Untergang Roms und die Goten

A

Alter Europäer

Gast
Erst schlugen sie mit den Römern die Hunnen zurück und dann ging Rom doch unter...

WEGEN der Westgoten?

Am 9. August 378 vernichten sie eine ostroemische Armee bei Adrianopel und ziehen dann nach Nordgriechenland, von dort ueber den Balkan nach Italien, wo sie 401 unter Koenig Alarich einfallen.

Nach der Pluenderung Roms...
wandern sie weiter ueber Spanien in die roemische Provinz Aquitanien (heute suedwestliches Frankreich) und gruenden dort 419 das erste Westgotenreich.

Im Jahre 507 werden sie von den Franken bis ueber die Pyrenaeen zurueckgedraengt und gruenden dann in Spanien das zweite Westgotenreich, das 711 mit dem Einfall der Mauren untergeht.

Die Goten stürzten ein Rom, was schon eh im freien Fall war - oder?
Weshalb verlißen sie aber Rom in Richtung Spanien?
 
Rom war zu diesem Zeitpunkt nur ein Schatten seiner glorreichen Vergangenheit. Der einheimischen Bevölkerung ging es schlecht. Rom hatte höchstens noch im Kopf der Menschen eine Bedeutung (Hauptstadt des weströmischen Reiches war bereits Ravenna geworden).
Daher sind die Goten wohl weitergezogen, auf der Suche nach einem Land, das ihnen genug zum Überleben bot.

s.d.caes.
 
Nur die Westgoten dafür verantwortlich zu machen, wäre wohl zu monokausal.
Das römische Reich wurde von den aus dem Osten herandrängenden Völkern (Hunnen, Germanenstämme) stark unter Druck gesetzt. Dazu kam die innenpolitische Krise, die Teilung in Ost und West sowie der wirtschaftliche Niedergang vor allem des Westens, der die finanziellen Mittel für die Aufrechterhaltung des Heeres fehlen liess.
Aber die Diskussion wird hier:
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=1069&highlight=Untergang

viel ausführlicher geführt.

Dass die Westgoten erst zu Hilfe gerufen werden mussten, dann Rom plünderten, um dann doch noch gegen die Hunnen an der Seite der Römer zu kämpfen, zeigt imho nur, wie abhängig das römische Weltreich zu diesem Zeitpunkt bereits von seinen "barbarischen" Verbündeten war.
 
@Penseo: Das ist alles richtig. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob die Frage auch wirklich in Richtung Untergang. Ich denke, es ging besonders darum, warum sie nicht in Rom/Italien blieben und weiter zogen, aber nichts für ungut.

s.d.caes.
 
Ok, dann ist das schon richtig. Aber ich denke auch, dass der Link zur Antwort auf die Frage dann ausreichend sein sollte. Auf jeden Fall besser, als hier nochmal alles neu aufzubröseln.

s.d.caes.
 
Gerade in Spanien sind die Westgoten noch knappe 100 Jahre diejenigen gewesen, welche die römische "Macht" in Spanien aufrechtgehalten haben. Sie waren nach einem foedus in Südfrankreich angesiedelt und erledigten für Rom Polizeiaufgaben in Spanien. Erst nach Voillée 507 übernahmen sie auch mehr oder weniger formell die Macht über den größten Teil der Halbinsel, sonst wären sie wohl über kurz oder lang Geschichte gewesen.
 
in wie weit man die Ansiedelung der Westgoten in den Rahmen eines "Foedus-Vertrags" drücken will, sei mal dahin gestellt. Der Punkt mit dem Siedlungsland dürfte woh der wahre Grund für das verlassen Italiens gewesen sein. Südfrankreich und Nordafrika waren im Westteil ja DIE Landschaften schlechthin wenn es um gutes Land ging. Wenn ich das noch richtig im Kopf habe, gab es mind 1-2 Versuche von Italien aus nach Afrika überzusetzen. Da dieses nicht klappte wurde halt der Landweg ins nächstbeste Siedlungsgebiet genommen bzw von Römischer Seite aus Aquitanien angeboten.
 
Man muss schließlich noch beachten, dass zwar das römische Westreich um 476 als Staat aufhörte zu existieren, aber beileibe nicht das ganze römische politische System damit verschwand. Auch wenn das Oberhaupt nun der fränkische, ostgotische oder westgotische König war, so gab es in diesen drei neuen Reichen noch viele Verwaltungseinheiten, die zunächst fest in römischer Hand (der Senatorenfamilien und Bischöfe) waren. Besonders gilt dies für Gebiete in Südfrankreich, aber auch für viele Bischofsstädte. Im Merowingerreich verschwand diese Schicht erst langsam, wobei es wohl nicht verkehrt ist, von einem Prozess des "Aussterbens" zu sprechen. Besonders schön lässt sich das anhand von einem der "letzten Römer", Gregor von Tours, und seiner Familie erkennen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Gregor_von_Tours
 
Weshalb verlißen sie aber Rom in Richtung Spanien?

Daher sind die Goten wohl weitergezogen, auf der Suche nach einem Land, das ihnen genug zum Überleben bot.
s.d.caes.

