Wenn ich die Monroe-Doktrin richtig verstanden habe, besagte diese doch, dass einerseits europäische Nationen von Kolonisationen auf den beiden amerikanischen Kontinenten absahen und die USA andererseits nicht bei Konflikten in Europa intervenierten.
Ein paar Anmerkungen zum historischen Kontext und zur wechselnden Bedeutung der Monroe-Doktrin bis zu ca.1917.
Mit der Formulierung der „Monroe-Doktrin“ im Jahr 1823 steht die post-revolutionäre USA ideengeschichtlich noch stark unter dem Eindruck der Diskussion der „Federalist Papers“ (Oktober 1787 bis Mai 1788) als Entwurf für die Bundesverfassung. In dieser Diskussion über die „beste Staatsform“ spiegelt sich der Kampf der ehemaligen Kolonien wieder und das Bekenntnis zu einer republikanischen Tradition und dem damit zusammenhängenden Bekenntnis zu einer demokratischen Organisation des politischen Systems.
Und es ist der Versuch, den Prozess des „nationbuildings“ mit einem angemessenen, konsensual interpretierten Wertehorizont zu unterstützen. In der Diskussion kommen aber auch realpolitische Aspekte in Form von Krieg und Handelsrivalität deutlich zur Sprache, da man sich der Konfliktsituation zu den teils reaktionären europäischen Kolonialmächten bewußt ist.
Dieses wird bereits im § 2, „über die Bedrohung durch ausländische Mächte deutlich“. [4, S, 5] Ähnlich wird der wirtschaftlichen Entwicklung ein hoher Stellenwert für die Prosperität des neuen Staates eingeräumt im § 11 „Der Nutzen der Union für Handel und Marine“.
Ein durchaus relevanter Meilenstein für das frühe Verhältnis der USA zu den „alten europäischen Mächten“ ist der Krieg von 1812 mit GB und hat das Selbstbild der „jungen“ USA mit geprägt und ein ambivalentes Selbstverständnis des US-Konsensens, des „amerikanischen Systems“ erzeugt. Mehrheitlich stand man dem "alten" Europa kritisch gegenüber, allerdings beurteilte man GB differenzierter und positiver.
https://de.wikipedia.org/wiki/Britisch-Amerikanischer_Krieg
Diese kritische Sicht auf die alten Mächte wurde durch die Entwicklung in Europa nach dem Wiener Kongress und der metternich`schen reaktionären Restauration noch verstärkt. Die Beschlüsse der „Heiligen Allianz“ währen des Troppauer Fürstenkongress wurden in den USA mit Besorgnis aufgefasst, ähnlich wie auch in GB und teils in Frankreich.
https://de.wikipedia.org/wiki/Troppauer_F%C3%BCrstenkongress
(vgl. Jarret, S. 248 ff zu den außenpolitischen Folgen)
https://books.google.de/books?id=m-B7BAAAQBAJ&pg=PA265&lpg=PA265&dq=troppau+circular&source=bl&ots=Rl6McS32yj&sig=BJZjXznwkEECOcdoC8ewEA4ob78&hl=de&sa=X&ved=0CDcQ6AEwA2oVChMI4bCu24rzxgIVgQ4sCh2BNQBu#v=onepage&q=troppau%20circular&f=false
Diese Entwicklung in Europa, die auf die Unterdrückung von Revolutionen und nationalistischen Unabhängigkeitsbewegungen durch die Monarchien hinausliefen, wurden auch als potentielle Bedrohung für die Sicherheit der USA interpretiert, da sie den Vorwand für Interventionen in der westlichen Hemisphäre bilden konnte, so Sexton [10, S. 47 ff].
https://books.google.de/books?id=u4GVKXN8SWYC&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false
Besonders starke Sympathien hatte man in den USA für den Freiheitskampf der Griechen gegen das Osmanische Reich.
https://de.wikipedia.org/wiki/Griechische_Revolution
Ein weiterer Aspekt sollte festgehalten werden, den Bukovansky herausgearbeitet hatte [1]. Mit der französischen und der amerikanischen Revolution wurde der Kontext für die Legitmation von Außenpolitik verändert. Ihre Formulierung wurde aus dem „erlesenen“ Kreis der aristokratischen Diplomaten in die Öffentlichkeit der parlamentarischen Diskussion verlagert und somit im positiven wie auch im negativen zu einer Angelegenheit der nationalen Interesses gemacht. Die Außenpolitik wurde durch die französische und amerikanische Revolution demokratisiert.
