Eine Kaiserin des UK ging nicht, davon hat man Victoria meines Wissens ja damals abgeraten da die Briten diesen Titel wohl als zu pompös und anmaßenden verstanden hätten, deshalb "nur" Kaiserin von Indien.
Vor allem hätte das Parlament das akzptiren müssen und es wäre natürlich geeignet gewesen den bisher ausgehandeten modos vivendi zwischen Parlament und Monarchie infrage zu stellen.
Die Bevölkerung dürfte da nichts dagegen gehabt haben, die akzeptierte ja auch den prätentiösen Titel "Empress of India".
Das mit den Balkanstaaten ist ja kein Problem da es dort ja bereits Könige gegeben hat, da waren halt die Osmannen dagegen, bis sie dann weg waren.
Es geht doch nicht darum, ob es da schonmal Könige gegeben hatte, sondern um den Rang der jeweiligen Monarchen und das jeweilige Prestige, dass sich damit verband, nicht nur für den Monarchen, sondern im Bezug auf das ganze Land.
Und da hatte der Titel eines Königs einmal massiv am Prestige verloren, wenn sich neuerdings bereits die Herrscher irgendwelcher deutschen Kleinstaaten oder von Balkankonstrukten die aus Perspektive der damals lebenden Menschen in West- und Mitteleuropa ungefähr den Charakter halbzivilisierter Entwicklungsländer hatten, "König" nennen durften.
Und auch wenn ich das selber komisch finde mit dem Königtum, und dem Gottesgnadentum (Ich bin nun der Chef weil Gott das so will), wenn das den Leuten dort gefällt... und wenn ich mir mal im Atlantik mein eigenes Land aufschütten sollte dann nenne ich mich natürlich (in annäherung zum ersten Chin-Herrscher) "Erster erhabener Gottkaiser", was natürlich das ist was man bei der gelegentlichen Frage nach den Pronomen nutzen sollte: "Seine erhabene kaiserliche und göttliche Majestät"
Jetzt geht einiges durcheinander.
Das mit dem "Gottesgnadentum", war ja außer in Russland in Europa spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts komplett tot.
In Großbritannien erst recht, da waren Könige spätstens seit dem Ende der Stuarts und seit Wilhelm von Oranien auf politische Spielregeln festgelegte Monarchen weitgehend von Gnaden des Parlaments.
Begründungen von Herrscherwürden und Funktionen in Ostasien, sind wiederrum ein völlig anderes Thema für sich, weil man sie nicht auf der Folie des Christentums betachten und daher kaum mit der Entwicklung in Europa vergleichen kann, oder sagem wir mal, jedenfalls nicht mit dem Christlichen Europa (Vergleiche mit der römischen oder griechischen Antike, könnten möglicherweise Sinn machen).
Abgesehen davon, dass das koloniale Indien auch Pakistan (und ich glaube auch Teile von Afghanistan umfasste), also wesentlich größer war, als der heutige Staat Indien, gab es dort bereits eine frühere "Kaisertradition", an die Viktoria mit den Titel einer Kaiserin von Indien, anknüpfen konnte: das Reich der Monguln. Was sicher eindrucksvoller zu inszenieren war, als wenn sie sich zum Beispiel zur Kaiserin von Australien erklärt hätte,
Es wäre in Australien oder Kanada schon deswegen schwierig geworden, weil die britische Politik in diesen Beiden Gebieten sukzessive daraus hinaus lief, dass Modell des "Responsible Gouvernment" dorthin zu übertragen und den lokalen Parlamenten relativ große politische Spielräume einzuräumen (Das war mehr oder weniger die Lehre aus dem Abfall der 13 Kolonien im 18. Jahrhundert), so dass auch hier, die Parlamente, so wie im UK selbst einen solchen Titel und eine Rangerhöhung hätten akzeptieren müssen.
Das wäre sehr schwierig geworden, weil es natürlich die Rolle der Krone gegenüber den Parlamenten infrage gestellt hätte.
Man hatte in der englischen Verfassungstradition (auch wenn es dazu kein geschriebenes Dokument gibt) über die Jahrhunderte hinweg, recht genau ausdefiniert, was die Rechte eines Königs gegenüber dem Parlament und im Lande waren.
Das wäre mit einem Kaisertitel aber möglicherweise hinfällig gewesen, denn König und Kaiser wären ja nicht unbedingt das Gleiche, zumal der Kaisertitel immer mit dem Anspruch von mehr Macht und größerer Würde verbunden war, so dass das neu ausgehandelt hätte werden müssen.
Das konnten die Inhaber parlamentarischer Macht aber nicht wollen.
Deswegen bot sich für einen Kaisertitel vor allem auch ein Gebiet an, auf dass die parlamentarischen Institutionen des Britischen "Mutterlandes" nicht übertragen worden waren, um diesen Konflikt zu umgehen.
Da Indien seit der Liquidierung der EIC britische Kronkolonie war, und in Indien auch formal eigenständige Fürsten an die britische Oberherrschaft gebunden waren, bot sich das für die Erfingung eines Kaisertitels quasi an.
Es standen keine Inhaber parlamentarischer Macht, die etwas gegen übermächtige Monarchen hatten, im Weg außerdem vergrößerte ein Kaisertitel, zumal wenn der in Indien selbst anerkannt wurde auch die Rangmäßige Distanz zwischen der britischen Monarchin als Oberherrin, gegenüber den formal eigenständigen Lokalherrschern in den indischen Fürstentümern .