Warum wurden die Germanen nicht romanisiert ?

Ich will ja nicht meckern. Die letzten 60 Seiten waren alle, aber auch alle recht interessant.
Aber, kann sich nicht einmal jemand erbarmen und das, wie es wirklich war, aus allen Seiten rausfiltern? Offenbar vertritt hier jeder eine andere Meinung. Und ich weiss am Ende doch nicht, warum die Germanen nicht romanisiert wurden. Oder wurden sie doch romanisiert, oder nur zum Teil? Ich lese hier nur Bahnhof. Und ich denke, vielen Laien, so wie ich, geht es ebenso.
 
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@ Florian: nicht verzweifeln! Da wir hier über einen Zeitraum allein in Deutschland von einem halben Jahrtausend reden, lässt sich keine ganz so klare und einfache Antwort auf die Frage finden, "wie es wirklich war". Die ganz verknappte Antwort ist ja doch schon gefallen: der Großteil aller germanischen Völker befand sich nie unter römischer Herrschaft und konnte folglich auch nicht romanisiert werden. Von den beiden "Germania"-Provinzen wurde zudem die südliche hauptsächlich von keltischen Völkern besiedelt.
 
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Dieter schrieb:
Mir ist nicht ganz klar, worauf du überhaupt hinaus willst. Kannst du deine Thesen vielleicht einmal in wenigen Sätzen erläutern?
O.k., ich greife diesen Ball auf und werde mich dabei mehr am Thema dieses Stranges orientieren.


Der Begriff „romanisch“ ist ein Kampfbegriff, der erstmals von der römischen Kirche ins Spiel gebracht wurde. Dies geschah zeitlich noch vor dem Versuch Roms, die Germanen als Foederaten zu gewinnen. Sinn und Zweck des Begriffs war es, die Bevölkerung des römischen Reiches von den Germanen abzugrenzen.


Nach dem Zusammenbruch des weströmischen Reiches und dem Entstehen germanischer Reiche im Reichsraum musste die Kirche umdenken. Zwar bestand für sie schon immer Christis Missionsauftrag. Nun erkannte sie aber die Bedeutung der germanischen Völker für ihre eigene Zukunft. Sie wandte sich diesen zu und vom byzantischen Kulturkreis ab. Unter Papst Gregor dem Großen (ca. 540-604) beginnt die systematische Missionierung der Germanen:
  • Westgoten, Sweben und Langobarden werden katholisch.
  • Die Angelsachsen werden bekehrt durch den Mönch Augustin, der 596 zu König Ethelbert zu Kent geschickt wird. Es kommt zur Gründung des Erzbistums Canterbury.
  • Bischof Bonifatius beginnt 722 mit der Missionierung Deutschlands.
Bislang hatten die Germanen durch Handel oder Kriegsdienst im römischen Heer sich technisches und militärisches Wissen der Römer angeeignet. Mit der Missionierung begann der Transfer pagan-antiker und christlich-antiker Kultur. Mit dieser Kultur wurden auch die Germanen westlich des Rheins und des Limes durchdrungen. Auch sie wurden „romanisiert“.


Mit der Missionierung entstand ein Netzwerk von Kirchen und Klöstern im germanischen Missionsgebiet. Um den Germanen die Glaubensinhalte erklären zu können, eigneten sich die Missionare die Sprachen der Germanen an. Sie glossierten volkssprachlich Bibeltexte und Schriften von Kirchenväter. Durch diese Beschäftigung mit den Volkssprachen gewannen diese an Klarheit und Struktur, logischer Struktur und Differenziertheit und wurden diese zur Schrift- und Lautsprache. Die Nationalsprachen entstanden – bei starker Formung und Beeinflussung durch „romanische“ Sprachhandwerker.


Der Völkerwanderung der Germanen folgte die Wanderung der römisch-katholischen Missionare durch die germanischen Gebiete und im Kommunikationsnetz der Kirche spielten sich Handschriftenwanderungen zwischen Pyrenäen und Elbe zum Aufbau neuer Bibliotheken ab. So wurde die „romanische“ Kultur zu den Germanen gebracht. Zum Beispiel mit Hilfe der enzyklopädischen Schriften des Abtes Hrabanus Maurus (882-842) aus Fulda, den man praeceptor Germaniae (Schulmeister Deutschlands) genannt hat (warum wohl?).


Die Missionierung der Germanen führte zur Adaption der antiken Kultur – selbstverständlich in christlichem Kontext und im Rahmen kirchlicher Interpretation. Dies gilt insbesondere für die Bereiche der Medizin, der Landwirtschaft, der Landvermessung, der Architektur, der Baukunst, der antik-klassischen Grammatik und Rhetorik.


Dieter schrieb:
Es scheint mir völlig unstrittig zu sein, dass germanische Stämme östlich des Rheins wie z.B. Chatten, Markomannen, Hermunduren oder der spätere Großstamm der Sachsen NICHT romanisiert wurden. (…) Die Behauptung, die Mehrzahl der Germanen wäre romanisiert worden, muss in das Reich der Fabel verwiesen werden.


Ashigaru schrieb:
Die ganz verknappte Antwort ist ja doch schon gefallen: der Großteil aller germanischen Völker befand sich nie unter römischer Herrschaft und konnte folglich auch nicht romanisiert werden.
Leute, schaut euch mal die Buchstaben an, mit denen Ihr Eure Beiträge geschrieben habt!:p
 
Zu solchen Denkfehlern kommt man, wenn man
- unter Romanen die Römer versteht,
- Romanisierung nur unter römischer Herrschaft für möglich hält oder
- an Begriffen wie Romanen und Germanen festhält, obwohl die romanisierten Germanen keine reinen Germanen mehr waren.;)
 
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Denkfehler...soso...na dann werden wir mal beweisen, wer hier durch seine ganz eigenen Definitionen den Denkfehler macht ;)
Schlagen wir z.B. im Lexikon unter "Romanen" nach, bekommen wir eben jene Definition:

Romanen

sprachlich verwandte Völkergruppe in Süd- und Westeuropa, auf einstigem römischem Kolonialboden; sprachlich und kulturell stark von den Römern beeinflusst; hierzu gehören Italiener, Rätoromanen, Franzosen, Spanier, Portugiesen, Rumänen.

Und dort treffen wir wieder auf: die Römer.

Die Begrifflichkeit der Germanen spielte dabei so gut wie keine Bedeutung, aber immerhin, ja, auch nach der Romanisierung bleibt ein Volk ein eben solches, wenn es sich nicht in eine andere Kultur (wie etwa die römische) einpflegt oder modifiziert. So bleiben auch die Kelten nach ihrer Unterwerfung und Romanisierung Kelten, bis sie langsam aber sicher durch Ansiedlungsprogramme und Übernahme als solche Kultur nicht mehr erkennbar sind. So entsteht nach der Romanisierung erstmal das gallisch-römische (oder römisch-gallische). Also eine Mischform, in der das römische aber auf jeden Fall ausgesprochen stark, ich würde behaupten dominant ist.