In diesem Kontext wurde die Monroe Doktrin formuliert und stellte im damaligen Kontext vor allem eine – idealistische - Gegenposition gegen die realpolitischen Ansprüche zur Gestaltung der alten und der neuen Welt durch die Kolonialmächte dar. [7] Und somit war sie zu dem Zeitpunkt um 1823 vor allem eines, eine Plattform gegen den europäischen Kolonialismus! [vgl. Übersichtsdarstellungen, beispielsweise 2 und 6]
https://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%BCdamerikanische_Unabh%C3%A4ngigkeitskriege
In der Vorstellung der Doktrin am 2, Dezember durch Monroe konzentrierte er sich auf drei zentrale Punkte. Den § 7, in dem zukünftige Kolonialisierung durch europäische Mächte unerwünscht ist. Der § 50 fordert im Sinne einer freundschaftlichen Beziehung dass sich die europäischen Mächte aus den außenpolitischen Beziehungen in der westlichen Hemisphäre heraushalten sollten. Dieses vor allem unter dem Gesichtspunkt der Unterdrückung von nationalen Freiheitsbewegungen und an diesem Punkt schließt sich der Bezug zu den Troppauer Beschlüssen und der auf Repression einer Revolution abzielenden Intervention der Franzosen in 1820 in Spanien.
https://de.wikipedia.org/wiki/Franz%C3%B6sische_Invasion_in_Spanien
In der folgenden kritischen Auseinandersetzung mit der Monroe Doktrin, wurden fünf Punkte als problematisch herausgearbeitet. 1. Es war eine unilaterale Doktrin, die die anderen amerikanischen Staaten nicht einbezogen hatte. 2. Die Doktrin wurde ohne ausreichende Kenntnis der Situation in Mittel- und Südamerika formuliert und in Teilen unrealistisch. 3. Sie beinhaltete keine gesetzliche Grundlage , die vertraglich die Verhältnisse zwischen den USA und den anderen Staaten auf dieser Grundlage geregelt hat. 4. Das Konzept wurde durch das Verhalten der USA, spätestens nach dem Mexikanischen Krieg (1846-1848) als fragwürdig durch die Latein-Amerikanischen Staaten eingeschätzt. 5. Vor allem zwischen 1895 und 1930 war es die zentrale Rechtfertigung für die Rolle der USA als „westlicher Hemisphäre Polizist“ und führte zu zahlreichen Verletzungen der Souveränität anderer Staaten [3, S. 4ff].
https://de.wikipedia.org/wiki/Mexikanisch-Amerikanischer_Krieg
In diesem Sinne durch lief die Monroe Doktrin sehr unterschiedliche Phasen und es erfolgte eine Anpassung an veränderte historische Gegebenheiten [3, siehe Tabelle 1.1 als Übersicht, S. 8/9].
Wichtige Modifikationen wurden beispielsweise durch Lincoln 1861 und 1865 vorgenommen, die die republikanische und anti-koloniale Ausrichtung verstärkte. Zudem wurde die „Calvo“ und „Drago“-Doktrin formuliert, die beispielsweise in der „Venezuela-Krise“ von 1903 eine Rolle spielen sollte.
Aber auch die Ergänzungen von T. Roosevelt 1902 und 1904, die den europäischen Mächten die Durchsetzung ihre wirtschaftlichen Forderungen ermöglichte, allerdings ohne territoriale Ansprüche. Erst Wilson versuchte, auf der Doktrin aufbauend, ab 1914 eine multilaterale Sicherheitskonzeption zu entwickeln, die teilweise als „Blaupause“ für seine Vorstellungen zur Neuordnung der Sicherheit in Europa nach 1920 interpretiert werden können.
Betrachtet man die Interventionen der USA in Latein-Amerika für das neunzehnte Jahrhundert, dann ergeben sich deutliche regionale Schwerpunkte [3, siehe Tabelle 1.2 als Übersicht, S. 12/13]. Eine hohes Involvement der USA kann man für Kuba, die Dominikanische Republik, Mexiko, Nicaragua und Panama erkennen. Sie spiegeln vor allem die ungebremste westliche Entwicklung, den „Frontier-Mythos“ wieder und die wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen in der Karibik.
Nach dem Bürgerkrieg, der rasanten zweiten industriellen Revolution und dem Beginn des „Imperialismus“ als globale Doktrin prägt vor allem T. Roosevelt, auch in Anlehnung an A.T. Mahan, die realpolitische Bedeutung der Monroe Doktrin neu und passt sie dem Status der USA als zukünftige führende Großmacht an. [5 oder auch die Arbeiten von Morris „Theodore Rex“ zu TR].
