Römische Minen in der Germania Magna

Carolus

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ich bin heute zufällig auf einen Artikel aufmerksam geworden, in dem es um eine römische Silbermine in der Nähe von Bad Ems geht:


Es gibt auch einen nicht inhaltsgleichen Artikel auf Deutsch zu dem Thema (Pech beim Silber-Bergbau in Germanien? ), aber der oben verlinkte Artikel von National Geographic auf Englisch bietet anschaulichere Graphiken zum Abbau selber und auch die Lager bekannter Minen im Römischen Reich bzw. römisch kontrollierbren Territorium (wie auch hier). Die römischen Befunde und Funde passen auch zu einer Stelle in den Annalen von Tacitus:

Und Curtius Rufus ließ seine Legionäre auf dem Gebiet der Mattiaker nach Silber buddeln:

Tacitus: Annales (11,16-20), Kaiser Claudius und die Cherusker und Chauken (lateinisch, deutsch)

So untersagte denn auch Claudius neue Gewaltanwendung gegen die germanischen Provinzen und befahl sogar, die Besatzungstruppe hinter den Rhein zurückzuziehen. Schon war Corbulo daran, sein Lager auf dem feindlichen Boden aufzuschlagen, als ihm das Schreiben überbracht wurde. So viel Verdruss sich ihm bei der überraschenden Nachricht aufdrängte, - Furcht vor dem Kaiser, Verachtung von Seiten der Barbaren, Verhöhnung bei den Bundesgenossen, - ließ er doch nichts anderes verlauten als: "Wie glücklich waren doch die alten Heerführer Roms!" und gab das Zeichen zu Rückzug. Damit aber das Heer nicht von Müßiggang befallen würde, zog er zwischen Maas und Rhein einen Kanal von 23 Meilen, der es ermöglichte, den Unwägbarkeiten des Ozeans zu entgehen. Die Insignien des Triumphes jedoch gestattete ihm der Kaiser, wenn er ihm auch den Krieg verweigert hatte.

Nicht lange danach erlangte Curtius Rufus die selbe Ehre. Er hatte auf dem Gebiet der Mattiaker auf der Suche nach Silberadern Schächte ausheben lassen, die für kurze Zeit eine geringe Ausbeute lieferten. Aber die Legionen kostete es ihre Opfer und Anstrengungen, dass sie Wasserleitungen graben und unterirdisch Erdarbeiten verrichten mussten, die schon im Freien beschwerlich sind.

Ich hatte zwar schon vonr längerer Zeit einen Artikel zu den entdeckten Marschlagern gelesen, aber nicht die Bedeutung erkannt. Das war nicht nur ein Marschlager für eine oder zwei Nächte. Die Anlage der Mine dürfte schon einige Zeit gedauert haben. Man hatte nur das Pech, dass die bedeutenden Silvervorkommen knapp verfehlt wurden.

Hier noch der Wiki-Artikel zu dem Römerlager: Römisches Militärlager „Auf dem Ehrlich“ – Wikipedia

Dann gab es auch noch Bleiabbau im Sauerland, der ins Reich importiert wurde:



Auf die schnelle habe ich aber nicht verstanden, ob die Minen im Sauerland von Römern selber betrieben wurden (seien es nun Legionen oder zivile Bergwerksbetreiber) oder ob die Germanen das Blei gefördert haben und dann an die Römer weiterverkauft haben (die es dann zu Bleibarren gegossen haben).
 
Das Blei wurde von Germanen in kleineren Tiegeln zu Kleinbarren geschmolzen und von den Römern an der Lippe in größere Barren umgegossen, zumindest haben wir die berühmten römischen Bleibarren der noch berühmteren XIX. Legion aus Haltern:


Der von @Carolus oben vorgestellte ältere Artikel aus Achäologie online im Jahre 2009 ist nicht zuletzt wegen der anschaulichen Fotos lesenswert.
Er macht besonders die römisch-germanische Arbeitsteilung und die Handelsbeziehungen deutlich:

Eine gute Übersicht mit weiterführenden Literaturangaben gibt Reinhard Köhne:

Aber auch über die breite Streuung der Funde in dem archäologisch doch wenig erschlossenen Südwestfalen:

Lennestadt, das ist sehr weit im Süden Westfalens.

Lippe und Lahn: Die beiden Flüsse sind nicht nur als militärische Aufmarschwege essentiell wichtig und m.E. unterschätzt, sondern waren Teil eines montan-industriellen Konzeptes.

Das Bergbauamt in Bochum und die montanarchäologisch interessierte und versierte Außenstelle des LWL mit Dr. Manuel Zeiler haben in den letzten Jahren viele Funde der Öffentlichkeit vorgestellt.
 
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Ich denke, dass das römische wirtschaftliche Interesse auch die südliche Weser, Werra und Diemel betraf, aufgrund der dichteren Besiedelung und der vorhandenen Verkehrsachsen, und vor allem wegen der nutzbaren Wasserwege.
 
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Ich denke, dass das römische wirtschaftliche Interesse auch die südliche Weser, Werra und Diemel betraf, aufgrund der dichteren Besiedelung und der vorhandenen Verkehrsachsen, und vor allem wegen der nutzbaren Wasserwege.

Das setzt allerdings voraus, dass es aus römischer Sicht dort etwas gibt, wofür sich der Aufwand auch lohnt.
 
Ich dachte auch an die Warburger Börde, die landwirtschaftlich hervorragend nutzbare Böden hat.
Über Buntmetalle oder sonstige Bodenschätze in der erweiterten Region weiß ich dort wenig, Salzgewinnung war dort natürlich auch ein Wirtschaftsfaktor.
 
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Ich dachte auch an die Warburger Börde, die landwirtschaftlich hervorragend nutzbare Böden hat.
Über Buntmetalle oder sonstige Bodenschätze inder erweiterten Region weiß ich dort wenig, Salzgewinnung ist natürlich auch wichtig.

Gerade im germanischen Barbaricum mit seinen nicht immer freundlich gesonnenen Einheimischen muß auch etwas vorhanden sein, was nicht einfacher innerhalb der Reichsgrenzen erlangt werden kann. Das ist bei Bodenschätzen wie Silber oder Blei ein anderes Kosten-Nutzen-Denken als bei landwirtschaftlicher Fläche, zumal auch in Niedergermanien (grob der Bereich zwischen Aachen und Köln) eine landwirtschaftlich ertragreiche Gegend ist (irgendwie hat die auch einen bestimmten Namen, der mir gerade nicht einfällt).
 
Gerade im germanischen Barbaricum mit seinen nicht immer freundlich gesonnenen Einheimischen muß auch etwas vorhanden sein, was nicht einfacher innerhalb der Reichsgrenzen erlangt werden kann. Das ist bei Bodenschätzen wie Silber oder Blei ein anderes Kosten-Nutzen-Denken als bei landwirtschaftlicher Fläche, zumal auch in Niedergermanien (grob der Bereich zwischen Aachen und Köln) eine landwirtschaftlich ertragreiche Gegend ist (irgendwie hat die auch einen bestimmten Namen, der mir gerade nicht einfällt).
Meinst du Ville? Jülich-Zülpicher Börde?
 
@Carolus: Ich glaube, da hast Du einen wichtigen Punkt angesprochen: Da wo die Römer in Germanien wirtschaftlich erfolgreich waren, setzten sie suf Kooperation mit den Einheimischen. Der Einsatz von Sklaven, wie in den spanischen Bergwerken, war hier nicht möglich.
 
Meinst du Ville? Jülich-Zülpicher Börde?

:) genau die, das war in der Antike schon eine der Kornkammern. Jülich (Juliacum) und Zülpich (Tolbiacum) sind ja auch schon in der Römerzeit entstanden.

@Carolus: Ich glaube, da hast Du einen wichtigen Punkt angesprochen: Da wo die Römer in Germanien wirtschaftlich erfolgreich waren, setzten sie suf Kooperation mit den Einheimischen. Der Einsatz von Sklaven, wie in den spanischen Bergwerken, war hier nicht möglich.

Nach 9 n. Chr. fallen mir jetzt nur die Blei- bzw. Silberminen als römische Unternehmen tief im Barbaricum ein. Die Silberminen wurden dem Tacitustext durch römische Legionäre ausgebeutet (die dagegen protestiert haben). Eine Beteiligung von Germanen ergibt sich danach nicht. Die Silbermine war auch nicht ertragreich, so dass sie wohl nicht lange bestanden haben dürfte.

Der Bleibabbau ist wohl ganz anders gelaufen. Ich weiß nicht, ob die Bleiminen archäologisch untersucht wurden und man feststellen kann, ob sie in römischer Technik angelegt wurden. Das würde für eine Art römisch-germanisches Joint-Venture sprechen (römisches Know-how und Ingenieure + germanisches Arbeitskräfte). Vielleicht waren es nur die Germanen selber, die das Blei abbauten, dann den Römern verkauften.
 