Da wir aber die Alemannen, Franken und Goten auch lange nach ihren Kontakten und ihrem Einfall ins römische Gebiet klar differenzieren können, steht ihre Existenz als Germanen völlig außer Frage, und auch du wirst in diesem Forum keine Revolution der Nomenklatur oder Definitionen hervorrufen. Und noch viel weiter: bei ihnen kann nicht einmal von einer Mischform gesprochen werden, denn die römischen und germanischen Elemente ihrer Kultur bleiben, anders als bei den Kelten, in den meisten Fällen recht eindeutig erkennbar und entwickeln sich weiter bzw. eben nicht.
Ein weiteres Beispiel sind die Illyrer. Ihre eigene, thrakisch anmutende Kultur, stirbt fast völlig aus, nachdem sie zuerst in einer Mischkultur noch immer auf sich aufmerksam macht.


Und keineswegs ist theoretisch die Romanisierung nur unter "römischer Herrschaft" möglich, aber die Präsenz muß schon dabei sein, sonst ist es nur die Übernahme römischen Gutes, und dann wäre die Rennaisance nichts anderes als eine "zweite" Romanisierungswelle, immerhin hielt man das Latein hoch, verwendete Bauelemente und, da wären wir wieder bei deinem widersinnigen Argument, nutzten auch die Schrift (sogar deren Methoden um diese zu erzeugen)... Trotzdem bildete sich da nur eine eigene Kultur oder besser noch, eine eigene Epoche.

Wenn man sich also über die Grenze einer realen Romanisierung hinauswagt, und diese ist nun mal untrennbar mit der römischen Kultur und ihrer Konfrontation mit einer anderen verbunden, kann man fast jede Epoche der Geschichte und fast Region verbinden, so wie ich scherzhafter Weise auf deiner argumentativen Grundlage tat.
Oder im Detail: Wenn die Schrift ein Zeichen der Romanisierung war, dann wären auch die USA, da sie diese Schrift benutzten, romanisiert worden (sie sind def. eine eigene Kultur). Da dies einen Kontakt mit Römern impliziert wäre dies also der Beweis für den Besuch von Römern in den USA (sogar noch vor relativ kurzer Zeit...).

Da die Unsinnigkeit dieser Behauptung außer Frage steht ist eines klar: einzelne Elemente sind kein Zeichen einer Romanisierung, sondern nur ein Zeichen einer beispielhaften Vermischung.

Das sind nur einige Gedankengänge dazu, insgesamt ist die Frage eigentlich beantwortet:
die linksrheinische Völker wurden romanisiert (und da schließt auch die dort lebenden germanischen Stämme mit ein, wobei es teilweise ein konfliktreiches und langwieriges "Unterfangen" war), die rechtsrheinischen nicht.
Punkt um.
 
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Gandolf schrieb:

Der Begriff „romanisch“ ist ein Kampfbegriff, der erstmals von der römischen Kirche ins Spiel gebracht wurde. Dies geschah zeitlich noch vor dem Versuch Roms, die Germanen als Foederaten zu gewinnen. Sinn und Zweck des Begriffs war es, die Bevölkerung des römischen Reiches von den Germanen abzugrenzen.
Bayer/Wende Wörterbuch zur Deutschen Geschichte Stuttgart 1995
kennt den Begriff "Romanisierung" wie folgt:
(zu lat. Romanus, Römer, Bewohner der Stadt, Untertan des Reichs, in fränk. Zeit der Nichtgermane minderen Rechts), die Durchsetzung eines Volkstums mit der röm. Einheitskultur und mit lat. Sprache. Zitatende

Jetzt bin ich echt gespannt, wie Du Deine diversen Thesen belegen willst.

Noch was, schau doch mal auf die Ziffern die Du schreibst! Deiner Argumentation folgend sind wir also nicht "romanisiert" sondern "arabisiert". Denn völlig zweifellos haben die Arabischen Ziffern die Römischen verdrängt.

Aber wirklich, Deine Thesen solltest Du schon irgendwie belegen,


worauf ich echt gespannt bin.
Repo
 
Gandolf schrieb:
Der Begriff „romanisch“ ist ein Kampfbegriff, der erstmals von der römischen Kirche ins Spiel gebracht wurde. Dies geschah zeitlich noch vor dem Versuch Roms, die Germanen als Foederaten zu gewinnen. Sinn und Zweck des Begriffs war es, die Bevölkerung des römischen Reiches von den Germanen abzugrenzen.

"Romanisch" ist ein deutsches Wort. Es wäre nett, wenn Du den originalen Kampfbegriff (romanus? romanicus? romanice?) nennen würdest und auch eine Quelle, in der der Kampfbegriff verwendet wird.


Repo schrieb:
Aber wirklich, Deine Thesen solltest Du schon irgendwie belegen
Diesen Worten meines Vorredners möchte ich mich anschließen.
 
@ Gandolf: den enormen kulturellen Einfluss des römischen Reichs auf die Barbarenvölker bestreite ich gar nicht. Dennoch würde ich die Germanen nicht als "romanisiert" bezeichnen - aus mehreren Gründen:

1. Romanisierung bedeutet mehr als die großzügige Übernahme römischer Kultur. Im 4./5. Jahrhundert gab es keine Iberer, Gallier, Illyrer oder Pannonier mehr: ihre Sprachen, ihr Brauchtum und ihre Gesetze verschwanden und sie waren eben zu Römern geworden.

2. Bei den Germanen - zumindest bei den Vorgängern der heutigen Deutschen, Engländer etc. ist gerade dies nicht der Fall. Der Einfluss der römischen Kultur auf sie war zwar wirklich enorm und sie hatte bei ihnen auch hohe Geltung, wie zum Beispiel das Bestreben vieler Stammesführer zeigt, den römischen Kaisertitel zu erlangen. Aber die Germanen gründeten Reiche mit eigenständigen Organisationsformen. Das Lateinische setzte sich bei ihnen nie als Volkssprache durch. Sie verwendeten weiter ihr Stammesrecht, dass im Mittelalter dann in Codices niedergeschrieben wurden.


3. Es gab allerdings viele Völker, die in der romanischen Bevölkerung assimiliert wurden - die Sueben und Westgoten in Spanien oder die Ostgoten und Langobarden in Italien. Da sie nur eine dünne Oberschicht in diesen Ländern bildeten, verschmolzen sie mit ihren Untertanen und übten nur geringeren Einfluss auf die Kultur aus. Dennoch würde ich hier nicht von "Romanisierung" sprechen. Diese Völker gründeten ihre Reiche im 5./6. Jahrhundert. Und die spätantike römische Gesellschaft ist nicht mehr mit der kaiserzeitlichen vergleichbar. Die "Romanisierung" ist nicht nur ein wissenschaftlicher Fachbegriff - es war eine Politik, die das Reich betrieb: durch die Gründung von Coloniae, durch die verschiedenen Bürgerrechte, durch die Armee, durch Elemente der Religion und Staatskultur. Diese Impulse konnte das zerrissene Westreich oder die verbliebenen römischen Aristokratien der Völkerwanderungszeit nicht mehr ausüben.
 
