Wäre dann der Vietnamkrieg oder die Golfkriege auch als totale Kriege einzuordnen?
Wirft man die Frage der Definition des „Totalen Krieges“ auf, dann sind aus der Sicht von Chickering, der die Diskussion über das Thema damit resümiert, folgende Aspekte relevant: „Total war is distinguished by ist unprecended intensity and extent.“ [1]
In einer anderen Publikation wurde der Frage nachgegangen, zu welchem Zeitpunkt der nächste Punkt zur Erreichung des totalen "Totalen Krieges" erreicht worden ist (vgl. die Darstellungen von hatl zur Entwicklung der A-Bombe).
Und theoretisch wurde er in Los Alamos vor dem Zünden der ersten A-Test-Bombe erreicht, da keine gesicherten Berechnungen vorlagen, ob sich durch die Hitze der Detonation, die Atmosphäre im Sinne einer beschleunigenden Kettenreaktion selber verbrennen würde. Zu diesem Zeitpunkt wäre eine "totale" Aufhebung der traditionellen Rollen im Krieg erreicht und die gesamte Bevölkerung des Planeten wäre nahezu zeitgleich im Rahmen eines Krieges umgekommen.
An diesem Punkt soll deutlich werden, dass es sich beim Konstrukt "Totaler Krieg" um ein analytisches Instrument handelt, das empirisch mehr oder minder erreicht werden kann. In diesem Sinne war der Beginn des WW2 sicherlich weniger ein "Totaler Krieg" wie das Ende des "WW1". Obgleich die Endphase des WW2 dann sicherlich den Kriterien eines "Totalen Krieges" bisher am nächsten gekommen ist.
Auf die Ambivalenz der Einordnung des Konstrukts auf den Vietnamkrieg hat Silesia hingewiesen. Und es wird deutlich, dass für die beteiligten Nationen in unterschiedlicher Weise der Befund zutreffen kann.
Im Fall von Nord-Vietnam kann man wohl von einer "formierten" Gesellschaft ausgehen, die als "Kriegskommunismus" einen totalen Krieg als Befreiungskrieg geführt hatte. Für die USA trifft dieser Aspekt nicht zu, wenngleich sie auch als Gesamtgesellschaft einer "Militarisierung" unterlegen sind. Wie die Kritiker der amerikanischen Außenpolitik es darstellen.
Eine Einschätzung des zweiten und dritten Golfkrieges für den Irak kommt vermutlich zu dem Ergebnis, dass es sich um einen eher "klassischen" Krieg handelt, der noch stärker durch die Trennung der Rolle von Militär und Gesellschaft gekennzeichnet ist. Vermutlich eher ein Kennzeichen von traditionellen "Militärdiktaturen".
[1]Chickering, Roger (1999): Total War: The Use and Abuse of a Concept. In: Manfred F. Boemeke, Roger Chickering und Stig Förster (Hg.): Anticipated total war. The German and American experiences, 1871-1914. Cambridge (GB): Cambridge University Press, S. 13–28, hier S. 16