1. Ist durch den Wiener Kongress eine gelungene Neuordnung Europas entstanden?
Der letzte Satz in Duchardts Buch [1] ist:
"Aber wann können Friedenskongresse überhaupt jemals alle Hoffnungen erfüllen?"
Die Fragestellungen impliziert, dass es an den Ergebnissen des Wiener Kongresses manches zu kritisieren gab/gibt. Dennoch bleibt, dass - bezogen auf die hist. Situation - ein beachtliches Ergebnis erzielt wurde: ein viele Jahrzehnte haltendes Gleichgewicht zwischen den Großmächten.
Insofern ist die nachnapoleonische Neuordnung Europas gelungen.
Der Weg dahin brauchte lange Monate. Ausgangspunkt war die Niederlage Napoleons und die damit notwendige Neuverteilung der franz. beherrschten Gebiete. Sofern nicht bereits im Pariser Frieden vom 30. Mai 1814 niedergelegt, sollte dies in Wien stattfinden. Die Alliierten (GB, Rußl., Österre. und Preußen) behielten sich vor, dies unter sich - ohne Frankreich - zu tun. Im Verlauf des Kongresses wurde deutlich, dass die 4 sich nicht einigen konnten (Polen, Sachsen), eine 5. Großmacht zur Lösung der Konflikte nötig wurde. Um die Jahreswende 14/15 roch es gar nach einem neuerlichen Waffengang. Damit kam Frankreich - als Verlierer - wieder ins Spiel und ein für alle Großmächte akzeptables Ergebnis konnte erzielt werden.
2. Unter was für Gesichtspunkten kann ich den Wiener Kongress mit dem Versailler Vertrag vergleichen??
Eine Möglichkeit wäre, wie man jeweils mit den Verlierernationen umgegangen war.
Ich bin kein Experte des Versailler Vertrages. Turgots Beitrag verstehe ich daher so, dass das Deutsche Reich von den Verhandlungen ausgeschlossen war, während Frankreich im April/Mai 1814 in der Person Talleyrands am Verhandlungstisch saß und einen sehr maßvollen 1. Friedensvertrag für Frankreich aushandeln konnte.
Für den Wiener Kongress galt dies nicht. Z.B. dem König von Sachsen - als Verlierer - wurden die Bedingungen zum Erhalt seines Königreiches diktiert.
Auch für Frankreich sollte es nach der Rückkehr Napoleons von Elba härter kommen. Auch hier erfolgte mehr oder minder ein Diktat, welches Talleyrand nicht akzeptierte. Allein der duc de Richelieu, sein Nachfolger und ein Vertrauter des Zaren, konnte marginale Erleichterungen erwirken.
Insgesamt halte ich aber für schwierig, den Wiener Kongress mit dem Versailler Vertrag vergleichen zu wollen. 1814/15 war mit Ausnahme von GB keiner der Vertreter der Großmächte an innenpolitische Zwänge wie öffentliche Meinung, Parlament oder die Notwendigkeit, wiedergewählt zu werden sondern an ihren Monarchen gebunden. Damit mussten nicht maximale Einzelforderungen im Vordergrund stehen.
Grüße
excideuil
[1]
Heinz Duchardt: Der Wiener Kongress: Die Neugestaltung Europas 1814/15, C.H. Beck, München, 2013, Seite 120