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Romanen, Romanisierung & Akkulturation

1. Zum Begriff der „Romanen“

Tib. Gabinius schrieb:
Romanen
sprachlich verwandte Völkergruppe in Süd- und Westeuropa, auf einstigem römischem Kolonialboden; sprachlich und kulturell stark von den Römern beeinflusst; hierzu gehören Italiener, Rätoromanen, Franzosen, Spanier, Portugiesen, Rumänen.


Diese Definition deckt sich mit meiner, die ich in meinem Beitrag vom 05.08.2005, 11:57 (Beitrag Nr. 38), verwendet habe und derzufolge als Romanen jene Völker bezeichnet werden, die aus dem weströmischen Reich hervorgingen und deren Sprache sich aus dem Lateinischen entwickelt hat.


2. Warum der Begriff der Romanen als Kampfbegriff entstand

„Die Bezeichnung >>Romania<< ist >>als griffige Kurzbezeichnung für imperium Romanum oder orbis Romanus<< erstmals gegen 330 nachgewiesen, um dann rasch an Beliebtheit zu gewinnen. Offenbar handelt es sich um eine spontane Bildung zur Abgrenzung gegenüber der Barbaria, als Sammelname für die romani als >>Bewohner des römischen Reiches gegenüber den barbari als Reichsfeinde.<< „ (Dieter Kremer, Der Begriff romanisch und romanische Volksbegriffe in: Akkulturation – Probleme einer germanisch-romanischen Kultursynthese in Spätantike und frühem Mittelalter, hrsg. von Dieter Hägermann, 2004, S. 35, 40).

Der zur Abgrenzung gebildete Begriff taucht zu einer Zeit auf, in der die kirchlichen Autoritäten vom Hass gegen die Germanen erfüllt waren und dies auch äußerten:
„Der streitbare Rhetor und Theologe Cactanitus (ca. 250-325) sprach den barbarischen Völkern schlechthin jede Humanität ab, und auch für den Kirchenvater Augutinus sind die germanischen Barbaren nichts als Wilde, moralisch haltlos ihren Leidenschaften verfallen und außerdem >>Erzfeinde der Römer<<. Er hielt es sogar für gut Barbaren gegen Barbaren kämpfen zu lassen, damit sie sich selbst dezimierten, ein zugegebenermaßen zynischer Gesichtspunkt. Auch für den großen christlichen Dichter Prudentius (348-405) sind Barbaren jeder Kultur unfähig, zwischen ihnen und Römern klaffe ein Abgrund wie zwischen Viefüßlern und Menschen. (…) Ähnlich sprach der Dichter Sodonius Appolinaris, Bischof von Clermont (ca. 430/433-479/486) den germanischen Foederaten Galliens jegliche Humanität ab: was ihnen fehle, sei nicht die Bibel, sondern Philosophie und Poesie; ein merkwürdiges Diktum für einen Christen und einen Bischof. Orosius (380/385 – ca. 417), Historiker und Schüler des Heiligen Augustinus, jubelte ohne Skrupel über 10.000 Goten, die 394 für Kaiser Theodosius den Großen gefallen sind – weil es für Orosius eben nur Barbaren waren.“ (Friedrich Prinz, Von den geistigen Anfängen Europas, in: Akkulturation – Probleme einer germanisch-romanischen Kultursynthese in Spätantike und frühem Mittelalter, hrsg. von Dieter Hägermann, 2004, S. 1, 2).


3. Begriff der Romanisierung

Repo schrieb:
Bayer/Wende Wörterbuch zur Deutschen Geschichte Stuttgart 1995
Repo schrieb:
kennt den Begriff "Romanisierung" wie folgt:
(zu lat. Romanus, Römer, Bewohner der Stadt, Untertan des Reichs, in fränk. Zeit der Nichtgermane minderen Rechts), die Durchsetzung eines Volkstums mit der röm. Einheitskultur und mit lat. Sprache. Zitatende


LOL … Wahrscheinlich stellst Du Dir schon die ganze Zeit die Frage, weshalb dieses Thema im Bereich „Mittelalter“ platziert wurde und nicht im Bereich „Das Römisches Reich“. Dies geschah doch nicht, um über die Romanisierung der Antike zu sprechen.;)

Wie nennt man eigentlich die von den Romanen betriebene ?-isierung? Schauen wir doch mal in den Wahrig, Wörterbuch der Deutschen Sprache: „romanisieren (V. t.) mit romanischen Gedankengut durchsetzen, nach romanischer Art gestalten“. Und das Hauptwort für diese Tätigkeit lautet nach den Regeln der deutschen Grammatik nun einmal „Romanisierung“. Um gleich einem weiteren Versuch, die Debatte mit Begrifflichkeiten zu ersticken, den Wind aus den Segeln zu nehmen: die romanische Kultur hat sich aus der römischen Kultur entwickelt.

Man muss also unterscheiden zwischen der Romanisierung, die die Römer und der, die die Romanen betrieben haben:
  • Die Romanisierung im engeren Sinne erfolgte durch die Römer. Dieser Prozess dauerte bis zum Untergang des römischen Reiches und endete im Westen mit dem Untergang des weströmischen Reiches.
  • Die Romanisierung im weiteren Sinne erfolgte durch die Romanen. Dieser Prozess begann nach dem Untergang des römischen Reiches und dauert bis heute an. Die Germanen waren zahlreichen Romanisierungswellen ausgesetzt: karolingische Renaissance, ottonische Renaissance, Renaissance des 12. Jahrhunderts und die Kulturwende vom Mittelalter zur Neuzeit.
Auch Amerika wurde romanisiert. Für Mittel- und Südamerika ist dies offensichtlich. Gleiches gilt für Teile Kanadas und vielen südlichen Gebieten der USA. Doch bedenkt man, dass die „germanischen Engländer“ ihrerseits zahlreichen Romanisierungsschüben ausgesetzt waren (christliche Missionierung im 7. Jahrhundert, Invasion durch französischsprachige Normannen - 1066, Renaissance des Spätmittelalters, etc.), wird deutlich, dass auch der Norden der USA romanisiert wurde – durch romanisierte Angelsachsen.


4. Bloße Übernahme der römischen Kultur oder Akulturation?

Tib. Gabinius schrieb:
Da wir aber die Alemannen, Franken und Goten auch lange nach ihren Kontakten und ihrem Einfall ins römische Gebiet klar differenzieren können, steht ihre Existenz als Germanen völlig außer Frage, und auch du wirst in diesem Forum keine Revolution der Nomenklatur oder Definitionen hervorrufen.

Soso:
  • "Dem Problem des Germanenbegriffs kann man sich auf unterschiedliche Weise nähern. Aus historischer Sicht sollte zunächst nach Umfang und Bedeutung des Namens in der untersuchten Zeit gefragt werden. Wer wurde zur welcher Zeit zu den Germanen gezählt, und welche Vorstellungen verbanden sich mit diesem Namen? Ein Überblick zeigt, dass seit dem 5. Jahrhundert kaum mehr von Germanen die Rede war; das ist deswegen so wenig bekannt, weil die moderne Forschung um so großzügiger mit dem Germanenbegriff umgegangen ist" (Walther Pohl, Vom Nutzen des Germanenbegriffs zwischen Antike und Mittelalter: eine forschungsgeschichtliche Perspektive, in: Akkulturation – Probleme einer germanisch-romanischen Kultursynthese in Spätantike und frühem Mittelalter, hrsg. von Dieter Hägermann, 2004, S.18).
  • "Für den Historiker ist es gerade die Vielfalt und Widersprüchlichkeit seines Gebrauchens, die den Germanenbegriff so interessant macht. Als Forschungsbegriff, der erlauben soll, eine klar abgrenzbare Kultur zu umschreiben, ist er genau aus demselben Grund problematisch" (Walther Pohl, aaO, S. 34).
  • "Vor dem Hintergrund der neueren Ethnogeneseforschung, die den Prozess der Ethnogenese, der politischen Einigung und der kulturellen Synthese als wesentlich vom Selbstverständnis der frühmittelalterlichen gentes bestimmt begreift, werde deutlich, daß es sich bei dem Gegensatz zwischen Romanen und Germanen um ein quellenfernes Konstrukt der modernen Forschung handele." (http://www.dhi-paris.fr/seiten_deutsch/veranstaltungen/berichte/akkulturation.htm).
Tib. Gabinius schrieb:
Und noch viel weiter: bei ihnen kann nicht einmal von einer Mischform gesprochen werden, denn die römischen und germanischen Elemente ihrer Kultur bleiben, anders als bei den Kelten, in den meisten Fällen recht eindeutig erkennbar und entwickeln sich weiter bzw. eben nicht.

Ashigaru schrieb:
(…) Romanisierung bedeutet mehr als die großzügige Übernahme römischer Kultur. (…)
Ashigaru schrieb:
(…) Bei den Germanen - zumindest bei den Vorgängern der heutigen Deutschen, Engländer etc. ist gerade dies nicht der Fall. (…)

Haben die rechtsrheinischen Germanen nur die römische Kultur übernommen so wie später die Ziffern aus dem Arabischen?

Die Germanen wurden römisch-katholisch, feierten Gottesdienste in lateinischer Sprache, veränderten ihre Bestattungssitten, nahmen eine (lateinische) Schriftsprache an, begannen sich in Städten zu siedeln, die politische Führung übernahm die Kaiser- und Königsidee, das römische Recht begann das germanische zurückzudrängen, die Gebildeten und Wissenschaftler sprachen lateinisch, die Ärzte orientierten sich an der römischen Heilkunst, die Architekten an der römischen Baukunst, die Landwirtschaft an der römischen Argrawissenschaft, die Landvermesser am römischen Vermessungswesen, usw. usf. Der Kulturtransfer hat zur Veränderung der germanischen Lebensweise und Kultur geführt. Die Germanen begannen sich von ihren romanischen Zeitgenossen viel weniger zu unterscheiden als von ihren Vorfahren.
 
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Dich zu zitieren ist, angesichts der großen "Fond"anzahl eine Qual...

Fangen wir hiermit an:
LOL … Wahrscheinlich stellst Du Dir schon die ganze Zeit die Frage, weshalb dieses Thema im Bereich „Mittelalter“ platziert wurde und nicht im Bereich „Das Römisches Reich“. Dies geschah doch nicht, um über die Romanisierung der Antike zu sprechen.

Mit Verlaub, viel näher als eine temporale Eingrenzung liegt hier die Wahl der Unterforen aufgrund der "Germanen" als Überschrift, denn um diese und ihr Schicksal ging es, und leider gibt es dieses nicht in der Antike dieses Forums. Die Eingrenzung wird anhand der klaren Frage nach den Germanen, insbesondere der "links-" und "rechtsrheinischen" auf jeden Fall über das Mittelalter ausgedehnt, ja auch und vor allem über die Spätantike.

Damit fällt der Streit um die Romanisierung hier völlig falsch aus. Niemand kann bestreiten, dass es romanische Elemente in unserer westlichen Hemisphäre gibt, auch im amerikanischen.
Gleichzeitig ist dies aber eine ganz andere Größenordnung und Ebene, als es die Romanisierung im eigentlichen, antiken Sinne meint.

Anstelle also den verehrten Prof. Dr. Dieter Kremer aus Trier zu zitieren, wäre es angebrachter gewesen, zu lesen was in Büchern wie diesem etwa steht: Die römische Kolonie von Butrint und die Romanisierung Griechenlands von Johannes Bergemann


An geeigneter, aber anderer Stelle kann man darüber diskutieren, ob es eine romanische Kultur als solche gibt, oder ob es nicht viel eher eine Familie romanischer Kulturen ist, deren Einzelne für sich eigenständige Kulturen bilden und in wie weit diese vor allem jede für sich in der Lage waren eine "Romanisierung" zu betreiben.

Hier geht es ganz entschieden nicht darum, und auch das "ins Spiel bringen" der problematischen Germanenfrage, die in Bezug auf Alemannen, Franken, Jüten usw. noch keine solche ist, hilft da nicht weiter, denn, wie du ganz richtig sagst, gibt es einen (strittigen) Zeitpunkt, ab dem wir nicht mehr von Germanen als solche sprechen. Dieser liegt aber deutlich hinter den von mir genannten Stämmen und ihrer Hochzeit, bzw. entwickelt sich erst während ihrer Hochzeit.


Ganz faszinierend dementsprechend auch die Inkonsequenz deiner Argumentationslinie. Du wählst bewußt jene Zitate (oder Wissenschaftler) um aufzuzeigen, dass Germanen nicht klar unterscheidbar sind. Gleichzeitig möchtest du uns anhand einzelner Elemente heutiger und früherer Kulturen erklären, dass diese somit vor allem romanisch waren und sind. Ist es somit nicht viel deutlicher, dass diese dann in jener Hinsicht ebenso uneindeutig zu erklären wären?
Aber das führt an dieser Stelle wirklich zu weit.

Fakten nochmal aufgezählt:
-Die (antike) Romanisierung verbreitete römische Sprache und Kultur mit sämtlichen Inhalten und Werten und transformierte andere Kulturen bis zur fast völligen Identität.
- Die Germanen jenseits des Limes wurden nicht romanisiert.
- Die Germanen diesseits des Rheines unterlagen einer Romanisierung
- Die östlichen Kulturen zeigten, möglicherweise aufgrund ihrer hohe Kulturstufe, eine gewisse Resistenz gegen die Romanisierung.


Und nur so nebenbei noch ein Fakt: die Germanen waren keineswegs "katholische Christen" geworden, sonst wäre die Missionierung auf deutschem Boden ab der abebbenden Völkerwanderung kaum notwendig oder sinnvoll gewesen. Es gab allerdings Germanen, die Christen waren, was sich aber aus ihrem intensiven Kontakt mit der römischen Kultur oder deren Resten verbunden war.


