Die Aufnahme von Hugenotten in Deutschland war ja nicht nur durch die Religion begründet. Durch die Aufnahme versprachen sich die Landesfürsten auch wirtschaftliche Vorteile.
Manche der hugenottischen Einwanderer hatten nicht viel mehr als das nackte Leben retten können. Was sie mittbrachten, das war unschätzbares Know How und die französische Sprache und Kultur. An der französischen Sprache hielten viele Hugenotten noch mehrere Generationen fest. Marthe Rocoulle, die Friedrich Wilhelm I.und Friedrich II. erzog, sprach kaum ein Wort Deutsch. Theodor Fontane berichtet in seiner Autobiographie "Aus meinen Kindertagen", dass in der Familie Fontane Französisch gesprochen wurde. Das änderte sich erst durch das Debakel von Jena und Auerstedt 1806. Die Fontanes, die sich inzwischen als Preußen betrachteten, erschien es pietätlos, weiterhin Französisch zu sprechen.
In Hessen-Kassel waren es nicht nur Techniken der Seiden- oder Tabakverarbeitung, die die Hugenotten mitbrachten, auch die Leinenverarbeitung wurde durch Hugenotten verbessert. "Weißzeug" und Leinen aus dem Schwalm-Eder Kreis wird heute bis nach Japan und Australien verkauft. Anfang der 1970er Jahre stand altes Brauchtum nicht sonderlich hoch im Kurs, Techniken drohten, auszusterben. Eine der letzten die noch die alten Techniken beherrschte, war eine gewisse Thekla Gombert (übrigens ein recht häufiger Name in Nordhessen) die diese Techniken bewahrte und später Kurse an der Volkshochschule gab.
Doch zurück zu @Griffels Ausgangsfrage. Im 18. Jahrhundert waren nicht nur hochqualifizierte Fachkräfte aus der Architektur, der Fortifikationskunst, der Seiden- oder Tabakverarbeitung oder aus dem Schiffsbau gefragt, sondern auch tüchtige Müller, Bauern und Viehzüchter.
Für die Trockenlegung des Oderbruchs warb Friedrich II. Fachkräfte aus den Niederlanden an. Auch der hessische Friedrich engagierte Niederländer, daran erinnert heute noch die Holländische Straße in Kassel (in der Hallit Yozgat erschossen wurde) und das Viertel Nordholland. Anscheinend wurden auch Fachkräfte aus der Schweiz angeworben, die die Viehzucht und die Produktion der Butterherstellung verbessern sollten. Im Fachjargon der nordhessischen Landwirte ist ein "Schweizer" so etwas wie ein Oberknecht.
Nach dem Großen Türkenkrieg wollten die Österreicher die neu eroberten Gebiete "peuplieren" und siedelten Bauern aus Hessen, Schwaben und der Pfalz dort an. In Siebenbürgen lebten seit dem Mittelalter Deutsche, die Siebenbürger Sachsen. Eine ähnliche Politik praktizierte Katherina II., die deutsche Kolonisten nach Russland holte. Die meisten Russlanddeutschen sind Nachfahren dieser Kolonisten. Die russische Sprache ist ähnlich reich an deutschen Fremdworten (Butterbrot, Kartoffel) wie die deutsche an französischen. Es gab sogar mal eine wolgadeutsche Sowjetrepublik.
So unterschiedlich die Herrscher auch sein mochten und so unterschiedlich die "Fachkräfte", die Anreize, sie zu motivieren waren doch sehr ähnlich:
-Religionsfreiheit
-Steuerprivilegien
- Befreiung von Militärdienst, Einquartierung, Frondiensten
- Prämien, Belohnungen, Privilegien
Schließlich müssen, wenn wir von "Fachkräften" im 18. Jahrhundert sprechen, auch die Juden erwähnen. Sie wurden freilich weit schlechter behandelt, als die Hugenotten, die Salzburger Emigranten, Banater Schwaben. Eigentlich boten nur das Juweliergewerbe und die Medizin gute Verdienst- und Aufstiegschancen. Für Bleiberecht und Religionsfreiheit mussten Juden zahlen. Dennoch gelang doch so manchem, sich nicht nur Wohlstand, sondern auch ein gewisses Ansehen zu erwerben. Mayer Amschel Rothschild kam über den Münzhandel mit Wilhelm I. von Hessen-Kassel zusammen. Während der Napoleonischen Kriege war es die Rothschilds, die die Besoldung von Wellingtons Armee organisierte. Anders, als der Propagandafilm "Die Rothschilds-Aktien auf Waterloo suggeriert, war die britische Regierung sehr mit dem Service zufrieden, und Wilhelm von Hessen hatte es den Rothschilds zu verdanken, dass Napoleon nicht an das Geld des Landgrafen herankam. Während Bankiers wie Rothschild oder Süß- Oppenheimer von Antisemiten als Klischee des jüdischen Wuchers und Finanzkapital verunglimpft wurden, waren jüdische Ärzte und Juweliere recht gefragt und beliebt. Das Juwelengeschäft war im Grunde das einzige Handwerk, das Juden gestattet war, und in der Technik des Diamantschleifens verfügten Juden über das höchste Know How. Namem wie Demant, Saphirstein, Rubinstein, Reinstein, Goldmann, Goldfinger erinnern an die Tradition von Vorfahren, die im 18. Jahrhundert im Juweliergewerbe tätig waren und Ende des 18. Anfang des 19. Jhds deutschsprachige Namen annahmen. In einer Gesellschaft, die Juden die vollen Bürgerrechte verweigerte und sich Schutz teuer bezahlen ließ, konnte eigentlich nur Bildung ein Weiterkommen garantieren. Unter den Juden gab es, zumindest unter der männlichen Bevölkerung praktisch keinen Analphabetismus. Jeder Junge musste die Thora lesen können. Bis Ende des 18. Jahrhunderts waren viele Universitäten Juden verschlossen, aber es gab berühmte jüdische Hochschulen, die Jeschiwes. Im 18. Jahrhundert geriet aber das traditionelle Judentum auch in die Kritik von Juden, die von der französischen Aufklärung beeinflusst wurden, die Aufklärung war auch eine Strömung, die von jüdischen Intellektuellen getragen wurden, die sich der Haskala verpflichtet fühlten. Moses Mendelsohn, der Lessing zu der Figur von Nathan dem Weisen inspirierte, übersetzte die Bibel vom Hebräischen ins Deutsche. David Friedländer gründete in Berlin eine Freischule wo in Deutsch gelehrt wurde. Auch Jüdinnen engagierten sich im Geist der Aufklärung gründeten Salons wie Rahel Varnhagen.
Aber auch im Textilgewerbe oder der Tabakverarbeitung spielten Juden eine Rolle, die über Know How verfügten. Einem Juden namens Heistermann, der eine Uniformmanufaktur besaß, verlieh Landgraf Friedrich II. das Privileg der Hohen Jagd.