Vergleich: Europäischer und osmanischer Feudalismus

Mike Hammer schrieb:
Doch habe ich :) Aber bevor ich mehr Fragen stelle, warte ich mal lieber -sehr gespannt- auf deine weiteren Ausführungen.

Grüße, Mike

Seit Mehmet II., der zu Lebzeiten eine Bodenreform durchführte hatte der Anteil an Privatbesitz nur eine geringe Bedeutung. Der überwiegende Teil des Bodens gehörte dem Staat, der den Boden in Form von Timaren an Militärs verlieh.
Sogar viele fromme Stiftungen verloren ihr Land aufgrund dieser Bodenreform. Erst mit Ableben Mehmets II. und dem Besteigen Bayezits II. setzte eine teilweise Revidierung der Reform seines Vaters ein. Die frommen Stiftungen, d.h. der Halweti-Orden, dem der Sultan besonders zugeneigt war, erhielten ihre Ländereien zurück, so dass Bayezit II. den Beinahmen, der Heiligmäßige (Veli) erhielt.
Nicht so die Großgrundbesitzer, sie wurden enteignet und deren Boden dem Timar-System einverleibt. Aufgrund dessen die Großgrundbesitzer auch offen rebellierten und mit dem jüngeren Bruder Bayezits II., Prinz Cem, gemeinsame Sache machten.
Wie hoch der Anteil an Privatbesitz war, habe ich nicht gefunden, aber wie gesagt machte er nur einen unerheblichen Teil des Bodens aus.
 
Mike Hammer schrieb:
Hallo,
ich habe fast den Eindruck, dass der Boden nur dem Adel und dem Staat gehörte. Das dürfte aber wohl nicht richtig sein, oder ?
Wer konnte noch alles Besitzer von Land sein ? Privatpersonen ? Nur Muslime, etc. ? Stiftungen, religiöse Institutionen ?

Falls Matuz was dazu schreibt, wäre ich für Infos dankbar.

Grüße,
Mike

Wie gesagt der Boden der sich im Privateigentum befand, war natürlich der Boden von Privatpersonen.
Jetzt habe ich doch noch was über den Privatbesitz gefunden! Prozentual dürfte der Privatbesitz am Boden lediglich 5-10 % des Gesamtbodens betragen haben.
Matuz schreibt u.a. auch, dass gelegentlich Boden vom Sultan verschenkt wurde, das aber nie mehr als ein paar Dörfer mit dem Umland. Der Anteil an frommen Stiftungen, so Matuz, war nur ein bisschen höher.
Das alles gilt natürlich nur für die zweite Phase des osmanischen Feudalismus, denn schon mit der dritten Phase setzt der Schwund der Timare ein und damit einhergehend die ZUnahme von Staatsdomänen und Privatbesitz.

Ob auch Nicht-Muslime Landeingentümer sein konnte, muss ich noch recherchieren.

Der Boden konnte dem osmanischen "Adel", so fern man davon sprechen kann, nicht gehören. Der Boden war, wie erwähnt, lediglich zur Nutzniessung überlassen. Der Sultan konnte jederzeit Timarioten absetzen. Auch mit dem Tod stand den Hinterbliebenen der Boden nicht automatisch zu, d.h. er konnte nicht vererbt werden. Oftmals erhielten die Söhne des Verstorbenen aber ein Stück des "frei gewordenen Landes" zur Nutzniessung.
 
Die wichtigsten Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede im Feudalsystem des mittelalterlichen Deutschen Reichs und des Osmanischen Reichs liegen im Lehnswesen auf der einen Seite bzw. im Timar-System auf der anderen.

Da im Osmanischen Reich das ganze Land als Besitz des Sultans galt, konnte er ein so genanntes "Timar" – ein "Militär-Lehen" – vergeben. Dies bestand aus staatlichen Zuweisungen einer Steuerquelle, häufig auf dem Lande, gegen berittene Teilnahme an Feldzügen. Danebem wurden Timare auch an Mitglieder der osmanischen Verwaltungsbehörden vergeben. Timare hatten eine bestimmte Größe, die in Geld (akce) gemessen wurde. Um diese Größe einzuhalten, konnte etwa ein Dorf unter mehreren Inhabern aufgeteilt werden.

Den nötigen Überblick verschaffte sich die osmanische Verwaltung, indem sie regelmäßig Aufnahmen von Steuerpflichtigen und zu zahlenden Steuern veranlasste. So stammt aus den Jahren 1431–32 das erste erhaltene Register mit Zuweisung von Timaren.

Um ein Timar zu beantragen musste der Kandifat nachweisen, dass er nicht zu den einfachen Untertanen (re'aya) gehörte. Nach der osmanischen Eroberung wurden auch lokale Aristokratien oft durch Zuweisung eines Timars in den osmanischen Staatsapparat einbezogen.