Es muss noch eine Anmerkung zur Rolle von GB im Rahmen der Durchsetzung der Monroe Doktrin gemacht werden [9, S. 48]. Die militärische Bedeutung der amerikanische Flotte und Armee zur Durchsetzung der Doktrin im neunzehnten Jahrhundert darf angezweifelt werden. Es war vor allem die „stille“ Partnerschaft zwischen GB und den USA, die dazu führte, dass vor allem die RN der Garant für die Durchsetzung der Doktrin war.
Der Konflikt um Samoa oder auch die "benevolent (=wohlwollende) assimilation" der Philippinen durch die USA tangierte doch geografisch gar nicht die Monroe-Doktrin
Das ist teilweise zutreffend, vor allem in Bezug auf Samoa, allerdings nur teilweise in Bezug auf die Philippinen. Die Situation um Manila war geprägt durch die Durchsetzung der „Open Door“ Politik der USA vor allem gegenüber China. Sie ergab sich jedoch auch durch den Konflikt zu Spanien im Rahmen der Kontroverse um die revolutionäre Situation auf Kuba. In diesem Sinne eröffnete der Krieg zu Spanien den USA die Möglichkeit, ihre handelspolitischen Ambitionen in China durch die Inbesitznahme wichtiger Stützpunkte für die USN und die Handelsflotte zu verbessern. [vgl. z.B. 8]
In diesen Kontext ist die „Samoa-Krise“ zu interpretieren, die auch zu einer Verschärfung der Rivalität zwischen den imperialistischen Ambitionen des DR und den „imperialen anti-kolonialen“ (Formulierung durch LaFeber) Ambitionen der „Open Door Politik“ der USA führte, die auf den Aufbau eines "informellen Imperium" abzielte [11, S. 224ff]. Und in diesem Sinne nicht mehr durch die Monroe Doktrin legitimiert werden kann.
Die Expansion in den Pazifik folgte im wesentlichen wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Überlegungen, der um 1900 führenden Wirtschaftsmacht. Diese Entwicklung ist zu einem nicht unerheblichen Anteil der krisenhaften wirtschaftlichen Entwicklung geschuldet und der Forderung aus der Industrie, die Absatzchancen für amerikanische Produkte zu verbessern. [vgl. beispielsweise die Beiträge in 8]
1.Bukovansky, Mlada (2010): Legitimacy and Power Politics. The American & French Revolutions in International Political Culture: Princeton Univ Pr.
2.Combs, Jerald A. (2012): The history of American foreign policy from 1895. 4th ed. Armonk, N.Y., London, England: Routledge.
3.Dent, David W. (1999): The legacy of the Monroe doctrine. A reference guide to U.S. involvement in Latin America and the Caribbean. Westport, Conn.: Greenwood Press.
4.Hamilton, Alexander; Madison, James; Jay, John (1994): Die Federalist-Artikel. Politische Theorie und Verfassungskommentar der amerikanischen Gründerväter. Paderborn [u.a.]: Schöningh (UTB, 1788).
5.Hendrix, Henry J. (2009): Theodore Roosevelt's naval diplomacy. The U.S. Navy and the birth of the American century. Annapolis, Md.: Naval Institute Press.
6.Herring, George C. (2011): From colony to superpower. U.S. foreign relations since 1776. New York: Oxford University Press (The Oxford history of the United States).
7.May, Ernest R. (1975): The making of the Monroe doctrine. Cambridge, Mass.: Belknap Press of Harvard University Press.
8.McCormick, Thomas (1970): Inselimperialismus und "Offene Tür": Der Chinesische Markt und der spanisch-amerikanische Krieg. In: Hans Ulrich Wehler (Hg.): Imperialismus. Köln: Kiepenheuer & Witsch (Neue wissenschaftliche Bibliothek. no. 37), S. 389–399.
9.Reid, Brian Holden (2003). In: Erik Goldstein und B. J. C. McKercher (Hg.): Power and stability. British foreign policy, 1865-1965. London, Porland, Frank Cass.
10.Sexton, Jay (2011): The Monroe Doctrine. Empire and nation in nineteenth-century America. New York: Hill and Wang.
11. Wehler, Hans Ulrich (1987): Der Aufstieg des amerikanischen Imperialismus. Studien zur Entwicklung des Imperium Americanum, 1865-1900. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht