Ich halte die (besuchte) Stunde morgen. Thema ist die neolithische Revolution.
Ein sehr schönes und dankbares Thema. Denn mit der neolithischen Revolution (oder Evolution) nahm der Aufstieg des Menschen zum Herrscher dieses Planeten seinen Anfang.
Bevor der Mensch die Landwirtschaft erfand und dadurch sesshaft wurde, streifte er als Jäger und Sammler durch die Landschaft. Dies war auch die einfachste Methode, um zu überleben. Sie funktionierte aber nur, wenn es das ganze Jahr über genügend Wildtiere und Früchte gab. Sobald aber der Mensch die Tropen verließ, gab es plötzlich Jahreszeiten, in denen nichts wuchs bzw. keine Früchte zum Sammeln da waren. Und wilde Tiere, mit denen der Mensch um die gleiche Nahrung konkurrierte, machten sich aus dem gleichen Grund rar. Die Jagd und das Sammeln wurde anstrengender, verbrauchte mehr Energie bei gleichzeitigem Mangel an dieser.
Um auch im Winter genügend zu essen zu haben, müsste er in fruchtbaren Zeiten mehr sammeln und Vorräte anlegen. Aber das ging nicht bei einem Leben, das dem der heutigen Nomaden ähnelte, schließlich hatte der Mensch noch keine Tiere gezähmt, die als Lastenträger zu verwenden wären. Der Mensch war also noch ganz auf sich gestellt. Er lebte auch nicht vorwiegend in Höhlen, wie man fälschlicherweise früher dachte, sondern in Zelten oder behelfsmäßigen Hütten, um mobil zu sein und den wilden Tieren bei ihrer Suche nach Nahrung folgen und dabei neue Gebiete zum Früchtesammeln aufsuchen zu können.
Vor etwa 10.000 bis 11.000 Jahren entdeckten die Menschen im heutigen Anatolien (genauer: Bergland Karacadag, zwischen Euphrat und Tigris gelegen), dass man bestimmte Pflanzen fördern könne: Durch die gezielte Aussaat von bestimmten Gräsern und durch die rechtzeitige Rückkehr zu diesen „Feldern“ ein paar Monate später. Rechtzeitige Rückkehr war wichtig, denn auch wilde Tiere bedienten sich zu „Erntezeit“ gern vom fertig gedeckten „Tisch“. Das tun sie übrigens auch heute noch gern, und die Jäger müssen dann an die Bauern Entschädigungen zahlen.
Allerdings: Wenn die Jäger und Sammler jemand zurückließen, damit er diese „Felder“ bewachte, war ihnen die „Ernte“ sicher. Wobei dieses Wort Ernte schon zu viel gesagt ist, denn die wilden Gräser vermehren sich durch den Wind und dafür entlassen sie die Körner aus ihren Ähren, sobald diese reif sind. Aber reif werden sie nicht alle zu gleichen Zeit, sondern nach und nach. Man konnte sicher auch Ähren mit unreifen Körnern ernten, aber diese reifen nicht nach und lassen sich auch nicht lagern: Man konnte sie lediglich sofort essen. Damit war also noch nichts gewonnen.
Erst durch Züchtung gelang es solche Grasähren zu gewinnen, die erstens ihre Körner so lange festhielten, bis alle reif waren, und zweitens viele und dickere Körner enthielten. Die konnte man lagern, aber dafür musste man was Festes bauen, um es vor Feuchtigkeit und vor Räubern – tierischen wie menschlichen - zu schützen. Das war nun ein Grund mehr, sich in der Näher der Felder richtig niederzulassen, sprich keine behelfsmäßigen Hütten mehr zu bauen. Man wurde sesshaft, zumindest ein Teil des Klans wurde das.
Die weitere Entwicklung ist leicht erzählt: Die Bevölkerung wuchs aufgrund der verbesserten Ernährung schneller und durch ihre ständige Präsenz bei den Feldern wurde Züchtung intensiver und die Anbaumethoden feiner. Was vorher vielleicht Zufall war, wurde nun gezielt betrieben. Es kamen neue Pflanzen hinzu, die sich für den Anbau eigneten, so dass innerhalb von 1.000 Jahren eine stattliche Anzahl „kultiviert“ wurde: Einkorn, Emmer, Dinkel, Weizen, Gerste, Erbse, Linse, Lein, etc. Damit war die Ernährung das ganze Jahr über gesichert – wenn es genügend regnete.
Um dieses Risiko zu minimieren, wurden die Felder bewässert. Spätesten zu diesem Zeitpunkt kam es zu Produktionsüberschüssen, die verkauft oder für andere Produkte getauscht wurden. Dafür brauchte man Verwaltung, die in die Lage war zu messen bzw. abzuschätzen, wie viel man für den eigenen Bedarf und für die Aussaat im nächsten Jahr brauchen würde. Für Planung und Bewässerung von Feldern, Lagerung und Verkauf von Überschüssen braucht man eine funktionierende öffentliche Verwaltung, die schon für ihre eigenen Zwecke Aufzeichnungen führen musste: Die Schrift war geboren und damit der Weg offen für weitere Entwicklungen, die nichts mehr mit der ursprünglichen Sache – der Landwirtschaft - zu tun hatten.
Wurden die Entwicklungsschritte davor in zig-tausenden Jahren gemessen, so ging es mit der Schrift wesentlich schneller, denn Wissen konnte weiter gegeben werden, ohne dass man sich persönlich kannte. Die Schrift erst ermöglichte uns den kulturellen und zivilisatorischen Aufstieg aus den Niederungen des Tierischen, des lediglich Vegetieren-Könnens in einer alles bestimmenden Natur.
Der Buchdruck beschleunigte diesen Effekt noch einmal enorm, um jetzt, mit dem Internet, fast keine Grenzen mehr zu kennen: Alle Menschen können beinahe alles Wissen dieser Welt nachlesen. Erst das aufgeschriebene Wort, unsere Spezialität, ermöglichte einst - und ermöglicht es immer noch – den Austausch von Informationen und deren Weitergabe an nachfolgende Generationen. Vielleicht haben die Schreiber der Bibel das auch schon gewusst, warum sonst hätten sie geschrieben: „Im Anfang war das Wort ... Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.“
Das alles kommt nicht von mir, sondern ist die Quintessenz des Buches „Am Anfang war das Korn“ von Hansjörg Küster, erschienen in C.H.Beck Verlag.