Im 15. Jh. war es nicht unbedingt erforderlich, dass der Kandidat für die Zuweisung eines Timars Muslim war. Besonders in Albanien sind christliche Timar-Inhaber bezeugt, allerdings erfolgte die Islamisierung in den folgenden Generationen (was man den Sultanen schlecht verdenken kann).

Zur Sicherung seiner Einkünfte durfte der Timar-Inhaber Dienste von Bauern verlangen und Landverkäufe waren von seiner Zustimmung abhängig. Auch konnte er vor dem Gericht des "Quadis" die Rückkehr landflüchtiger Bauern einfordern. Eine Reihe von Diensten wurde schließlich spätestens im 15. Jh. in Geldgaben umgewandelt. Ein Timar-Inhaber, der seiner Aufgebotspflicht nicht nachkam, verlor sein Militärlehen und sank in den Stand der einfachen Untertanen zurück.

Soweit ist das feudale Timarwesen des Osmanischen Reichs noch in vielen Punkten mit dem Lehnswesen im Abendland – speziell im Heiligen Römischen Reich – vergleichbar: Der König verlieh als Lehnsherr seinen Gefolgsmännern "Land und Leute" als Lehen. Dafür schuldete der Lehnsmann (Vasall) seinem Lehnsherrn lebenslange Treue, Gefolgschaft und Waffendienst. Der Ritter – vergleichbar mit dem osmanischen Timar-Inhaber, der mit seinem Säbel zu Pferde ritt – erhielt vom Lehnsherrn ein Ritterlehen, das zu vollem Kriegsdienst verpflichtete. Die Abgaben und Dienste der hörigen Bauern, die auf diesem Lehen wohnten, sicherten die Existenz des Ritters. – So weit sind Ähnlichkeiten unverkennbar!

Ein gewaltiger Unterschied zwischen beiden Systemen, der enorme Folgewirkungen hatte, bestand jedoch in Folgendem: Timare wurden NICHT auf Lebenszeit verliehen und waren auch nicht erblich. Versetzungen von Timar-Inhabern in andere Gegenden und Provinzen waren häufig; die Leistungen, die sich der Vater im Dienst des Sultans verdient hatte, gingen nicht automatisch auf den Sohn über !!!

Damit kam es im Osmanischen Reich nicht zu der territorialen Adelsherrschaft, die für Europa und besonders das mittelalterliche Reich so kennzeichnend ist. Hier entwickelten sich feudale Territorien wie Grafschaften, Markgrafschaften, Herzogtümer und Fürstentümer sowie ein feudaler grundherrlicher Adel. Die Lehen wurden schon frühzeitig erblich, und es entwickelten sich fürstliche Landesherren, wie sie das Osmanishe Reich nicht kannte. Diese Landesherren engten die Macht der Könige und Kaiser stark ein und operierten nahezu souverän und selbstständig.

Hier liegt denn auch der gewaltige Unterschied beider Feudalsysteme, trotz unverkennbarer Einzelheiten in manchen Details.
 
@Dieter, das macht richtig Spaß zu lesen :)
Wo hast du diese Infos her ? Eventl. einen Tip wegen Buchkauf ?

Ich hoffe, ich darf ein paar Fragen stellen... Fall nicht, dann lösche ich den Beitrag und erstelle einen neuen Thread.

Wo ist der Unterschied von dem Timar und dem byzantinischen System ? Wie hies das bei denen, Proonia ? Sorry, nicht böse gemeint, aber wie kann ein Reitervolk/Nomadenvolk Register erstellen ? Haben sie nicht einfach die bestehenden byzantinischen Register übernommen ? Oder mache ich mir das zu einfach ?

Ich habe in einer historischen Zeitschrift gelesen, dass ein Großteil der rumeliotischen Siphahis bis weit in das 15. Jahrhundert christlich war, also letztlich der alte byzantinische Landadel. Erst später, als der Sultan verlangte, dass die Besitzer Muslime sein mussten, konvertierten viele zum Islam, damit sie ihren Besitz behalten durften. Kannst du das bestätigen ?
Diejenigen, die das nicht machten, verloren ihre Privilegien, oder es gab Aufstände oder siedelten nach Italien über. U.a. wohl auch die sog. Stratioten. Sehe ich das richtig ?

Hmm, mehr Fragen habe ich erstmal nicht.