Einfache Worte um einfache Dinge zu umschreiben.

Und noch eine Antwort:
Haben die rechtsrheinischen Germanen nur die römische Kultur übernommen so wie später die Ziffern aus dem Arabischen?
Nein, sie haben die römische Kultur gar nicht übernommen. Wir finden auf der Rechten keine Thermen, keine römischen Tempel, keine Foren, keine Hinweise auf Übernahme der römischen Mode, Tischsitte, Essgewohnheiten... du merkst worauf ich hinaus will.
Es gab einzelne Elemente, die viel später in sie hinein flossen, eben eine Romanisierung, so wie sie im romanischen Sinne zu verstehen ist.

Und ganz im ernst, mir wird immer vorgeworfen, wortgläuberisch zu sein....
 
Das ist hier längst OT (Florian?) ihr diskutiert längst nicht mehr "warum die Germanen nicht romanisiert wurden" sondern was der Begriff "Romanisiert" aussagt.

Zitat: "Die Germanen wurden römisch-katholisch, feierten Gottesdienste in lateinischer Sprache, veränderten ihre Bestattungssitten, nahmen eine (lateinische) Schriftsprache an, begannen sich in Städten zu siedeln, die politische Führung übernahm die Kaiser- und Königsidee, das römische Recht begann das germanische zurückzudrängen, die Gebildeten und Wissenschaftler sprachen lateinisch, die Ärzte orientierten sich an der römischen Heilkunst, die Architekten an der römischen Baukunst, die Landwirtschaft an der römischen Argrawissenschaft, die Landvermesser am römischen Vermessungswesen, usw. usf. Der Kulturtransfer hat zur Veränderung der germanischen Lebensweise und Kultur geführt." Zitatende
Dem ist im vollem Umfang zuzustimmen, mit dem Hinweis, dass ein Zeitraum von ca. 1.000 (tausend) Jahren beschrieben wird.
Zitat: "Die Germanen begannen sich von ihren romanischen Zeitgenossen viel weniger zu unterscheiden als von ihren Vorfahren." Zitatende
Die umgekehrte Erscheiniung ist ebenfalls festzustellen: Die "Romanen" unterschieden sich von ihren "germanischen" Zeitgenossen viel weniger als von ihren Vorfahren.
Kulturaustausch ist immer nur kurzzeitig als Einbahnstraße zu sehen.

Grüße Repo
 
Man muss also unterscheiden zwischen der Romanisierung, die die Römer und der, die die Romanen betrieben haben:

Netter Kunstgriff, über den du dich ja auch sehr gefreut hast ("LOL"), aber es geht hier schon noch um die Germanen.


Der Kulturtransfer hat zur Veränderung der germanischen Lebensweise und Kultur geführt. Die Germanen begannen sich von ihren romanischen Zeitgenossen viel weniger zu unterscheiden als von ihren Vorfahren.


Ich hatte es doch schon erklärt: Romanisierung bedeutete, dass die alte Volksidentität (wie z.B. Treverer oder Iberer) völlig verschwindet, und die Nachfahren dieser Völker am Ende nur noch als Römer identifizierbar waren. Natürlich war das ein langwieriger Prozess, der auch nicht in allen Teilen des Reichs voll wirksam war (ein Beispiel dafür ist Wales, wo die keltische Sprache und Kultur überlebte).
Aber dieser Prozess greift eben nicht auf die Germanen. Natürlich wurden sie enorm beeinflusst von der römischen Kultur, behielten aber ihre Sprache und viele Eigenheiten. Die Begründungen, die du nennst, warum Germanen romanisiert gewesen sein, muss man sehr differenziert betrachten, da wird vieles einfach in einen Topf geworfen.


Nehmen wir als Beispiel die Themen "Architektur" und "Städte".
Es lässt sich gar nicht bestreiten, dass die Kirchen- und Repräsentativbauten der Karolingerzeit und der Romanik von der antiken Bauweise geprägt waren. Aber: in der Zeit von 500 bis 650/700 gibt es so gut wie keine "germanischen" Steinbauten in Deutschland.
Die Kirchen und auch die Pfalzen mögen romanisch geprägt gewesen sein. Ganz anders aber die Burgen der Karolingerzeit, die spätantiken Befestigungen überhaupt nicht ähneln.
Gleichzeitig war die dörfliche Bauweise im deutschen Mittelalter nie oder so gut wie überhaupt nicht von der romanischen Kultur beeinflusst gewesen - mit ein Grund, warum dass Fachwerkhaus eben gerade in Deutschland so gefragt war und nicht in Italien.


Und nun zum Thema Städte:
Hier gibt es eine starke Diskrepanz zwischen dem links- und dem rechtsrheinischen Gebiet. Links des Rheins bewohnten Germanen die alten, vorhandenen Römerstädte. Und auch hier dauerte es bis ins Frühmittelalter, ehe sie selbst stadtarchitektonisch tätig waren.
Rechts des Rheins dauerte der Urbanisierungsprozess viel, viel länger. Erst im 11./12. Jahrhundert erkannten die Feudalherren die wirtschaftliche Bedeutung von Städten und ab da bekamen Ortschaften in großer Zahl die Stadtrechte ausgehändigt. Mehr noch, der Adel sorgte hier und da dafür, dass sich auch genügend Untertanen dort ansiedelten. Bezeichnenderweise gibt es auch die "Freien Reichsstädte" erst im 13. Jahrhundert.

Wie du siehst, lassen sich den Gemeinsamkeit mit den romanischen Ländern ebenso viele Unterschiede gegenüberstellen. Nicht zur Debatte steht für mich, dass die christliche Kultur nicht nur romanisch, sondern auch "international" war und von enormer Bedeutung war. Aber abseits davon, in den Strukturen des Adels und des Volkes, gab es eben immer auch starke Unterschiede.
 
Tib. Gabinius schrieb:
Dich zu zitieren ist, angesichts der großen "Fond"anzahl eine Qual...
Die beträgt wie bei Dir 2.
Tib. Gabinius schrieb:
Mit Verlaub, viel näher als eine temporale Eingrenzung liegt hier die Wahl der Unterforen aufgrund der "Germanen" als Überschrift, denn um diese und ihr Schicksal ging es, und leider gibt es dieses nicht in der Antike dieses Forums. Die Eingrenzung wird anhand der klaren Frage nach den Germanen, insbesondere der "links-" und "rechtsrheinischen" auf jeden Fall über das Mittelalter ausgedehnt, ja auch und vor allem über die Spätantike.