Was exakt dazu geführt hat, dass die Westgoten Italien verließen, geht aus der Literatur nicht hervor. Im allgemeinen heißt es, Athaulf hätte den Plan Italien zu behaupten und Sizilien und Afrika zu gewinnen, aufgegeben. Kämpfe und Verhandlungen mit Kaiser Honorius füllten die Zeit bis zum Abzug. Möglicherweise hat auch Galla Placidia Einfluss auf die Meinung Athaulfs genommen. Unsicher ist, ob Honorius schon zu Beginn offiziell den Westgoten vertragsmäßig die Vollmacht zur Niederlassung in Gallien erteilte, es wäre aber durchaus möglich. Gallien war für den Kaiser ohnehin verloren. Das Land war durch den Aufruhr der „Bagauden“ in Mitleidenschaft gezogen und von Burgundern und Alanen unterstützt, beherrschte der Ursupator Jovinus die Provinz. Athaulf suchte die Verständigung mit Jovinus, wohl im Hinblick darauf, sich die Herrschaft zu teilen. Dieses Bündnis scheint der persönliche Feind des Balten, Sarus, hintertrieben zu haben. Athaulf vernichtet ihn. Als Jovinus seinen Bruder Sebastianus zum Mitkaiser ernennt, wechselt der Gotenkönig die Fronten und verheißt Honorius, die Köpfe der beiden nach Ravenna zu senden. Spätestens zu jenem Zeitpunkt kam ein Vertrag mit dem Kaiser zustande.

Von Orosius ist das folgende Bekenntnis des Westgotenkönigs überliefert:
„Ich war zuerst begierig, den Namen der Römer auszulöschen und das ganze Römerreich zu einem Gotenreich zu machen, so dass Gotia sein sollte, was bisher Romania, und Athaulfs, was bisher Cäsar Augustus gewesen war. Aber weil mich Erfahrung belehrt hatte, so wählte ich mir lieber den Ruhm, das römische Reich durch die gotische Kraft wiederherzustellen und von der Nachwelt als Restaurator des Staats gepriesen zu sein, da ich nicht vermögend bin, ihn umzuformen. Deshalb vermeide ich den Krieg und strebe nach dem Frieden.“

 
Gotenzug aus Italien

Die Goten verließen Italien im Jahre 412, also zwei Jahre nachdem sie Rom geplündert hatten. Rechnet man noch die Jahre 408 und 409 hinzu, verbrachten die Gotenverbände vier ganze Jahre in Italien. Der Grund für das verlassen der Apenninischen Halbinsel dürfte gewesen sein, dass diese durch die Anwesenheit der Goten sehr gelitten hatte, sprich, durchzogene Landstriche sahen aus wie von Heuschrecken befallen, was letztendlich zu Versorgungsproblemen der Goten führte. Ein weiterer Hinweis auf den schlechten Zustand Italiens in dieser Zeit gibt ein Gesetz, in welchem Kaiser Honorius Süd- und Mittelitalien einen Steuernachlass für fünf Jahre in Höhe von 80% Jahre gewährte, beginnend ab 412.
 
Richtig Germanicus. Alarich I. und seine Westgoten kämpften damals um ihre Stellung innerhalb des römischen Reiches und das Gleiche gilt auch für spätere Kämpfe in Gallien. Die Westgoten waren zu diesem Zeitpunkt wohl die bemerkenswerteste militärische Macht deren sich das Weströmische Reich bedienen konnte und die Goten wollten entsprechende Gegenleistungen, die ihnen Honorius vorenthielt. Ihr Potential war damals viel bedeutender als jenes aller anderen westlichen föderierten Völker.

Alarich versuchte sogar mit dem Präfekten Attalus einen Gegenkaiser zu etablieren, der ihm besser gesonnen war. Diese Episode scheiterte aber an dessen Eigenwilligkeit (aus Alarichs Sicht) und seinem Unvermögen die Getreideversorgung Roms aus Afrika sicher zu stellen. Attalus versuchte dies mit eigener Macht, wohl wissend das er zwar die Goten brauchte, aber diese nicht mehr ihn wenn sie erst im reichen Afrika wären. Attalus scheiterte und Alarichs Versuche die Operation FÜR seine Goten durchzuziehen schlugen ebenfalls fehl, weil es an einer geeigneten Flotte fehlte.