Grüße,
Mike
 
Erst einmal ein großes Lob an Dieter, der die wichtigsten Fakten zum Lehnswesen und der Vasallität im westlichen Europa in kurzen, aber sehr klaren und prägnanten Punkten abgehandelt hat :respekt:

Ergänzend dazu möchte ich auf die von mir vor einigen Tagen bereits genannten regionalen und zeitlichen Spezifiken eingehen... :fs:
An einigen Punkten wiederhole ich Dinge, die Dieter schon angesprochen hat - ist dann nicht böse gemeint ;)

Der so gekennzeichnete europäische Feudalismus bildete sich im Frankenreich unter den Karolingern heraus und war später typisch für das Heilige Römische Reich (den Ostfränkischen Reichsteil, dessen Kerngebiet - sehr grob gefaßt; bitte nicht daran hochziehen(!) - das spätere Deutschland wurde).

Im frühmittelalterlichen England (Reich der Angeln und Sachsen) gliedert sich das Volk in Thegns/Thans (Vornehme), Ceorls (freie Krieger) und Unfreie.
Es entstehen Shires (Grafschaften) und Earldomes - letztere durch Aufgehen kleinerer Herrschaften und Vereinigung von Grafschaften in einer Hand.
Der Gefahr solcher Territorien für das Königtum wird durch Einsetzen von königlichen Kontrollbeamten (Shire Gerefas - daraus entwickelt sich der Sheriff) begegnet, die über lokale Gerichtsbarkeit verfügen.
England hat aus diesem "Sonderweg" heraus starke Überreste der germanischen Gesellschaften beibehalten. So verschwand die autonome Volksgerichtsbarkeit auch später nicht vollständig, und aus dieser entwickelte sich das Common Law.

Im Hochmittelalter entwickeln sich im Heiligen Römischen Reich die bereits von Dieter genannten feudalen Territorien, und zwischen den König als obersten Lehnsherrn und die ritterlichen Vasallen schieben sich zudem die unmittelbaren Reichsvasallen (Herzöge, Grafen, aber auch Bischöfe u.a.).
Dagegen gibt es im Lehnssystem Frankreichs und Englands (letzteres hat infolge der normanno-französischen Eroberung von 1066 ein ähnliches System (Angevinisches Reich)) die sogenannte Ligische Treue oder Homines Ligii oder Ligesse; sie bedeutet, daß Treuepflicht gegenüber dem König allerersten Vorrang hat. Dadurch und durch den Einzug erledigter Lehen (das sind Lehen, für die es keinen Erben gibt) wird die Macht der Krone gestärkt.
Zwar gelingt es dem englischen Adel, erhebliche Privilegien zu erlangen, jedoch kann auch dort der König stets die Krongewalt dennoch wieder festigen.

Im Spätmittelalter schließlich wird im Heiligen Römischen Reich die Verselbständigung der Territorien durch die Entwicklung des Kurfürstenstandes wie auch die Hausmachtspolitik weiter verstärkt, was insbesondere im deutschsprachigen Raum die Entwicklung zum Zentralstaat verhinderte, wie Dieter dies bereits darlegte.
Weiter westlich nehmen infolge des Hundertjährigen Krieges Frankreich und England nun unterschiedliche Entwicklungen, wobei in Frankreich das Königtum durch den Sieg gestärkt wird und dies zur Entwicklung eines Zentralstaates führt, während in England infolge der Rosenkriege der Hochadel größtenteils ausgelöscht wird und danach dann das Haus Tudor das Königtum fest in Händen hat.

Grundsätzlich ist im mittelalterlichen (West-)Europa folgende Entwicklungsdynamik symptomatisch:
- das dörfliche Gemeindeland (Allmende) aus germanischer Zeit existiert weiterhin
- Existenz und Neugründung von Städten als autonome Kommunen mit der Entwicklung von Handel, Handwerk und Gewerbe
- Rechteerweiterung des Königs vs. Privilegienwahrung des Adels
- Kirche als selbständige Institution des Feudalismus, die ihrerseits machtpolitisch mit König und Adel konkurriert
 
Dieter schrieb:
Da im Osmanischen Reich das ganze Land als Besitz des Sultans galt, konnte er ein so genanntes "Timar" – ein "Militär-Lehen" – vergeben. Dies bestand aus staatlichen Zuweisungen einer Steuerquelle, häufig auf dem Lande, gegen berittene Teilnahme an Feldzügen. Danebem wurden Timare auch an Mitglieder der osmanischen Verwaltungsbehörden vergeben. Timare hatten eine bestimmte Größe, die in Geld (akce) gemessen wurde. Um diese Größe einzuhalten, konnte etwa ein Dorf unter mehreren Inhabern aufgeteilt werden.