Damit fällt der Streit um die Romanisierung hier völlig falsch aus. Niemand kann bestreiten, dass es romanische Elemente in unserer westlichen Hemisphäre gibt, auch im amerikanischen.
Gleichzeitig ist dies aber eine ganz andere Größenordnung und Ebene, als es die Romanisierung im eigentlichen, antiken Sinne meint.
Über graduelle Unterschiede kann man natürlich diskutieren. Aber Dein ursprünglicher Standpunkt lautete ja,
  • dass für eine Romanisierung die Präsenz der Römer erforderlich ist,
  • diese somit nur vor dem Untergang des weströmischen Reiches möglich war und
  • da keine Römer in Amerika waren, sei dieser Kontinent auch nicht romanisiert worden.
Tib. Gabinius schrieb:
Anstelle also den verehrten Prof. Dr. Dieter Kremer aus Trier zu zitieren, wäre es angebrachter gewesen, zu lesen was in Büchern wie diesem etwa steht: Die römische Kolonie von Butrint und die Romanisierung Griechenlands von Johannes Bergemann

Mir erschien zum Thema dieses Stranges das von Dieter Hägermann herausgegebene Buch "Akkulturation – Probleme einer germanisch-romanischen Kultursynthese in Spätantike und frühem Mittelalter" aus dem Jahr 2004 geeigneter. Zumal dieses Buch auf der Grundlage einer Tagung des Projektes der Deutschen Forschungsgesellschaft "Nomen et Gens - Name und Gesellschaft" erstellt wurde, die im Deutschen Historischen Institut in Paris vom 19. bis 22. März 2002 stattfand und an der mehr als 40 Sprachwissenschaftler, Historiker und Archäologen aus sechs Nationen zum interdisziplinären Austausch teilnahmen: http://www.dhi-paris.fr/seiten_deutsch/veranstaltungen/berichte/akkulturation.htm
Tib. Gabinius schrieb:
An geeigneter, aber anderer Stelle kann man darüber diskutieren, ob es eine romanische Kultur als solche gibt, oder ob es nicht viel eher eine Familie romanischer Kulturen ist, deren Einzelne für sich eigenständige Kulturen bilden und in wie weit diese vor allem jede für sich in der Lage waren eine "Romanisierung" zu betreiben.
Motor der Romanisierung der rechtsrheinischen Germanen war die katholische Kirche. Um überflüssige Wiederholungen zu vermeiden, verweise ich auf meinen Beitrag vom 07.08.05 -01:55 Uhr.
Tib. Gabinius schrieb:
Hier geht es ganz entschieden nicht darum, und auch das "ins Spiel bringen" der problematischen Germanenfrage, die in Bezug auf Alemannen, Franken, Jüten usw. noch keine solche ist, hilft da nicht weiter, denn, wie du ganz richtig sagst, gibt es einen (strittigen) Zeitpunkt, ab dem wir nicht mehr von Germanen als solche sprechen. Dieser liegt aber deutlich hinter den von mir genannten Stämmen und ihrer Hochzeit, bzw. entwickelt sich erst während ihrer Hochzeit.
Der Germannenbegriff schwindet in der Völkerwanderungszeit ("seit dem 5. Jahrhundert") und aus dem von mir genannten Link wird deutlich, dass die Feststellung, die Unterscheidung zwischen Germanen und Romanen sei ein quellenfernes Konstrukt, am Beispiel der Franken getroffen wurde.
Tib. Gabinius schrieb:
Ganz faszinierend dementsprechend auch die Inkonsequenz deiner Argumentationslinie. Du wählst bewußt jene Zitate (oder Wissenschaftler) um aufzuzeigen, dass Germanen nicht klar unterscheidbar sind. Gleichzeitig möchtest du uns anhand einzelner Elemente heutiger und früherer Kulturen erklären, dass diese somit vor allem romanisch waren und sind. Ist es somit nicht viel deutlicher, dass diese dann in jener Hinsicht ebenso uneindeutig zu erklären wären?
Aber das führt an dieser Stelle wirklich zu weit.
Eigentlich beschreibt dein Einwand die Problematik, um die es mir geht, ganz gut. Die Begrifflichkeiten "Romanen" (romania) und "Barbaren" / "Germanen" stammen aus einer Zeit, in der sich diese "Gruppen" gegenüberstanden. Doch diese waren auch Nachbarn und infolgedessen begann ein Prozess der Akkulturation, der Angleichung der beiden Kulturen. Dieser Prozess begann sich infolge der Invasion und der damit einhergehenden Völkervermischung noch weiter zu verstärken. Schließlich begann die Kirche, die durch den Untergang Westroms ihren staatlichen Schutz verloren hatte, die geistige Gegenoffensive (Truppen hatte sie ja keine). Sie begann die Völker des Nordens im Rahmen ihrer Missionierung zu romanisieren und gewann somit neue Schutzherren. Infolge dieses Angleichungsprozesses büssten die Begriffe "Romanen" und "Germanen" ihre ursprüngliche Trennschärfe ein.
Tib. Gabinius schrieb:
Fakten nochmal aufgezählt:
(...)
- Die Germanen jenseits des Limes wurden nicht romanisiert.
- Die Germanen diesseits des Rheines unterlagen einer Romanisierung.
"Diesseits des Rheines" ist in einem Internetforum aber eine ziemlich ungenaue Ortsangabe, nicht wahr? das macht aber nichts. Ich weiß ja, was Du gemeint hast.;)
Tib. Gabinius schrieb:
Und nur so nebenbei noch ein Fakt: die Germanen waren keineswegs "katholische Christen" geworden, sonst wäre die Missionierung auf deutschem Boden ab der abebbenden Völkerwanderung kaum notwendig oder sinnvoll gewesen. Es gab allerdings Germanen, die Christen waren, was sich aber aus ihrem intensiven Kontakt mit der römischen Kultur oder deren Resten verbunden war.
Ich schrieb ja auch, dass die Germanen römisch-katholische Christen "wurden" und in meinem Beitrag vom 07.08.05 -01:55 Uhr - habe ich ja auch geschrieben, wie dies geschehen ist.
Tib. Gabinius schrieb:
Nein, sie haben die römische Kultur gar nicht übernommen. Wir finden auf der Rechten keine Thermen, keine römischen Tempel, keine Foren, keine Hinweise auf Übernahme der römischen Mode, Tischsitte, Essgewohnheiten... du merkst worauf ich hinaus will.
Ich merke vor allem, dass du dich mit meinen Beispielen, die für das Gegenteil sprechen, gar nicht auseinandersetzt und Dich nun auf die fehlenden Thermen, Tempeln, Foren, etc. stürzt. Ich will es mal so sagen:
  • Thermen setzen heisse Quelle voraus. Diese wollen entdeckt sein und dann muss auch noch das Geld für den Bau von Bädern zur Verfügung gestellt werden. So etwas ist nicht am Anfang des Romanisierungsprozesses zu erwarten.
  • Nachdem das Christentum Staatsreligion wurde, kam selbst in Rom der Tempelbau zum Erliegen. Nun wurden Kirchen gebaut. Im Rahmen ihrer Missionierung bauten auch die Germanen Kirchen.
  • Foren setzen Städte voraus und die Gründung von Städten wurde von den "romanisierten Germanen" betrieben wie nie zuvor.
  • In den kalten und vernebelten Wäldern und Gegenden "Germaniens" konnte sich die römische Mittelmeerkleidung nicht durchsetzen.
  • Auch machte es angesichts dieser klimatischen Verhältnisse keinen Sinn in "Germanien" Gemüse aus dem Mittelmeerraum oder gar die Mittelmeerküche etablieren zu wollen.
Du merkst worauf ich hinaus will:
Infolge des durch die Missionierung fokusierten und systematisch betriebenen Kulturtransfers veränderten sich die Germanen. Sie blieben nicht die alten, die lediglich neue Techniken annahmen. Sie adaptierten die römische Kultur und passten diese ihren Verhältnissen an. Hierdurch entstand etwas neues ("romanisierte Germanen").
 