So starb Alarich und sein Schwager Athaulf wurde König der Westgoten. Er erkannte das in Italien - auch durch die laufenden Verwüstungen seiner Goten, sowie dem Widerstand des Starrkopfes in Ravenna (der Kaiser) - keine Zukunft für sein Volk war. Das Verhältnis mit Kaiser Honorius musste gespannt bleiben. Wie Ostrogotha bereits betonte war der Marsch nach Gallien und die Wendung Athaulfs gegen den Usurpator Jovinus für den Kaiser in Ravenna und für die Westgoten gleichermaßen ein Gewinn: Honorius wurde die unbotmäßigen Goten in Italien los, während Gallien für ihn ohnehin verloren war.
Ich sehe da viele Parallelen zum späteren Verhalten Kaiser Zenos gegenüber dem Ostgotenkönig Theoderich. Auch hier gab ein römischer Kaiser einem 'Barbarenvolk' den Auftrag in einem verloren gegangenen Teilgebiet des Reiches in seinem Namen die Verhältnisse zu konsolidieren. Im Gegenzug durfte sich das föderierte Volk im noch zu erobernden Land ansiedeln. Diesen letzten Punkt habe ich extra pointiert gekürzt, weil das im Falle Athaulfs am Anfang nicht ganz so klar war wie im Falle Theoderichs. Einen Föderiertenvertrag mit Niederlassungsrecht in Gallien gab es nicht vor 416 oder präzise in Aquitanien vielleicht erst 418.

Trotzdem galten die Westgoten seit ihrem Foedus mit Kaiser Theodosius im Jahre 382 als reichsangehörige Föderaten und nicht mehr als ausländische Barbaren. Sie waren damit schon rein Rechtlich eine innerrömische Partei geworden - eine Partei unter Vielen! Genau wie die 'legitimistische Partei', die treu zu Kaiser Honorius stand oder die 'gallische Partei', an deren Spitze gallorömische Senatoren in Gallien Jovinus als ihren Kaiser ausgerufen hatten. Die Auseinandersetzungen tragen also einen Zug von Bürgerkrieg in einem Reich, dessen Integrationskräfte nicht länger ausreichten um ein gemeinsames Ganzes als Weströmisches Reich zu erhalten.

Die Provinzen waren längst emanzipiert, eine weitere Romanisierung so nicht länger möglich. Auch Archäologisch konnten in vielen Provinzen eine 'Rebarbarisierung' beobachtet werden, die nicht allein durch Volksgruppen der Völkerwanderung angestoßen war! So kann auch in der Kunst etwa Galliens wieder der Einfluss älterer, teils keltischer Motive erfasst werden. Die harte, lokale Opposition des auvernischen Adels und seines Klientels gegen die eindringenden Goten gründete sich auf keltisches Gefolgschaftswesen. Auch heißt es, das in diesen Kreisen auch Gebildete zum Teil noch (wider?) Keltisch sprachen! Mag das römische Imperium auch zu seinen Glanzzeiten wohl mit dergleichen umgehen müssen, so war es damals doch wenigstens gesellschaftlich ein Unding sich in höheren Kreisen und in der Öffentlichkeit der Landessprache zu bedienen. Ein Mann von Stand hätte sich damit unmöglich gemacht! Interessanterweise waren es dann die Westgoten, die diese Landstriche endgültig und so nachhaltig romanisierten, das sie Jahrhunderte später gegen die Karolinger eine eigene, völlig romanisierte Identität in die Waagschale werfen konnten.
Ähnliche Prozesse waren im ganzen Reich zu beobachten, besonders freilich im Westreich, während das Ostreich auch offiziell nach Kaiser Justinian wieder zu seinen hellenistisch/griechischen Wurzen zurückfand.

Nach diesem Rundumschlag möchte ich am Ende noch einige Zahlen aus Novellae Valentiniani aufzeigen, die all jene bedenken sollten, die in der Aufnahme von föderierten Germanenstämmen eine Hauptwurzel für den Untergang des Römischen Reiches sehen:
Die spätrömische Reichsregierung setzte jährlich 30 Solidi für einen Rekruten an. Eine Armee, wie die Westgotische mit vielleicht 30000 Soldaten hätte demnach 900000 Solidi gekostet sie auch nur zu rekrutieren! Die Westgoten konnten diese Armee sofort aufbringen und hatten sie 'auf eigene Rechnung' aufgebaut, ausgerüstet und unterhielten sie. Sie für Rom zu bewahren ließ die Reichsregierung über manche Eigenständigkeit hinweg sehen. Aber was wäre die Alternative gewesen?
Nach Stein wäre mit dieser Summe fast das gesamte Jahresbudget des weströmischen Reiches in der Mitte des 5. Jahrhunderts aufgezehrt worden!
(Zahlen und Relationen aus Wolfram; 'Die Goten' zum Tolosanischen Reich)

 
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Barbarisierung des Heeres

Um mal kurz auf die Barbarisierung des Heeres zu kommen: Die Frage ist, ob es überhaupt - finanziell - Lohnenswert war, eine Streitmacht aus römischen Bürgern aufzubauen. Der Sold eines Legionärs war sehr hoch, Rekruten waren knapp, Steuerausfälle aus verheerten Provinzen mussten verschmerzt werden und letztendlich war die Schlagkraft der Legionen mit weiter voranschreitender Spätantike nicht mehr so hoch, Vegetius z. B. kritisiert das. Vorher zeigte sich schon, dass sich die Zahlung von Stillhaltegeldern rentabler war als die Legionen in Marsch zu setzen. Auch die Schaffung von großen Auxiliarverbänden unter Augustus und die Entlassung der Legionen nach dem Bürgerkrieg erfolgte teilweise auch aus wirtschaftlichen Gründen.
 
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