Im Lahn-Dill-Gebiet wurde seit mindestens 2500 Jahren Eisenerz gewonnen.
Anfangs vor allem durch Aufsammeln von Oberflächenmaterial und Verarbeitung in Rennöfen und Waldschmieden.
(Waldschmidt ist heute noch ein häufiger Name in der Gegend um Dillenburg).
In Mittelalter und Neuzeit lohnte sich das Kleingewerbe kaum noch, statt dessen entstanden zahlreiche Gruben um Wetzlar und im Schelder Wald. Die ganze Gegend war geprägt durch Eisengewinnung- und Verarbeitung.

Von Wetzlar bis zum Römerkastell Butzbach sind es gerade mal 20 km.
 
Du hast ja römische Verhüttung in Wetzlar-Dalheim, Du hast Waldgirmes, Dorlar, und die schiffbare Lahn.

Dieser Artikel berücksichtigt dabei noch nicht die römischen Funde von Wetzlar-Dalheim, die auch noch aus der 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts vorliegen:

Die blinddarmartige Aussackung des späteren Wetteraulimes nach Nordosten war ja nicht defensiv, sondern offensiv:
Sowohl militärisch als Aufmarschgebiet (auch mit großen Horrea), mit sicheren Wegen in das freie Germanien, als auch wirtschaftlich zur Nutzung der nahen Bodenschätze, als auch der Handelsverbindungen in das freie Germanien, und dies auch nach der Niederlage des Germanicus.

Im Lahn-Dill-Gebiet wurde seit mindestens 2500 Jahren Eisenerz gewonnen.
Anfangs vor allem durch Aufsammeln von Oberflächenmaterial und Verarbeitung in Rennöfen und Waldschmieden.
(Waldschmidt ist heute noch ein häufiger Name in der Gegend um Dillenburg).
In Mittelalter und Neuzeit lohnte sich das Kleingewerbe kaum noch, statt dessen entstanden zahlreiche Gruben um Wetzlar und im Schelder Wald. Die ganze Gegend war geprägt durch Eisengewinnung- und Verarbeitung.

Von Wetzlar bis zum Römerkastell Butzbach sind es gerade mal 20 km.
Dort war es nicht nur eine örtliche Gewinnung von Eisenerz, sondern das Zentrum einer größeren Wirtschaftsregion, mit einer überregionalen Vermarktung seiner Bodenschätze. Das angrenzende Siegerland z.B. war kulturell und wirtschaftlich nicht eigenständig, sondern spätlatènezeitlich nach Süden ausgerichtet.
 
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Die Funde in Bad Ems bestätigen meiner Ansicht nach die schon ältere These, dass die Provinzalisierung in Süd-und Mittelhessen wesentlich anders verlaufen ist als im Norden der Germania. Dazu passt auch der Betrieb der Bad Nauheimer Saline im 1.Jahrhundert nach Christus, deren Salinenbecken nach Dentrodaten 43 v.Chr., 6 v.Chr. und bis zum jüngsten Quellbecken von 87 n.Chr. erneuert wurden."Die Latènezeitliche Saline von Bad Nauheim", Befunde der Grabungen von 2001 - 2004 Sonderband der Hessenarchäologie 2016"
Die Wetterau wurde ohne Bevölkerungsabbruch von der Spätlatènezeit bis in die frühe Kaiserzeit bewirtschaftet und besiedelt. Pardela_cenicienta hat vor kurzem ältere Beiträge von mir zu diesem Thema zitiert. Die Vermutung von Armin Becker (Grabungsleiter von Waldgirmes) in "Über die Alpen und über den Rhein..." Beiträge zu den Anfängen und zum Verlauf der römischen Expansion nach Mitteleuropa Hrsg. v. Lehmann, Gustav Adolf / Wiegels, Rainer, 2015, de Gruyter), war, dass sich die römische Besatzungsmacht in Südhessen auf eine einheimische Bevölkerung stützen konnte, die ihr nicht feindlich gesinnt war. Dafür sprechen auch rein zivile Ansiedlungen wie Waldgirmes, Wiesbaden und möglicherweise Bad Nauheim. https://rep.adw-goe.de/bitstream/ha...in Gebietes_Becker.pdf?sequence=1&isAllowed=y

Mit den Mattiakern, die Tacitus mit römischen Bundesgenossen, den Batavern, vergleicht (Germania 29), ist ein freundlich gesinnter Stamm ("mit Herz und Sinn für uns", Tacitus), benannt.

