Die Vernichtung der Teutonen
Das Gerücht von den Kimbern und Teutonen, von der Masse dieser anrückenden Kriegsscharen, fand in Rom zunächst keine Beachtung. Doch später sollte das Gerücht von der Realität noch übertroffen werden. Eine kampfgerüstete Mannschaft von 300 000 Mann, die wie es hieß weit mehr Kinder und Weiber mit sich schleppten, zog heran. Sie waren auf der Suche nach Land, Städten, worin sie sich für die Zukunft
niederlassen konnten. Eigentlich waren sie selbst unbekannt, denn man kannte weder ihre Abstammung noch ihr Ausgangspunkt, von welchem aus sie nun über Gallien und Italien hereinbrachen. Man schloß lediglich aus der Größe ihrer Gestalten, der hellblauen Augenfarbe, und aus dem Umstand, daß "Kimbern" bei den
Germanen der Name für Räuber war, daß sie wahrscheinlich noch zu den germanischen Stämmen, deren Gebiet sich an das nördliche Weltmeer erstreckte, gehörten. An Mut und Keckheit unwiederstehlich, an Gewalt und Heftigkeit einem Feuer ähnlich, rückten sie näher und näher heran. Ihrem Angriff vermochte niemand zu widerstehen, selbst römische Armeen und Feldherren wurden von ihnen hinweggefegt. Siegreich über alle
Gegner und im Besitz von ungeheuren Schätzen, fassten sie den Entschluß, sich erst niederzulassen, wenn sie Italien völlig verwüstet und Rom dem Erdboden gleichgemacht hätten.
Darauhin beriefen die Römer Gaius Marius als Feldherr, der sich auf diesem Gebiet in Africa als außergewöhnlich begabt gezeigt hatte, und zum zweitenmal zum Konsul ernannt wurde. Marius zog ins Feld, doch die Barbaren machten zunächst eine
rückgängige Bewegung in Richtung Spanien. So hatte der Feldherr Marius Zeit, um die Körperkräfte seiner Armee zu üben und den Geist zu Mut zu erheben. Als er von der Nähe des Gegners erfuhr, rückte er über die Alpen und schlug am Rhonefluß ein verschanztes Lager auf. Die Barbaren trennten sich unterdessen in zwei Hälften. Die Kimbern rückten gegen Catalus vor, um den Durchmarsch zu erzwingen, während die Teutonen und Ambronen durch Ligurien gegen Marius zogen. Während die Kimbern einen größeren Aufenthalt hatten, marschierten die Teutonen und Ambronen durch das zwischenliegende Land. Mit Geschrei und Lärm beschlagnahmten sie, unermeßlich an Anzahl und fürchterlich anzusehen, den größten Teil der Ebene.
Als ihr Lager fertig errichtet war, forderten sie Marius zur Schlacht heraus. Doch Marius kümmerte dies wenig. Er stellte dagegen seine Männer abteilungsweise auf den Wall und ließ sie hinausblicken. So konnte er ihnen die Furcht vor dem Aussehen der Gegner nehmen, und sie an deren fremdartig und tierisch klingende Stimme gewöhnen. Doch allmählich war es den Soldaten nicht genug, nur dazusitzen und die Plünderungen
mitanzusehen. Marius konnte sie durch seine Erklärung, für den Sieg den richtigen Moment und den günstigen Ort abzuwarten, beruhigen. Als die Teutonen bei der herrschenen Ruhe einen Angriff wagten, stießen sie auf einen Hagel von Geschossen. Nachdem ihr Verlust verheerend war, packten sie zusammen und zogen ohne für den Alpenübergang auch nur das geringste zu befürchten, am Lager der Römer vorüber.
Der Zug an Marius´ Schanzen soll nicht weniger als sechs Tage gedauert haben, und brachte erstmals ihre ungeheure Menge zum Vorschein.
Als die Feinde vorübergezogen waren, brach auch Marius mit seine Soldaten auf und blieb ihnen immer dicht an den Fersen. So kam es, daß sie beide immer weiter vorrückten, bis in die Gegend von Aquae Sextiae, dem heutigen Aix-en-Provence. Da die Alpen nun nicht mehr allzuweit entfernt lagen, entschied sich Marius zu einem Kampf. Für sein Lager wählte er eine Stelle aus, die zwar fest, aber wasserarm war. Nur in der Nähe der feindlichen Schanzen befand sich ein Fluß, zu dem die Dienerschaft
scharenweise hinabstieg. Mit ihren Krügen und befaffnet mit Äxten und Beilen, zogen sie loß, um sich Wasser selbst mit kämpfender Hand zu erobern. Zunächst wurden sie nur von einigen ihrer Feinde angegriffen, doch auf das Geschrei hin, lief plötzlich eine größere Masse zusammen. Marius fiel es schwer seine Soldaten, die sich nun um ihre Bediensteten sorgten, zurückzuhalten. Im Takt an ihre Waffen schlagend, marschierten die Ambronen voran. Ein Handgemenge begann, doch durch das Übersetzen über den Fluß, konnten sie sich nicht mehr rechtzeitig in Schlachtordnung aufstellen, und die ersten von ihnen wurden sogleich von den Liguriern angefallen. Der Kampf Mann gegen Mann hatte begonnen. Als sich die Römer von den Anhöhen herab auf die Barbaren stürzten, um den Liguriern zu Hilfe zu eilen, zogen sich die Barbaren zurück.
Die Römer verfolgten sie bis an das Lager, wohin sie zu fliehen versuchten. Dort trafen sie auf die Frauen, die mit Schwert und Beil heranrückten und sich nicht nur gegen die Flüchtlinge, sondern auch gegen deren Verfolger, bis zum Tod, zur Wehr setzten. Obwohl die Römer eine Masse von Ambronen niedergemetzelt hatten, blieben dennoch hunderttausende von Barbaren übrig, unter die sich nun auch die Ambronen mengten. Der in der Nacht von Marius erwartete Gegenschlag blieb aus, und auch am darauffolgenden Tag beschäftigte sich der Feind lediglich mit Aufstellungen und Vorbereitungen. Als ein weiterer Schlachtruf über den Hügel herüberdrang, setzte Marius zum Sturmangriff von zwei Seiten an, und der Feind hatte keine Chance. Er löste sich auf und floh.
Nach der Schlacht setzte sich das Heer Kränze aufs Haupt, und Mariusselbst legte sich der Sitte nach die purpurverbrämte Toga an. Als plötzlich einige Freunde zu Pferd
herannahten, brachten sie Marius die Botschaft, daß man ihn zum fünftenmal zum Konsul ernannt hatte. Die Offiziere bekränzten Marius mit weiteren Lorbeerzweigen, und das Heer erhob ein lautes kriegerisches Freudengeschrei.