Genau. Das waren die Krieger, die sich bereits im Kampf ausgezeichnet hatten. Diejenigen die Mut und Fähigkeit bewiesen hatten, erhielten in der Anfangszeit die Timare. Das hat zweifellos zu dem Zulauf anderer anatolischer Krieger geführt, die von den Ruhmestaten der Osmanen und ihrem stetigen Aufstieg gehört hatten.

Dieter schrieb:
Zur Sicherung seiner Einkünfte durfte der Timar-Inhaber Dienste von Bauern verlangen und Landverkäufe waren von seiner Zustimmung abhängig. Auch konnte er vor dem Gericht des "Quadis" die Rückkehr landflüchtiger Bauern einfordern.
Dienste von den sogenannten Hintersassen, wurden in den ersten ca. 200 Jahren nur insofern verlangt, das sich die Dienste der Bauern auf das Bewirtschaften des Feldes beschränkte. Allmende oder Frohndienst waren zu Anfang, den osmanischen Bauern unbekannt!!! Und wie Du richtig schreibst, oblag die Gerichtsbarkeit ausschliesslich den osmanischen Kadis. Die Bauern waren den Timarioten nicht untergestellt, noch hatten die Timarioten die Gerichtsbarkeit über die Hintersassen.[/QUOTE]
 
Dieter schrieb:
Den nötigen Überblick verschaffte sich die osmanische Verwaltung, indem sie regelmäßig Aufnahmen von Steuerpflichtigen und zu zahlenden Steuern veranlasste. So stammt aus den Jahren 1431–32 das erste erhaltene Register mit Zuweisung von Timaren.
Das ist genau der casus knaktus. Den Osmanen lag von vornherein ein wohlgeordneter Staatsapparat vor, der einfach übernommen wurde.

Dieter schrieb:
Im 15. Jh. war es nicht unbedingt erforderlich, dass der Kandidat für die Zuweisung eines Timars Muslim war. Besonders in Albanien sind christliche Timar-Inhaber bezeugt, allerdings erfolgte die Islamisierung in den folgenden Generationen (was man den Sultanen schlecht verdenken kann).
Interessant, das wusste ich nicht. Kannst du hier Belege anführen oder Zitate?? Meines Wissens waren die christlichen Gebiete die mit Waffengewalt gezwungen wurden, die Oberherrschaft der Osmanen anzuerkennen, lediglich Vasallen und der Hohen Pforte tributpflichtig, wie Siebenbürgen, Serbien und das osmanische Ungarn.

Dieter schrieb:
Soweit ist das feudale Timarwesen des Osmanischen Reichs noch in vielen Punkten mit dem Lehnswesen im Abendland – speziell im Heiligen Römischen Reich – vergleichbar: Der König verlieh als Lehnsherr seinen Gefolgsmännern "Land und Leute" als Lehen.
Nein. Die vergebenen Timare waren eben keine Lehen und die Bauern ebenso nicht, wie ich bereits erläuterte.

Dieter schrieb:
Damit kam es im Osmanischen Reich nicht zu der territorialen Adelsherrschaft, die für Europa und besonders das mittelalterliche Reich so kennzeichnend ist. Hier entwickelten sich feudale Territorien wie Grafschaften, Markgrafschaften, Herzogtümer und Fürstentümer sowie ein feudaler grundherrlicher Adel. Die Lehen wurden schon frühzeitig erblich, und es entwickelten sich fürstliche Landesherren, wie sie das Osmanishe Reich nicht kannte. Diese Landesherren engten die Macht der Könige und Kaiser stark ein und operierten nahezu souverän und selbstständig.

Hier liegt denn auch der gewaltige Unterschied beider Feudalsysteme, trotz unverkennbarer Einzelheiten in manchen Details.

Da triffst Du den Nagel auf den Kopf. Leider traten ab dem 17. Jhdt., die sogenannten Talfürsten immer mehr in Erscheinung und es kam dann doch noch zu einer feudalen Anarchie.
 
timotheus schrieb:
Im frühmittelalterlichen England (Reich der Angeln und Sachsen) gliedert sich das Volk in Thegns/Thans (Vornehme), Ceorls (freie Krieger) und Unfreie.
Vornehme? Kannst Du das näher erläutern??

timotheus schrieb:
Es entstehen Shires (Grafschaften) und Earldomes - letztere durch Aufgehen kleinerer Herrschaften und Vereinigung von Grafschaften in einer Hand.
Der Gefahr solcher Territorien für das Königtum wird durch Einsetzen von königlichen Kontrollbeamten (Shire Gerefas - daraus entwickelt sich der Sheriff) begegnet, die über lokale Gerichtsbarkeit verfügen.
Die Sheriffs hatten die Gerichtsbarkeit über die Untertanen des Königs. Bei den Osmanen die Kadis. Welches Recht wurde dort gesprochen? Im osmanischen Reich, war jeder dem Religionsgesetz unterworfen.

