Den Hinweis auf die Bedeutung des hebräischen Wortes habe ich vom Bibelserver, aber es ist besser die damals geltende Vulgata zu nehmen, weil sie in der Tat hier eindeutiger ist.
Die entscheidende Stelle heißt also: non induetur mulier
veste virili – Frauen sollen keine
Männerkleidung* tragen. An diesem Satz kommt niemand vorbei. Und in der Tat wurde dieser Satz von den Richtern/Gutachtern im Prozess gegen Jeanne d'Arc nicht nur zitiert, sondern hervorgehoben. Und es wurde auch Paulus 1.Korinther 7,17 zitiert, bei dem es heißt:
Doch soll jeder so leben, wie der Herr es ihm zugemessen, wie Gott einen jeden berufen hat. Dieser Satz vom Paulus wurde auch im Revisionsprozess zitiert, um die Rechtmäßigkeit der früheren Verurteilung zu belegen - da gab es also auch Verteidiger, die Jeanne bei ihren Prozessen nicht hatte.
Dass im Alten Testament Vieles steht, was von der Christen nicht befolgt wurde bzw. wird, steht dem nicht entgegen, denn die Kirche bediente sich aus dem Alten Testament nach Belieben. Und das nicht nur aus dem Alten, auch aus dem Neuen zog manchmal heraus, was gerade opportun erschien. Will sagen: Es gibt im Neuen Testament nicht nur die Bergpredigt.
Nachdem das geklärt ist, wenden wir uns den einzelnen Punkten zu:
Wann soll dieses Verbot denn formuliert worden sein und durch wen?
Das durfte jetzt klar sein: Durch das Alte Testament in der Vulgata-Version, die im Wesentlichen auf Hieronymus zurückgeht - lt. Wikipedia nach dem Jahr 393.
Es war nicht die Kirche die du uns mal wieder als monolithischen Block präsentierst, welche Jeanne d“Arc verurteilte, sondern ein von den Engländern bestelltes Gericht, kein faires Verfahren.
Es war nicht die Kirche? Natürlich war es die Kirche, denn hierbei handelte es sich um ein Inquisitionsprozess, geführt von einem Bischof. Es war also kirchlich geführt, d.h. es wurde untersucht, ob Jeanne d’Arc gegen kirchliche oder sonstige Normen verstoßen hat. Sie wurde für schuldig befunden, u.a. weil sie wiederholt Männerkleidung trug – Zitat aus dem Buch: “De l’hérétique à la sainte : Les procès de Jeanne d’Arc revisités” und dort aus dem Artikel von Vincent Tabbagh: “Les assesseurs du procès de condamnation de Jeanne d’Arc” (übersetzt durch deepl.com, Fettschreibung durch mich):
Der Prozess gegen Jeanne, der sowohl für die Regierung des englischen Frankreichs als auch für die Kirche von großer Bedeutung war, mobilisierte eine große Zahl von Geistlichen, Etablierten in Rouen und ehrgeizigen Intellektuellen, die sich von seinem außergewöhnlichen Charakter angezogen fühlten. Sie waren auf unterschiedliche Weise und in unterschiedlichem Ausmaß daran beteiligt. Um die beiden Richter und den Promotor der Sache herum, die auf umfassende Konsultationen bedacht waren, die bis in die Pariser Fakultäten für Theologie und Kirchenrecht reichten, waren 104 von den Quellen ernannte Priester als Beisitzer zu bezeichnen, unabhängig davon, ob sie an den Sitzungen des Prozesses teilnahmen oder eine schriftliche Stellungnahme einreichten. Von diesen nahmen 68 an den wichtigen Beratungen teil. Diese Beisitzer weisen ein sehr hohes Bildungsniveau auf: Neun von zehn hatten ein Universitätsstudium absolviert, und fast ein Drittel hatte den Doktorgrad erreicht, darunter gut 30 Theologen. Jeanne wurde von der kirchlichen Elite des englischen Frankreichs beurteilt, mit weltlichen Kanonikern, die die größte Gruppe bildeten, Bettelbrüdern aus den Klöstern von Rouen, den höchstgraduierten Äbten und Mönchen der normannischen Abteien und Anwälten an kirchlichen Gerichten. Zwischen ihnen treten Nuancen in der Analyse des Verhaltens der Angeklagten und der Haltung, die ihr gegenüber einzunehmen ist, zutage. Sie hielten sie nicht für eine Hexe, konnten aber das Tragen von Männerkleidung, die Auflehnung gegen die Kirche, den Kriegswillen und den Hass auf die Engländer nicht entschuldigen. Die meisten wollten ihren Tod nicht, aber da sie von einer Kultur der Konformität und Demut geprägt waren, konnten sie die Anmaßungen eines jungen Mädchens nicht tolerieren, das ihre Autorität im Namen einer Inspiration ablehnte, die ihrer Meinung nach nicht die der Heiligen sein konnte.
