscheint.
Fortsetzung folgt