Repo schrieb:
Das ist hier längst OT (Florian?) ihr diskutiert längst nicht mehr "warum die Germanen nicht romanisiert wurden" sondern was der Begriff "Romanisiert" aussagt.
Der Begriff "Romanisierung" gehört zum Thema. Zudem verstehe ich die Formulierung "ihr" nicht so ganz. Du hast dich doch an dieser Begriffs-Diskussion beteiligt.
Repo schrieb:
Zitat: "Die Germanen wurden römisch-katholisch, feierten Gottesdienste in lateinischer Sprache, veränderten ihre Bestattungssitten, nahmen eine (lateinische) Schriftsprache an, begannen sich in Städten zu siedeln, die politische Führung übernahm die Kaiser- und Königsidee, das römische Recht begann das germanische zurückzudrängen, die Gebildeten und Wissenschaftler sprachen lateinisch, die Ärzte orientierten sich an der römischen Heilkunst, die Architekten an der römischen Baukunst, die Landwirtschaft an der römischen Argrawissenschaft, die Landvermesser am römischen Vermessungswesen, usw. usf. Der Kulturtransfer hat zur Veränderung der germanischen Lebensweise und Kultur geführt." Zitatende
Dem ist im vollem Umfang zuzustimmen, mit dem Hinweis, dass ein Zeitraum von ca. 1.000 (tausend) Jahren beschrieben wird.
Das ist mit Verlaub Unsinn. Die Missionierung Deutschlands zum Beispiel begann im 8. Jahrhundert und dauerte keine tausend Jahre. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweise ich auf meinen Beitrag vom 07.08.05 -01:55 Uhr.
Repo schrieb:
Zitat: "Die Germanen begannen sich von ihren romanischen Zeitgenossen viel weniger zu unterscheiden als von ihren Vorfahren." Zitatende
Die umgekehrte Erscheiniung ist ebenfalls festzustellen: Die "Romanen" unterschieden sich von ihren "germanischen" Zeitgenossen viel weniger als von ihren Vorfahren.
Kulturaustausch ist immer nur kurzzeitig als Einbahnstraße zu sehen.
Ganz meine Rede.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ashigaru schrieb:
Netter Kunstgriff, über den du dich ja auch sehr gefreut hast ("LOL"), aber es geht hier schon noch um die Germanen.
Wieso Kunstgriff? Ich wehre mich nur gegen die Verengung des Begriffs der Romanisierung, die dann noch nicht einmal erklären kann, wie man die Romanisierung nennt, die die Romanen betrieben haben. Ferner lautet das Thema dieses Stranges: "Warum wurden die Germanen nicht romanisiert?" Die Frage, was unter Romanisierung zu verstehen ist, gehört deshalb zum Thema.
Ashigaru schrieb:
Ich hatte es doch schon erklärt: Romanisierung bedeutete, dass die alte Volksidentität (wie z.B. Treverer oder Iberer) völlig verschwindet, und die Nachfahren dieser Völker am Ende nur noch als Römer identifizierbar waren.
Wenn man diesen Maßstab auf die Romanisierung anwenden will, die von den Romanen nach dem Untergang des weströmischen Reiches betrieben wurde, wurde niemand romanisiert. Nach dem Untergang Roms konnte ja niemand mehr Römer werden. Ich halte es deshalb für verfehlt, mit solchen begrifflichen Vorgaben die Romanisierung der Germanen im Mittelalter diskutieren zu wollen.
Ashigaru schrieb:
Nehmen wir als Beispiel die Themen "Architektur" und "Städte".
Es lässt sich gar nicht bestreiten, dass die Kirchen- und Repräsentativbauten der Karolingerzeit und der Romanik von der antiken Bauweise geprägt waren. Aber: in der Zeit von 500 bis 650/700 gibt es so gut wie keine "germanischen" Steinbauten in Deutschland.
Die Kirchen und auch die Pfalzen mögen romanisch geprägt gewesen sein. Ganz anders aber die Burgen der Karolingerzeit, die spätantiken Befestigungen überhaupt nicht ähneln.
Gleichzeitig war die dörfliche Bauweise im deutschen Mittelalter nie oder so gut wie überhaupt nicht von der romanischen Kultur beeinflusst gewesen - mit ein Grund, warum dass Fachwerkhaus eben gerade in Deutschland so gefragt war und nicht in Italien.
Der Prozess der Akkulturation verlief schrittweise und war kein Flächenbrand, der sofort alle Ebenen und Schichten erreicht hätte. Zudem bedeutet Akkulturation auch immer Modifikation der adaptierten Kultur und Innovation:

Die Architekten der Karolinger mögen ja Burgen gebaut haben, die den spätantiken Befestigungsanlagen nicht ähnelten. Sie haben diese aber nicht auf der Grundlage von Vorstellungen gebaut, die sie sich in den Wäldern Germaniens selbst erarbeitet haben, sondern das Neue (Innovation) entstand auf der Basis eines Wissens, das sie sich durch das Studium der römischen Baukunst angeeignet (Adaption) und auf ihre besonderen geographischen Gegebenheiten angepasst haben (Modifikation). Die römische Baukunst wurde also fortentwickelt und modifiziert - von Germanen. Damit wurde gleichzeitig die bisherige germanische Baukunst radikal verändert. Diese wurde romanisiert, auch wenn die Produkte dieser neuen Baukunst ganz anders aussahen als die der Römer.
Ashigaru schrieb:
Und nun zum Thema Städte:
Hier gibt es eine starke Diskrepanz zwischen dem links- und dem rechtsrheinischen Gebiet. Links des Rheins bewohnten Germanen die alten, vorhandenen Römerstädte. Und auch hier dauerte es bis ins Frühmittelalter, ehe sie selbst stadtarchitektonisch tätig waren.
Rechts des Rheins dauerte der Urbanisierungsprozess viel, viel länger. Erst im 11./12. Jahrhundert erkannten die Feudalherren die wirtschaftliche Bedeutung von Städten und ab da bekamen Ortschaften in großer Zahl die Stadtrechte ausgehändigt. Mehr noch, der Adel sorgte hier und da dafür, dass sich auch genügend Untertanen dort ansiedelten. Bezeichnenderweise gibt es auch die "Freien Reichsstädte" erst im 13. Jahrhundert.
Ich möchte mal Hildesheim (tief im rechtsrheinischen Rum gelegen) als konkretes Gegenbeispiel nennen. Das im 7./8. Jahrhundert als Straßenmarktsiedlung entstandene Fernhandelswik wurde 812 Bischofssitz. 852 wurde der Dom gebaut. Bischof Bernward (933-1000) befestigte die Domburg um 1000. Er und seine Nachfolger gründeten mehrere Klöster und bauten die Marktkirche nördlich des Wiks - umgeben von einer Mauer war dies die erste Stadtzelle. Auch die Stadtentwicklung ist ein Prozess, der sich allmählich vollzieht. Dieser Prozess gewann infolge des romanischen Kulturtransfers an Fahrt so wie in Hildesheim die Marktsiedlung freier Kaufleute (wik) durch die Ansiedlung des Bischofs (Bischofssitz, Dom) nebst Klostergründung zur ersten Stadtzelle führte.
Ashigaru schrieb:
Nicht zur Debatte steht für mich, dass die christliche Kultur nicht nur romanisch, sondern auch "international" war und von enormer Bedeutung war.
Die römisch-katholische Kirche war damals römisch. International wurde sie erst später, wobei sie freilich durch die von ihr betriebene Romanisierung einen großen Beitrag zum Entstehen von Volkssprachen leistete.
Ashigaru schrieb:
Aber abseits davon, in den Strukturen des Adels und des Volkes, gab es eben immer auch starke Unterschiede.
Mir ist schon klar, dass du mir die letzten germanischen Überlebenden der Romanisierungsschübe als Beweis dafür präsentieren wirst, dass das Germanentum diese Wellen überlebt hat.=) Aber trotz aller Differenzierungen gab es halt im Laufe der Zeit niemand mehr, der an die germanischen Gottheiten glaubte, der Runen lesen konnte, der seine Verwandten nach alter Sitte beerdigte, usw. usf.
 
