Die Hauptpunkte (oder, wie Du es nennst, "ein paar Silbenfragmente")...
Wozu noch kommt, dass Silben (Lauteinheiten) keine Morpheme (bedeutungstragende Einheiten) sind!
Es geht dabei nicht nur - nicht einmal vorwiegend - um lautliche Ähnlichkeiten. Vielmehr wird zunächst der Ausgangspunkt der Innovation festgestellt - im Falle der Domestizierung wäre dies, soweit z.Z. bekannt, Ostanatolien / südl. Kaukasus für Rind/Schwein/Schaf/Ziege, der Himalaja für das Yak, Äthiopien für den Esel, der Altai für den Hund, und wohl die eurasische Steppe für das Pferd. Aus den in der Domestizierungsregion heute gesprochenen Sprachen (oder, besser noch, rekonstruierten Proto-Sprachen) wird dann versucht, dem "Urbegriff" möglichst nahe zu kommen.
Das hört sich ja alles schön an, läuft aber in deiner Darstellung - ob das jetzt an dir oder an deinen Gewährsleuten liegt, sei mal dahingestellt - wieder nur auf die Feststellung phonetischer oder vermeintlich phonetischer Ähnlichkeiten hinaus, wie an deiner Hundeliste zu sehen ist. Auf die trügerische Sicherheit von Buchstaben = Phonemen hatte ich hingewiesen.
Dass sich Sprachen, die miteinander verwandt sind oder in Nachbarschaft zueinander stehen, Wortschatzelemente durch Erb- oder Lehnwortschatz teilen, ist doch klar.
Aber dort, wo Worte in Sprachen, die - einer nostratischen Hypothese folgend - seit geraumen zigtausend Jahren nichts mehr miteinander zu tun hatten, noch für den Laien erkennbare phonetische Ähnlichkeiten aufweisen, da sollte man doch mal wenigsten ein bisschen stutzig werden. Lass mich das an dem Wort für
Fenchel veranschaulichen:
Lat.
foeniculum [føː'nikulum] (Etymon)
dt.
Fenchel ['fɛnçɛl] (Lehnw.)
port.
funchal ['funʃal] (Erbw.)
span.
hinojo [in'ɔχo] (Erbw.)
engl.
fennel ['fenl] (Lehnw.)
fr.
fenouil [fe'nu'i:] (Erbw.)
ital.
finocchio [fi'nɔkjo] (Erbw.)
Diese doch im einzelnen recht unterschiedlichen Varianten in teilweise sehr eng mit einander verwandten Sprachen sind alle in einem recht gut zu überblickenden Zeitraum entwickelt worden.
Wenn schon Worte in miteinander sehr eng verwandten Sprachen, wie z.B. spanisch und portugiesisch
hinojo [in'ɔχo] bzw.
funchal ['funʃal], phonetisch kaum mehr miteinander korrespondieren (einzig das /n/ ist gleich geblieben, hätte aber gut in einer der beiden oder auch in beiden Sprachen dem
Lambdazismus zum Opfer fallen können) wie wahrscheinlich ist es dann, dass Worte, die der nostratischen Hypothese nach - der du ja anzuhängen verneinst, die du aber im Prinzip in einer Variante wiedergibst - oder einer anderen Hypothese, die einen gemeinsamen Erbwortschatz annimmt, in Sprachen, die über mehrere Zehntausendjahre in keinerlei Kontakt standen, für den Laien erkennbar sind? Also wie in deinem Beispiel von
canis und
itzcuintle oder
Kudu und
goat?
Kudu und
goat ist im Übrigen ein sehr schönes Bsp. Im Sprachwandel kommt es zu verschiedenen Lautverschiebungsphänomenen, die aber i.d.R. miteinander korrespondieren. So ist z.B. ein Merkmal der Westromania die Sonorisierung bzw. Lenisierung der intervokalischen /p-t-k/ zu /b-d-g/
Z.B. lat.
decretum > span.
degredo (in der Form des Kultismus aber auch und häufiger decreto)
Oder das Nebeneinander von
población (Erbwort)und
populación (Lehnwort/Kultismus) Oder
capitellum > cabdiello > caudillo / capitia > cabeza (und mal ehrlich: Wer würde schon ohne Überblick über die Sprachgeschichte darauf kommen, dass [kau'diʎo] von [kapi'telum] stammt?)
Das Deutsche ist genau den umgekehrten Weg (Entsonorisierung bzw. Tenuisierung) gegangen: Hier wurden /b-d-g/ zu /p-t-k/.
Wenn man also
Kudu und
goat (gotisch
gaita) nebeneinanderstellt und annimmt, dass beide Worte demselben Etymon entstammen, kommt man zu dem seltsamen Befund gegenläufiger Entwicklung, nämlich Entsonorisierung im An- und Sonorisierung im Auslaut bzw. umgekehrt. Spätestens an dieser Stelle, wenn man sich nicht schon zuvor gewundert hat, dass zwei Worte in Sprachen, die sich knapp vierzigtausend Jahre früher auseinanderentwickelt haben müssten, einander so ähnlich klingen, sollte man ins Grübeln kommen, ob denn nicht die Postulierung einer gemeinsamen Wortherkunft etwas voreilig war.
Übrigens hat Kasachisch noch ein zweites Wort für Hund: it. Das findet sich nicht nur im itzcuintli wieder, sondern v.a. in mehreren nordkaukasischen Sprachen, sowie in Burushaki und Tschuwaschisch.
Ich wies schon darauf hin: Je kürzer Silbenfragmente werden, desto weniger aussagekräftig sind sie. Aber jetzt nimm doch noch mal dein kasachisches
it und deine Hinweise zum Bestandteil von
itz- in
itzcuintle im vorherigen Beitrag. Die stehen im krassen Widerspruch zu der von dir jetzt formulierten These,
it im Kasachischen sei etymologisch mit
itz- in
itzcuintle verwandt (abgesehen von den mehreren zehntausend Jahren sprachlicher Trennung die da zugrundliegen würde).
Schliesslich noch die Verwirrungen - das arabisch/ phöniz./akkad kalb, Hausa kare (sonst in der Region wahlweise "Schaf" oder "Esel"), oder Mooré baaga (macht den Bock zum Hütehund)
Hier sprachliche Verwandtschaften zu sehen, ist reine Willkür! Ein Hund ist eben weder ein Schaf noch ein Esel. Und das /ka/ im Anlaut ist die einzige Gemeinsamkeit der beiden Worte. Nimm mal ein alphabetisch geordnetes Wörterbuch zur Hand und schlage eine beliebige Seite im Lexem-Teil auf...
Langer Rede, kurzer Sinn: Ich will hier nicht kaukasisch-Na-Dene oder ähnlich Sprachfamilien wiederbeleben. Mir geht es um einen sehr begrenzten Teil des menschlichen Grundwortschatzes, der als Teil eines Innovationspakets helfen kann, den prähistorischen Diffusionsprozess zu erfassen und zu verstehen. Ob es sich dabei um genetische Sprachverwandschaft, oder einzelne Erb- bzw. Lehnwörter handelt, ist erstmal zweitrangig.
Nur vergisst du dabei, dass die Diffusion teils lange vor den neolithischen Revolutionen stattfand, es regional eigene neolithische Revolutionen gab, ohne Kontakt untereinander und dass einzelne der Wortbeispiele erst
nach der neolithischen Revolution aufgekommen sein können. Abgesehen von den skizzierten phonetischen und morphologischen Problemen, die das aufwerfen würde.