Erst einmal ein großes Lob an Dieter, der die wichtigsten Fakten zum Lehnswesen und der Vasallität im westlichen Europa in kurzen, aber sehr klaren und prägnanten Punkten abgehandelt hat :respekt:
Ergänzend dazu möchte ich auf die von mir vor einigen Tagen bereits genannten regionalen und zeitlichen Spezifiken eingehen... :fs:
An einigen Punkten wiederhole ich Dinge, die Dieter schon angesprochen hat - ist dann nicht böse gemeint
Der so gekennzeichnete europäische Feudalismus bildete sich im Frankenreich unter den Karolingern heraus und war später typisch für das Heilige Römische Reich (den Ostfränkischen Reichsteil, dessen Kerngebiet - sehr grob gefaßt; bitte nicht daran hochziehen(!) - das spätere Deutschland wurde).
Im frühmittelalterlichen England (Reich der Angeln und Sachsen) gliedert sich das Volk in
Thegns/Thans (Vornehme),
Ceorls (freie Krieger) und Unfreie.
Es entstehen
Shires (Grafschaften) und
Earldomes - letztere durch Aufgehen kleinerer Herrschaften und Vereinigung von Grafschaften in einer Hand.
Der Gefahr solcher Territorien für das Königtum wird durch Einsetzen von königlichen Kontrollbeamten (
Shire Gerefas - daraus entwickelt sich der Sheriff) begegnet, die über lokale Gerichtsbarkeit verfügen.
England hat aus diesem "Sonderweg" heraus starke Überreste der germanischen Gesellschaften beibehalten. So verschwand die autonome Volksgerichtsbarkeit auch später nicht vollständig, und aus dieser entwickelte sich das
Common Law.
Im Hochmittelalter entwickeln sich im Heiligen Römischen Reich die bereits von Dieter genannten feudalen Territorien, und zwischen den König als obersten Lehnsherrn und die ritterlichen Vasallen schieben sich zudem die unmittelbaren Reichsvasallen (Herzöge, Grafen, aber auch Bischöfe u.a.).
Dagegen gibt es im Lehnssystem Frankreichs und Englands (letzteres hat infolge der normanno-französischen Eroberung von 1066 ein ähnliches System (Angevinisches Reich)) die sogenannte
Ligische Treue oder
Homines Ligii oder
Ligesse; sie bedeutet, daß Treuepflicht gegenüber dem König allerersten Vorrang hat. Dadurch und durch den Einzug erledigter Lehen (das sind Lehen, für die es keinen Erben gibt) wird die Macht der Krone gestärkt.
Zwar gelingt es dem englischen Adel, erhebliche Privilegien zu erlangen, jedoch kann auch dort der König stets die Krongewalt dennoch wieder festigen.
Im Spätmittelalter schließlich wird im Heiligen Römischen Reich die Verselbständigung der Territorien durch die Entwicklung des Kurfürstenstandes wie auch die Hausmachtspolitik weiter verstärkt, was insbesondere im deutschsprachigen Raum die Entwicklung zum Zentralstaat verhinderte, wie Dieter dies bereits darlegte.
Weiter westlich nehmen infolge des Hundertjährigen Krieges Frankreich und England nun unterschiedliche Entwicklungen, wobei in Frankreich das Königtum durch den Sieg gestärkt wird und dies zur Entwicklung eines Zentralstaates führt, während in England infolge der Rosenkriege der Hochadel größtenteils ausgelöscht wird und danach dann das Haus Tudor das Königtum fest in Händen hat.
Grundsätzlich ist im mittelalterlichen (West-)Europa folgende Entwicklungsdynamik symptomatisch:
- das dörfliche Gemeindeland (Allmende) aus germanischer Zeit existiert weiterhin
- Existenz und Neugründung von Städten als autonome Kommunen mit der Entwicklung von Handel, Handwerk und Gewerbe
- Rechteerweiterung des Königs vs. Privilegienwahrung des Adels
- Kirche als selbständige Institution des Feudalismus, die ihrerseits machtpolitisch mit König und Adel konkurriert