Der Erste Weltkrieg war ohne Zweifel ein ganz großes Unglück besonders für Deutschland. Sein Ausgang war mitverantwortlich für die Schwierigkeiten der Weimarer Republik, den Aufstieg Hitlers und schließlich auch eine der Ursachen für den Zweiten Weltkrieg. Man stelle sich für einen Augenblick vor, es hätte einen fairen Ausgleichsfrieden gegeben. Die Geschichte wäre für uns besser gelaufen. Aber das ist natürlich alles Spekulation. Dass der Zweite Weltkrieg dann für alle ein noch größeres Unglück war, darüber sollten wir uns wohl einig sein. Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts lief für uns Deutsche sehr unglücklich.
Dafür hatten wir 1989/90 richtig Glück. Das die Wiedervereinigung und Wiedererlangung der Souveränität Deutschland so schnell kommen würde, hat niemand erwartet.
Insofern kann man schon von Pech und Glück sprechen. Wenngleich diese Kategorien oberflächlich sind. Aber "wie die Schlafwandler" in der ersten Krieg zu schlittern, war auch Pech und zur schnellen Wiedervereinigung gehörte auch eine Menge Glück.
Dass Kriege Unglück über Land und Leute bringen, über Sieger wie Besiegte ist nun wirklich eine Binsenweisheit. Des einen Glück, ist des anderen Pech. Bei Einzelschicksalen mag es angehen, dass man von Glück, Zufall etc. sprechen kann. Historische Ereignisse zumal Kriege sind aber keine Zufälle, und es kommt einer Banalisierung gleich, äußerst heterogene Zusammenhänge auf die Faktoren von "Glück" und "Pech" zu reduzieren. Es war weder der 1., noch der 2. Weltkrieg ein Betriebsunfall der Geschichte, und Unglück hat der Krieg über ganz Europa gebracht. Deutschland hat einen sehr hohen Blutzoll gezahlt, kaum eine Familie blieb von Gefallenen und Kriegsversehrten verschont.
Es wurden aber weite Teile Belgiens und Nordfrankreichs etliche Dörfer und Städte dem Erdboden gleichgemacht, und es hat gerade die Zivilbevölkerung in Belgien, Serbien und Galizien, in Armenien das "Unglück" gehabt, unter Flucht und Vertreibung, Kriegsverbrechen und Unrecht leiden zu müssen. Ein fairer Ausgleichsfrieden wäre sinnvoll und wünschenswert gewesen, doch wie hätte dieser ausgesehen? So wie der Frieden von Brest- Litowsk. Es waren nicht nur Lloyd George und Clemenceau der Meinung, dass dem Gegner der K. O. verpasst werden müsste. Die Kriegszieldiskussion und die Expansionsgelüste der OHL aber auch der Alldeutschen und großer Teile der Eliten verstellten einen Ausgleichsfrieden, dass Deutschland bestenfalls den Status Quo bewahren konnte, haben die Verantwortlichen nicht wahrhaben wollen. Erst als die Mittelmächte militärisch zusammenbrachen, warfen sie den Kram hin und beriefen sich auf Wilsons 14 Punkte. Der Bevölkerung wurde durchhalten verordnet, und sie wurde noch um ihre Ersparnisse gebracht, weil sich patriotisch gesinnte Zeitgenossen verpflichtet fühlten, Kriegsanleihen zu zeichnen, "Gold für Eisen" zu spenden.
Dass die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts für "uns Deutsche" unglücklich verlief, war kein Schicksalsschlag, sondern stand auch in Zusammenhang mit tief verinnerlichtem Obrigkeitsdenken, Autoritätsgläubigkeit und mangelnder Kritikfähigkeit. Weite Teile des Bürgertums waren vom Glanz der "schimmernden Wehr" geblendet, ein Reserveoffizierspatent galt vielen mehr, als ein akademischer Titel, und vielen galt Wilhelm II. noch als zu gemäßigt. Auch die Nazis kamen nicht mit UFOs aus dem All, Hitler kam durch formal demokratische Wahlen an die Macht, und bis in die letzten Kriegstage gab es allzuviele, die sich arrangierten, anbiederten und denunzierten.
1989/90 mag ein Glücksfall der Geschichte gewesen sein, de facto trug es dazu bei, dass Kohl, den die Bonner Republik längst über hatte, weitere 8 Jahre die Probleme des Landes aussitzen durfte und von "blühenden Landschaften" in "diesem, unserem Lande" faselte. Die Arbeitslosenzahlen stiegen stetig, Reformen wurden blockiert, die Bürger immer mehr bespitzelt und überwacht, während der braune Mob bis in jüngste Zeit kleingeredet und verdrängt wurde. In Hoyerswerda, Mölln, Rostock- Lichtenhagen kam es zu Exzessen, die man als Pogrome bezeichnen muss, applaudiert von der schweigenden Mehrheit.
Statt sich einzureden, in der besten aller deutschen Welten zu leben, täten "wir" besser daran, die politische Streitkultur zu pflegen und das zu verteidigen, was an demokratischen Rechten verblieben ist, auf die "wir" wirklich stolz sein können.
Ein kollektives Geschichtsbewusstsein gibt es nicht, wenn es Zeitgenossen gibt, die sich freuen, dass "WIR" Papst, "Weltmeister" und "Superstars sind, dann sei es ihnen gegönnt, ich aber lehne es ab, so vereinnahmt zu werden.