Gandolf schrieb:
Ferner lautet das Thema dieses Stranges: "Warum wurden die Germanen nicht romanisiert?" Die Frage, was unter Romanisierung zu verstehen ist, gehört deshalb zum Thema.

Was darunter zu verstehen ist, und worauf die Titelfrage abzielt, ist doch seit dem allerersten Beitrag geklärt:


Conny1 schrieb:
Hallo,

für mich stellt sich die Frage, warum andere Völker wie die Bewohner Frankreichs oder Rumänien romanisiert wurden, während Mitteleuropa sprachlich germanisch geblieben ist.

Conny :baby:
 
Wenn man diesen Maßstab auf die Romanisierung anwenden will, die von den Romanen nach dem Untergang des weströmischen Reiches betrieben wurde, wurde niemand romanisiert. Nach dem Untergang Roms konnte ja niemand mehr Römer werden.

@ Gandolf: Eben! Es geht aber nicht nur darum, staatsrechtlich Römer zu werden, sondern auch darum, nach und nach die alten Stammessprachen und -bräuche aufzugeben und z.B. Latein zu sprechen (wenn auch häufig "vulgär").
Und wie ich schon früher erläuterte, ist Romanisierung nicht nur ein wissenschaftlicher Fachbegriff, sondern eine Folge der Politik des römischen Reichs. Mit dieser sind einige Vorgänge des Mittelalters nur ansatzweise vergleichbar (z.B. Bevölkerungsveränderungen/ethnische Politik während und nach der Reconquista in Spanien).

Diese wurde romanisiert, auch wenn die Produkte dieser neuen Baukunst ganz anders aussahen als die der Römer.

Gegen deine Theorie spricht aber, dass die frühmittelalterlichen Burgen wehrtechnisch eher ein Rückschritt waren und putzigerweise die hochmittelalterlichen Anlagen schon wieder eher den spätantiken Kastellen ähnelten (wobei der Einfluss hier allerdings aus dem orientalischen Raum stammt). Gleichzeitig muss man trennen zwischen "hoher" Architektur und den Behausungen und Siedlungen des Volkes. Diese ähnelten in keiner Phase des Mittelalters besonders den mediterranen Städten und Dörfern.

Mir ist schon klar, dass du mir die letzten germanischen Überlebenden der Romanisierungsschübe als Beweis dafür präsentieren wirst, dass das Germanentum diese Wellen überlebt hat.=) Aber trotz aller Differenzierungen gab es halt im Laufe der Zeit niemand mehr, der an die germanischen Gottheiten glaubte, der Runen lesen konnte, der seine Verwandten nach alter Sitte beerdigte, usw. usf.

Das ist jetzt nicht wirklich dein Ernst, oder? :winke: Bezeichnenderweise nennst du hier ausschließlich Beispiele aus dem religiösen Bereich, den ich ohne Zweifel voll von der römischen Kirche in Beschlag genommen und somit "romanisiert" sehe. Aber wie siehts denn aus in den Bereichen Recht, Verwaltung, Lehnssystem, Dorf- und Siedlungsformen? Alles römisch? Na! Der Klerus war eine Klasse für sich und tatsächlich stark romanisiert. Aber Tatsache ist, dass im einfachen Volk z.B. so gut wie niemand des Lateinischen mächtig war. Sonst hätte Luther nie die Bibel übersetzen müssen. Und vor allem wegen dieser klitzekleinen, quasi völlig unbedeutenden Sprachunterschiede würde ich eben nicht von einer "Romanisierung" sprechen.
 
Gandolf schrieb:
"Der zur Abgrenzung gebildete Begriff taucht zu einer Zeit auf, in der die kirchlichen Autoritäten vom Hass gegen die Germanen erfüllt waren und dies auch äußerten:

Das mag wohl sein, belegt aber nicht im geringsten Deine These "Der Begriff „romanisch“ ist ein Kampfbegriff, der erstmals von der römischen Kirche ins Spiel gebracht wurde."

In keinem der von Dir angeführten Beispiele ist der Begriff "Romania" ersichtlich, geschweige denn als "Kampfbegriff". Abgesehen davon besagen die Äußerungen, die unter dem Eindruck der später erfolgten großen Invasionen zustande kamen, absolut nichts über den einzig in Frage kommenden Zeitpunkt "gegen 330".

Polemische Abgrenzungen gegen die angeblich unzivilisierbaren "Barbaren" gab es nicht erst ab 330, dafür können die kirchlichen Autoritäten nun wirklich nichts.
 
hyokkose schrieb:
Was darunter zu verstehen ist, und worauf die Titelfrage abzielt, ist doch seit dem allerersten Beitrag geklärt:
Mit solchen engen Vorgaben (sprachlich germanisch geblieben) findet der Historiker auf die Frage der Romanisierung keine sinnvolle Antwort. Im Grunde wird der gesamte Bereich der restlichen Kultur, die unbestreitbar - ich drücke es mal neutral aus - stark romanisch beeinflusst wurde, ausgeblendet. Historiker sollten sich deshalb >>ihre Antwort<< (und darum sollte es im Geschichtsforum gehen) auf diese Frage nicht von den Philologen diktieren lassen.

Also: der Gegenstand der Romanisierung der Germanen - muss aus Sicht der Historiker - umfassend untersucht werden und nicht philologisch auf die Sprache verengt.
 
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