timotheus schrieb:
Grundsätzlich ist im mittelalterlichen (West-)Europa folgende Entwicklungsdynamik symptomatisch:
- das dörfliche Gemeindeland (Allmende) aus germanischer Zeit existiert weiterhin
- Existenz und Neugründung von Städten als autonome Kommunen mit der Entwicklung von Handel, Handwerk und Gewerbe
- Rechteerweiterung des Königs vs. Privilegienwahrung des Adels
- Kirche als selbständige Institution des Feudalismus, die ihrerseits machtpolitisch mit König und Adel konkurriert
1.)Allmende war den Bauern im O.R. unbekannt. Erst später, als sich die Situation der Timarioten verschlechterte, wurden die Bauern an die Scholle gebunden und hatten auch Frondienst zu leisten.
2.)Das Gemeindeland existiert im O.R. nicht. Wem der Boden gehören konnte wurde bereits erwähnt.
3.)Eine staatliche Förderung von Handel und Gewerbe war den Osmanen fremd. Vor allem, weil sich ein starkes Bürgertum, wie seinerseits im westlichen Euopa nicht herausbildete. Die Hohe Pforte kannte lediglich die fiskal politische Abschöpfung. Vergleiche dazu auch die Kapitulationen mit Frankreich und England, sowie Holland. Aber dazu könnte man noch einen weiteren Thread eröffnen.
 
4.) Von einem Kampf Adel gegen Sultan kann man in der ersten Hälfte des Bestehens des O.R. nicht sprechen. Timarioten und einflussreiche Amtsträger konnten jederzeit abgesetzt und hingerichtet werden. Alles war auf die Person des Sultan zugeschnitten. Auf jedenfall ist festzustellen, das der Sultan kein "primus inter pares" gewesen war, vielmehr herrschte der Großherr, wie er in Europa genannt wurde, absoluter als die zeitgenössischen Könige in Europa.
5.) Und ein ganz wichtiger Unterschied ist auch, dass es keine Dreiklassengesellschaft im O.R. gab. Da waren nur der Sultan und seine Untertanen. Einen Klerus gab und gibt es im Islam nicht.
 
Seldschuk schrieb:
4.) Einen Klerus gab und gibt es im Islam nicht.

Echt?
wer zieht dann da durch Deutschland und bringt die Schäfchen immer mal wieder auf Vordermann?

Wer zahlt die monatlichen "Subsidien" für die Schleierträgerinnen?

Dann heißen die also nicht Kleriker, das sind bloss welche.
Oder verstehe ich da etwas falsch?

Grüße Repo
 
@ Mike Hammer
Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Sultan und unterworfenem Adel im Osmanischen Reich kann man folgendes sagen. Das bereits oben erwähnte Timar-System wurde oft intensiviert, um neu eroberte Provinzen in den osmanischen Reichsverband zu integrieren. So gab es im 16. Jh. besonders in Serbien und Albanien christliche Timar-Inhaber, die sich aus Mitgliedern der ehemaligen Herrenschicht rekrutierten und oft erst in der zweiten oder dritten Generatiuon zum Islam übertraten.

Auf einer höheren Ebene wurden anatolische Kleinfürsten, die sich den Osmanen angeschlossen hatten, manchmal zu Statthaltern (sangaqbeyi) ihres ehemaligen Territoriums und damit zu Kommandanten über die örtlichen Timar-Inhaber ernannt. In der zweiten Generation wurden solche Mitglieder ehemaliger Fürstenfamilien oft außerhalb ihrer Herkunftsprovinzen eingesetzt und damit dem osmanischen Herrschaftsapparat voll eingegliedert.

Auch hier ist wieder sehr deutlich die Tendenz der osmanischen Sultane zu erkennen, eine etwaige Erblichkeit von Territorien bereits in einem ganz frühen Stadium zu verhindern. Ansatzweise operierte der Sultan damit wie die französischen Könige, die ihren Adel in machtpolitischer Hinsicht bis zur Bedeutungslosigkeit herabdrückten und schließlich im Gegensatz zum Heiligen Römischen Reich einen Zentralstaat schufen. Natürlich hinkt dieser vergleich etwas, was zuzugeben ist!

