Für mich klingt es fast so, als hätte sich Ludwig damit abgefunden, dass die Flucht "sinnlos/zwecklos" war. Warum sonst hätte er es so offen zeigen und dann auch zugeben sollen? Ich hätte an seiner Stelle wohl versucht alle Anschuldigen zu verneinen. Es ging ja um sein Leben :-O
Vielleicht war es unter der königlichen Würde, sich wie ein Strauchdieb bei Nacht und Nebel aus dem Staub zu machen.
Im Grunde lief auf der Flucht alles schief, was schief laufen konnte. Die königliche Familie kam mit Verzögerungen aus Paris weg, unterwegs musste die Kutsche repariert werden, mangelnde Abstimmung bei den Einheiten der Husaren etc., die die Flucht bedecken sollte, führte dazu, dass der König allein mit Familie und Leibwächtern fuhr. Der Zeitverzug führte dazu, dass die Information der Flucht die Flüchtenden einholen konnte. In Varennes wurden ja nicht nur die Pässe kontrolliert, sondern der König wurde auch von einer großen Menge teilweise bewaffneter Bürger an der Weiterfahrt gehindert.
Sicherlich war der König auf Grund seiner Erziehung und Herkunft wohl nicht in der Lage, kaltschnäuzig seine Identität zu leugnen. Angesichts der Lage wohl auch kaum nützlich.
Wie schon ausgeführt, wurde Ludwig und seine Familie in das Haus von Sauce gebracht.
Erst später ritt eine Kompanie Husaren unter Mon. der Choiseul in die Stadt. Der Offizier macht Ludwig den Vorschlag "jetzt und auf der Stelle eine Flucht zu riskieren: Ludwig sollte mit dem Dauphin auf einem Pferd reiten, Antoinette und die übrigen sollten je ein eigenes Pferd erhalten; die Perde bekämen sie von der Truppe. Ludwig erwog den Plan für einen Augenblick. "Sie haben vierzig Mann", sagte er, "aber sieben- bis achthundert Männer befinden sich auf der Strasse. Wer garantiert mir, dass die Königin, meine Kinder oder meine Schwester in einem so ungleichen Kampf nicht von einer Kugel getroffen werden? Wenn ich allen wäre", fügte er hinzu, "würde ich Ihren Rat bereitwillig annehmen und mich durchschlagen." [1/ Seite 437-438]
"Ludwig hoffte noch immer, dass ihm General Boullé, sobald er von seiner Festsetzung erfuhr, mit ausreichenden Truppen aus Montmédy zu Hilfe kommen würde." [1/Seite 438]
Am nächsten Morgen kamen zwei Kuriere aus Paris, Bayon und Romeuf, die den König aufforderten, nach Paris zurückzukehren. Der König verhandelte mit ihnen.
Inzwischen war die bewaffnete Menge auf mehrere Tausend angewachsen. Dessen angesicht, sah der König ein, dass selbst Boullés Regiment - welches auch viel zu spät erschien - ihm nicht mehr helfen konnte und er entschloss sich zur Rückfahrt.[Vergl. 1/ Seiten 438-39]
Interessant ist, was Cronin zur gescheiterten Flucht sagt:
"Während der Rückreise hatte Ludwig reichlich Zeit, um über die missglückte Flucht nachzudenken. Choiseul hatte einen fatalen Fehler begangen, als er jene verzagte Mitteilung an die Truppenführer geben ließ; zum zweiten mal war ihm ein Choiseul in die Quere gekommen. Doch im Grunde war Choiseuls Versagen ein Fehler in der Struktur des alten Regimes. Der junge Mann verdankte sein Kommando seinem Wohlstand und seiner Herkunft, nicht seiner Erfahrung oder seinen Verdiensten. Bei Belastung war er darum wie schlechtgehärteter Stahl zerbrochen. Zum anderen war die Berline zu langsam, doch ein anderes Fahrzeug war für Ludwig nicht in Frage gekommen, da er Antoinette und die Kinder bei sich behalten wollte. Er war nicht nur König, sondern auch auch Familienvater und darum verwundbarer als etwa Fersen oder sein Bruder Monsieur, dessen Flucht nach Belgien geglückt war." [1/ Seiten 439-40]
Sorry, wenn es ein wenig ausführlicher ist, aber beim Spielstand von 0:2 musste ich mich ein wenig ablenken...
Grüße
excideuil
[1] Cronin, Vincent: “Ludwig XVI. und Marie-Antoinette”, Claasen, Hildesheim, 1993