Panzerreiter
Aktives Mitglied
Hier geht es für mich um die wichtige Frage, ob bei meinen Enkeln die horrenden Rechnungen des Kieferorthopäden gespart werden können. :fs:
Also, bei mir hätte man sie sich sparen können, die Hackerchen sind immer noch krumm.
Allerdings hat mittlerweile auch die Kieferorthopädie samt ihren Zahnspangen Fortschritte gemacht.
Das mit der Beeinflussbarkeit der Kieferknochen hat folgende Gründe (Ich vereinfach das jetzt mal stark, falls das unnötig oder unerwünscht ist, bitte sagen):
Der Körperbau eines Menschen ist in den Genen festgelegt. Allerdings ist dieser Bauplan nicht dahingehend misszuverstehen, dass sämtlliche Merkmale bis ins kleinste Detail ohne Möglichkeit der Variation festgeschrieben sind, also etwa im Sinne von "Der Unterkiefer hat bei diesem Individuum exakt 12cm breit, 15cm lang, 4cm hoch und 1cm dick zu werden, keine weitere Diskussion." Es werden eher tendenzielle Vorgaben gemacht zur Ausformung der Knochen, also im SInne von "Das Ding sitzt an dieser Stelle und hat jene Form." Die Details sind durchaus variabel.
Das ist auch durchaus sinnvoll, denn wenn die Details vorher zu stark und statisch geregelt wären, könnte keinerlei Spontananpassung stattfinden und die Lebewesen wären selbst bei kleineren Lebensraumänderungen oder Wanderungen hoffnungslos verloren. Da hat sich die Natur schon was dabei gedacht. Selbst wenn wir eineiige Zwillinge in völlig unterschiedliche Lebensräume brächten würde diese sich unterschiedlich entwickeln. Klar, die Augenfarbe und so was bliebe natürlich gleich, aber der eine Zwilling würde als kanadischer Holzfäller ein Muskelprotz werden (im Rahmen der Grenzen seiner Veranlagung), der andere am Schreibtisch ein Hänfling (ebenfalls natürlich im Rahmen seiner Grundparameter).
Interessant sind diesbezüglich z.B. die Untersuchungen der Armknochen bei den Skeletten englischer Langbogenschützen aus dem 14. Jahrhundert. Auch hier waren die Armknochen (nicht nur die Muskulatur) auf eine Weise entwickelt, mit der die Knaben sicherlich nicht auf die Welt gekommen waren.
Du siehst, dass die Vererbung nur innerhalb gewisser Parameter den fertigen Knochenbau vorgibt, man kann da durchaus im Detail noch dran rumfeilen. Speziell im (frühen) Kindesalter, wenn also klar ist, in was für einer Umgebung der Mensch leben wird, werden einige Details sozusagen "nachgeregelt". So geht man z.B. davon aus, dass auch der Stoffwechsel sich zu einem gewissen Maß an den Lebensumständen orientiert und erst so um das 8. bis 10. Lebensjahr endgültig festgelegt wird. (Wer also in dem Alter zu dick ist, so eine Theorie, wird wohl auch nie mehr gertenschlank werden, egal wieviele Diäten er später macht)
Klaus hat ja schon erwähnt, dass in der Evolution mehrere Mechanismen zusammenwirken:
- Die spontane Mutation, die nach unserem derzeitigen Verständnis allein dem Zufallsprinzip folgt, aber dafür auch fundamentale Veränderungen hervorrufen kann.
- Die Anpassung, deren Auftreten gezielt an neue Lebensbedingungen angelehnt ist und die erheblich rascher (teilweise schon nach ein paar Dutzend Generationen) auftritt, als dass sie durch spontane Mutation erklärt werden könnte (das ist der Mechanismus, von dem ich gesagt habe, dass den noch keiner so wirklich erklären kann)
- Das Abrufen "schlafender" Informationen. Nur weil ein neues Merkmal "erfunden" wurde, heißt das noch nicht automatisch, dass alte (obsolete?) Informationen auch sauber gelöscht werden. Im Laufe der Evolution hat sich in unserem Erbgut eine Menge Altlast angesammelt, die immer wieder mal hervorbrechen oder abgerufen werden kann. So kommen immer wieder mal Babies auf die Welt, die am Steiß ein kleines Schwänzchen haben (wird sofort operativ entfernt, ist keine Sache.) oder auch mal eine Spalte im Hals, die sich verdächtig gut mit Kiemen ergänzen würde.
- Die Kombination verschiedener Teilinformationen. Das ist der Grund für die von Klaus schon angemerkte begrenzte Farbigkeit des Phänotyps. Wir haben eine Menge genetische Informationen zu unterschiedlichen Pigmenten, die unterschiedlich kombiniert werden können. Aber wir können halt nur Farben mischen, die wir auch kennen. Die grünen Haare, die Klaus in diesem Thread und ich a.a.O. erwähnt haben, sind also nicht drin. Andere Tiere haben damit kein Problem, die kennen diese Farbe.
Ups... Ich sehe grade, ich muss dringend in die Arbeit, der Kunde wartet.
Fazit:
Nicht jedes kleinste Detail wird vererbt, sondern nur die mehr oder weniger groben Parameter. Im Detail ist da durchaus noch Variation möglich.
Mein Prof sprach übrigens in Jahrhunderttausenden.