Dass solche Entmachtungen auch ihre Grenzen hatten, musste z.B. Sultan Mehmed II. erfahren. Er stärkte seine Macht gegenüber der anatolischen Aristokratie, indem er Privatbesitz und auch fromme Stftungen einzog und in Timare verwandelte. Ähnliches ist auch im Abendland bekannt, wo das Allod (Eigengut) eines Grundherrn zuweilen in ein Lehen umgewandelt und dem Landesfürsten zu Lehen aufgetragen wurde. Die Maßnahme Mehmeds II. stieß jedoch auf starken Widerstand der osmanischen Oberschicht und wurde von seinem Nachfolger Bayezid II. zum größten Teil wieder rückgängig gemacht. Um den Adel zu entmachten verfielen Mehmed II. und seine Nachfolger daher auf die Idee, eingesessene anatolische Familien zur Übersiedlung auf die Balkanhalbinsel zu zwingen und sie somit ihres Einflusses weitgehend zu berauben.
 
Repo schrieb:
Echt?
wer zieht dann da durch Deutschland und bringt die Schäfchen immer mal wieder auf Vordermann?

Wer zahlt die monatlichen "Subsidien" für die Schleierträgerinnen?

Dann heißen die also nicht Kleriker, das sind bloss welche.
Oder verstehe ich da etwas falsch?

Grüße Repo
Lieber Repo,

erst einmal sanfte Grüsse! Gott sei mit dir!
Du missverstehst etwas. Zuerst müssen wir uns vor Augen halten, was einen Klerus überhaupt ausmacht. Auch wenn ich nicht in der Materie des katholischen oder sonstigen Klerus bewandert bin, so stechen doch einige Unterschiede zwischen islamischen und christlichen Geistlichen hervor.
Ein Imam, d.h. Vorbeter, (kein Priester!!!) tritt z.B. nicht als Vermittler zwischen Gott und den Gläubigen auf. Er betet, wie der Name sagt, vor. Der Muslim nimmt also selber direkten Kontakt mt Gott auf, in dem er sich vor Gott "hinwirft" und den rezitierten Suren des Imam lauscht. Es gibt keinen Gottesdienst im islamischen Glauben.
Zudem sind dem Islam sakrale Handlungen fremd.

Wenn es also "Hassprediger" geben sollte, erliege nicht ihrem Scharm!:cool:
 
Zuletzt bearbeitet:
Seldschuk schrieb:
Vornehme? Kannst Du das näher erläutern??

Die "Vornehmen" - wie erwähnt eine Schicht des frühmittelalterlichen England (Angelsachsen) - waren die traditionelle Stammesaristokratie der Angeln, Sachsen und Jüten. Eine solche Stammesaristokratie hat es bei sämtlichen mir bekannten germanischen Völkern gegeben, nur hat sie sich im angelsächsischen Reich recht ursprünglich erhalten.
Genaugenommen handelt es sich bei den "Vornehmen" um den angelsächsischen Adel...

Seldschuk schrieb:
Die Sheriffs hatten die Gerichtsbarkeit über die Untertanen des Königs. Bei den Osmanen die Kadis. Welches Recht wurde dort gesprochen? Im osmanischen Reich, war jeder dem Religionsgesetz unterworfen.

Es galt - als englische Besonderheit oben bereits angesprochen - das Common Law, d.h., fortgeltendes Recht, welches sich nicht auf Gesetze beruft, sondern auf maßgebliche richterliche Schiedssprüche der Vergangenheit (Präzedenzfälle). Das Common Law hat Züge des sogenannten Gewohnheitsrechts, d.h., auf ungeschriebenen Gewohnheiten beruhendes, durch richterliche Entscheidungen fortgebildetes gemeines Recht.
Anm.: Das Common Law umfaßt sowohl ziviles Recht als auch öffentliches Recht, einschließlich des Strafrechts.

Neben dem Common Law gab es jedoch auch noch spezifische Rechte der Einzelvölker (Angeln, Sachsen, Jüten etc.)...

Seldschuk schrieb:
1.)Allmende war den Bauern im O.R. unbekannt. Erst später, als sich die Situation der Timarioten verschlechterte, wurden die Bauern an die Scholle gebunden und hatten auch Frondienst zu leisten.
2.)Das Gemeindeland existiert im O.R. nicht. Wem der Boden gehören konnte wurde bereits erwähnt.
3.)Eine staatliche Förderung von Handel und Gewerbe war den Osmanen fremd. Vor allem, weil sich ein starkes Bürgertum, wie seinerseits im westlichen Euopa nicht herausbildete. Die Hohe Pforte kannte lediglich die fiskal politische Abschöpfung. Vergleiche dazu auch die Kapitulationen mit Frankreich und England, sowie Holland. Aber dazu könnte man noch einen weiteren Thread eröffnen.

Die Allmende ist genaugenommen ein spätantikes Relikt, denn sie bildete sich als Gemeindeland bei den germanischen Stämmen vor der Etablierung der feudalen Gesellschaft heraus.