Also Crème de la Crème des Klerus Frankreichs der damaligen Zeit hat in diesem Prozess Stellung bezogen und konnte in der Mehrzahl das Verhalten Jeannes – siehe oben das Fettgeschriebene –
nicht entschuldigen. Warum und wieso ist zweitrangig – sie haben es getan und mit klugen Stellungnahmen auch begründet. Das war nichts nur so Hingeschmiertes, sondern hatte alles Hand und Fuß - natürlich nach damaligem Kenntnisstand und Verständnis.
Der Prozess gegen Jeanne war ein politischer Inquisitionsprozess. Das sieht man u.a. daran, dass das Inquisitionsgericht alle Zeugenaussagen annahm, also auch von Meineidigen, Kriminellen und Exkommunizierten, denen man Anonymität zusicherte. Und dass die Anklage konstruiert war und man daran arbeitete, sie auf jeden Fall verurteilen zu können, beweist im letzten Urteil die Feststellung des wiederholten Tragens der Männerkleidung, was ohne das Zutun des Kerkermeisters gar nicht möglich gewesen wäre: Man hat ihr Frauenkleider weggenommen und nur Männerkleidung gegeben.
Anfangs war der Prozess öffentlich, aber nachdem Jeanne unangreifbare Antworten lieferte, wurde er im Geheimen weitergeführt. Gleichwohl: Inquisitionsprozesse waren die Sache der Kirche und nur der Kirche. Es war dementsprechend auch die Kurie, die 24 Jahre nach dem Jeannes Tod einen Revisionsprozess anstrengte, in dem das Urteil aufgehoben und und Jeanne zur Märtyrerin erklärt wurde. Und dieser Revisionsprozess war genauso politisch motiviert, nur andersherum.
* Was damals als Männerkleidung angesehen wurde, weiß ich nicht. Aber der Hinweis in den Prozessunterlagen, Jeanne wollte damit ihre Jungfräulichkeit schützen, deutet auf Hosen hin. Ich kann mir sonst kein Kleidungsstück - außer einem Keuschheitsgürtel

- vorstellen. Im Übrigen wurde beim ersten Prozess ihre Jungfräulichkeit bestätigt.
PS:
Dass man (und vor allem frau), auch vor ca. 25 Jahren noch in Italien, Spanien, Portugal, Griechenland bestimmte Kleiderregeln beim Betreten einer Kirche einhalten musste - heute dürften Spaghettiträger kein Problem mehr darstellen, damals aber schon noch - steht ja völlig außer Frage.
Nein, auch heute ist es nicht anders. Ich war in diesem Sommer in Italien, u.a. auch in Venedig; es waren über 30 Grad und vor dem Eingang zu Markuskirche stand ein Mann und wies Frauen und Männer zurück, die mach seiner Meinung unzureichend bekleidet waren. Daneben stand auch ein entsprechendes Schild, auf den der Mann verwies.
Dass die Kirche es zu bestimmten Zeiten nicht gerne sah, dass Frauen insbesondere eng anliegende Hosen trugen, ist ja völlig logisch.
Wieso ist das für dich völlig logisch?