Die Entwicklung von Handel, Handwerk und Gewerbe unterlag i.d.S. auch in Europa keiner staatlichen Förderung, sondern hat mit der Eigendynamik der Spezifiken mittelalterlicher Stadtentwicklung im westlichen Europa zu tun.
Der Aufstieg des Bürgertums im Spätmittelalter wäre freilich ohne diese Entwicklungen undenkbar gewesen bzw. in dieser Form nicht denkbar gewesen...
 
timotheus schrieb:
Es galt - als englische Besonderheit oben bereits angesprochen - das Common Law, d.h., fortgeltendes Recht, welches sich nicht auf Gesetze beruft, sondern auf maßgebliche richterliche Schiedssprüche der Vergangenheit (Präzedenzfälle). Das Common Law hat Züge des sogenannten Gewohnheitsrechts, d.h., auf ungeschriebenen Gewohnheiten beruhendes, durch richterliche Entscheidungen fortgebildetes gemeines Recht.
Anm.: Das Common Law umfaßt sowohl ziviles Recht als auch öffentliches Recht, einschließlich des Strafrechts.

Neben dem Common Law gab es jedoch auch noch spezifische Rechte der Einzelvölker (Angeln, Sachsen, Jüten etc.)...

Dazu ist zu ergänzen, dass die Kadis nicht nur religionsgesetzlich handelten, sondern nach und nach auch weltliche Gesetze (kanun) zum Tragen kamen. Dabei wurde wie auch in England auch das Gewohnheitsrecht (örf) herangezogen. Also sollten auch hier Präzedenzfälle Streitfragen aus dem Wege räumen.



timotheus schrieb:
Die Entwicklung von Handel, Handwerk und Gewerbe unterlag i.d.S. auch in Europa keiner staatlichen Förderung, sondern hat mit der Eigendynamik der Spezifiken mittelalterlicher Stadtentwicklung im westlichen Europa zu tun.
Der Aufstieg des Bürgertums im Spätmittelalter wäre freilich ohne diese Entwicklungen undenkbar gewesen bzw. in dieser Form nicht denkbar gewesen...
Gut. Da sich anhand der strengen Gildenvorschreibungen, die Handwerker regelrechten Restriktionen unterworfen sahen, konnten diese auch kein Kapital anhäufen, was zweifellos dazu führte, das einem europäischen Bürgertum ähnlichen Bürgertum im O.R. kein Erfolg beschieden war.
Ganz im Gegenteil. Durch die Kapitulationen mit Frankreich und England, noch zu Lebzeiten Süleymans des Prächtigen, waren den ausländischen Händlern weitreichende Zugeständnisse gemacht worden und das antolische Gewerbe wie der Handel war dem natürlich nicht gewachsen.
 
Seldschuk schrieb:
Lieber Repo,

erst einmal sanfte Grüsse! Gott sei mit dir!
Du missverstehst etwas. Zuerst müssen wir uns vor Augen halten, was einen Klerus überhaupt ausmacht. Auch wenn ich nicht in der Materie des katholischen oder sonstigen Klerus bewandert bin, so stechen doch einige Unterschiede zwischen islamischen und christlichen Geistlichen hervor.
Ein Imam, d.h. Vorbeter, (kein Priester!!!) tritt z.B. nicht als Vermittler zwischen Gott und den Gläubigen auf. Er betet, wie der Name sagt, vor. Der Muslim nimmt also selber direkten Kontakt mt Gott auf, in dem er sich vor Gott "hinwirft" und den rezitierten Suren des Imam lauscht. Es gibt keinen Gottesdienst im islamischen Glauben.
Zudem sind dem Islam sakrale Handlungen fremd.

Wenn es also "Hassprediger" geben sollte, erliege nicht ihrem Scharm!:cool:

Hallo Seldschuk,

mag sein, dass ich etwas mißverstehe.
Man macht sich eben seine Gedanken. Meine Heimatstadt hat 50.000 Einwohner mit hohem Ausländeranteil, lassen wir also 5.000 islamischen Glaubens sein. Es gibt aber derzeit 22 Moscheen!
Bisher dachte ich, dass da Kleriker versorgt werden müssen. Aber das muss dann also andere Gründe haben. Politik?
Aber es stimmt doch, dass die Schleierträgerinnen Taschengeld bekommen?
Und bei der Einreise in die Türkei ziehen sie sich vorsichtshalber um? Stimmt das auch?
Direkt gefragt bekommt man vor Ort ausweichende, oder gar keine Antwort.

OK, alles total OT, aber woher bekomme ich sonst einen Kompetenten ?

Grüße Repo
 
Repo schrieb:
Hallo Seldschuk,

mag sein, dass ich etwas mißverstehe.
Man macht sich eben seine Gedanken. Meine Heimatstadt hat 50.000 Einwohner mit hohem Ausländeranteil, lassen wir also 5.000 islamischen Glaubens sein. Es gibt aber derzeit 22 Moscheen!
Bisher dachte ich, dass da Kleriker versorgt werden müssen. Aber das muss dann also andere Gründe haben. Politik?
Aber es stimmt doch, dass die Schleierträgerinnen Taschengeld bekommen?
Und bei der Einreise in die Türkei ziehen sie sich vorsichtshalber um? Stimmt das auch?
Direkt gefragt bekommt man vor Ort ausweichende, oder gar keine Antwort.

OK, alles total OT, aber woher bekomme ich sonst einen Kompetenten ?

Grüße Repo
Hallo Repo,

freut mich dass Du dich mit dem Thema auseinandersetzt. Wie gesagt. Da es im Islam keine Kleriker gibt, müssen diese auch nicht versorgt werden! Wenn die Moscheen vom türkischen Staat finanziert worden sind, so sind sie durch ein "DITIB" gekenzeichnet. Anzumerken dabei ist, das diese Moscheen nicht ausschliesslich vom türkischen Staat finanziert werden, sondern auch von den Gläubigen selbst finanziell getragen werden.
Warum es bei euch 22 Moscheen gibt entzieht sich natürlich meiner Kenntnis. Aber achte mal darauf, wie beim Freitagsgebet die betreffenden Moscheen ausgelastet sind. Der Islam ist zur Zeit die Religion, die am meisten Zulauf hat.
Schleierträgerinnen sollten genauso Taschengeld bekommen, wie Frauen, die ihre Haare offen tragen. :rofl:
Das sich die betreffenden Frauen "umziehen" bevor sie den türkischen Boden betreten, habe ich gehört. Aber diesbezüglich alle Kopftuchträgerinnen zu verdammen...???
Wenn sich jemand an diesem Exkurs stören sollte, möchte ich dich bitten, die Fragen über PN zu klären, soweit ich diese erörtern kann.
Ich hoffe dir ein klein wenig weitergeholfen zu haben.
Grüsse Seldschuk:winke:
 
Um noch einmal auf das Thema zurückzukommen...

Seldschuk schrieb:
Da sich anhand der strengen Gildenvorschreibungen, die Handwerker regelrechten Restriktionen unterworfen sahen, konnten diese auch kein Kapital anhäufen, was zweifellos dazu führte, das einem europäischen Bürgertum ähnlichen Bürgertum im O.R. kein Erfolg beschieden war.
Ganz im Gegenteil. Durch die Kapitulationen mit Frankreich und England, noch zu Lebzeiten Süleymans des Prächtigen, waren den ausländischen Händlern weitreichende Zugeständnisse gemacht worden und das antolische Gewerbe wie der Handel war dem natürlich nicht gewachsen.

Ich möchte dazu noch einmal die Betrachtung dazu aus dem dtv Atlas Weltgeschichte, Band I, zum spätmittelalterlichen Staat der Osmanen 1300-1660 hier einstellen...

Ohne Begabung für Handel und Gewerbe, dulden die Türken Armenier und Griechen als Händler, Seeleute, Verwaltungsgehilfen (Fanarioten), Dolmetscher (Dragomane).

Mich würde interessieren, wie dies mit Deinen Betrachtungen bezüglich Handel, Handwerk und Gewerbe zusammenpaßt.
 
Schleierträgerinnen sollten genauso Taschengeld bekommen, wie Frauen, die ihre Haare offen tragen.

OK.
Das "Taschengeld" soll aber unter der Voraussetzung bezahlt werden, dass ein kopftuch getragen wird.
Und es soll aus iranischen und saudiarabischen Quellen stammen.

Grüße Repo
 
Repo schrieb:
OK.
Das "Taschengeld" soll aber unter der Voraussetzung bezahlt werden, dass ein kopftuch getragen wird.
Und es soll aus iranischen und saudiarabischen Quellen stammen.

Grüße Repo
Davon habe ich auch gehört! Und ich verweise auf meinen Leitsatz:
Es gibt nichts was es nicht gibt.
Man sollte sich nicht immer die negativen Seiten herauspicken. Fakt ist der überwiegende Teil der Muslime ist ein friedlebender Teil unter den Deutschen.:friends:
 
Danke Seldschuk für die Infos.
Bin ich mal wieder etwas schlauer geworden.
Muss ich mich nur noch über die Funktion einiger dieser Moscheen kenntlich machen (doch Politik?)
Wobei mich die Argumentation für die Kopftücher schon manchmal geärgert hat, bisher bin ich noch keiner an die Wäsche gegangen.

Grüße Repo
 
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