Zum Silberbergbau: in Braubach am Rhein bestand eine durchgehende Besiedlung vom 5. bis Mitte 1. Jahrhundert v.Chr. Es gibt einige Hinweise, dass in Braubach, an den gleichen unterdevonischen Quarzitschichten gelegen wie Bad Ems, Erzabbau betrieben wurde.
Gehalte an Eisenspat — zusammen mit Bleiglanz und Zinkblende -Pyrit und Kupferkies waren in den Erzgängen bis in 1000 m Tiefe anstehend.
Rätselhaft ist der Abbau von Blei: in zwei Siedlungen wurden Erz- und Schlackenreste von Blei, Kupfer und Eisen geborgen. Die Bleierze enthielten 62,6% Blei und 59,2 g Silber/100 kg, die Kupfererze 5,1 % Kupfer und 12,4 g Silber/100 kg, die Bleischlacken 23,9% Eisen und 34,8% Blei (H.E.Joachim, Braubach und seine Umgebung in der Bronze- und Eisenzeit, 1977). In mehreren Gräbern wurden große Mengen kleingeschlagene Erzstücke als Grabbeigaben gefunden (bis 40 kg).

Da in der Latènezeit in der Keltike kein Gebrauch von Blei für Geräte, Schmuck oder dergl. nachgewiesen ist, und Silber erst ab dem 3.Jahrhundert BC eine größere Rolle in der Münzprägung zu spielen begann, vermutet H.E.Joachim, dass das Rohblei für das Reinigen von Gold im Kuppelierverfahren genutzt wurde: Goldstaub oder -granulat wird mit Salz, Kleie, Blei und etwas Zinn gemischt und erhitzt. Nach der Abkühlung des Ganzen blieb das gereinigte Gold zurück, während die Verunreinigungen - wohl im wesentlichen als Silber- bzw. Kupferoxyd - von der porösen Tiegelwand aufgenommen wurden. Mit einem Feingehalt von bis zu 90 % war das frühlatènezeitliche Gold, das in der Mittelrheinzone verarbeitet wurde, ausgesprochen hochwertig.

Die römische Prospektion bei Bad Ems konnte auf das Wissen einer mehrhundertjährigen lokalen Erzverarbeitung zurückgreifen.
 
Der Wohlstand und die Macht, die sich in den riesigen latènezeitlichen Wallanlagen links des Rheins zeigte, war begründet in einer überregional bedeutenden Eisenerzproduktion. Und diese breitete sich im Rheinischen Schiefergebirge von Süden und Westen nach Nordosten aus, die Zentren der Macht blieben aber eher südlich.

Meine Auffassung ist, dass Herrschaft und Produktion nicht am selben Ort waren.
Bei Glauberg, Dünsberg, Donnersberg stelle ich mir die Frage: Was machte die Bedeutung dieses Ortes aus, warum gerade hier? Was wurde hier gehandelt? Bis wohin reichte der Einfluss- und Herrschaftsbereich?
 
Der Wohlstand und die Macht, die sich in den riesigen latènezeitlichen Wallanlagen links des Rheins zeigte, war begründet in einer überregional bedeutenden Eisenerzproduktion. Und diese breitete sich im Rheinischen Schiefergebirge von Süden und Westen nach Nordosten aus, die Zentren der Macht blieben aber eher südlich.

Meine Auffassung ist, dass Herrschaft und Produktion nicht am selben Ort waren.
Bei Glauberg, Dünsberg, Donnersberg stelle ich mir die Frage: Was machte die Bedeutung dieses Ortes aus, warum gerade hier? Was wurde hier gehandelt? Bis wohin reichte der Einfluss- und Herrschaftsbereich?
Da dies ein Thema für den Kelten-Ordner ist, halte ich mich kurz: bezogen auf Braubach lassen sich zwei kulturelle Einflüsse erkennen:
die Hunsrück-Eifel-Kultur (HEK), und ein "Südbezug" nach Rheinhessen und ins Rhein-Maingebiet. Der letztere Einfluss prägt sich besonders ab dem 3.Jahrhundert BC aus. Auch Joachim stellt sich die Frage der politischen Zugehörigkeit (Treverer oder Ubier), lässt dies aufgrund fehlender schriftlicher Quellen jedoch offen. ich habe leider keine neueren Forschungen auf die Schnelle gefunden, habe jedoch schon jüngere Texte zu Braubach gelesen. Der Abbruch der Besiedlung in Braubach wurde 1977 (Braubach und seine Umgebung in der Bronze- und Eisenzeit. Die Stempelverzierte Latene Keramik aus den Gräben von Braubach, Rheinland-Verlag) mit der Mitte des 1.Jahrhunderts BC (Ende Latène D1) konstatiert. Die damaligen Forscher betonen immer wieder den Reichtum und auch in Phasen die künstlerische Eingenständigkeit der Braubacher Funde (dies bezieht sich jedoch nicht auf die frühlatènezeitlichen sogenannten Braubacher Schalen, die kein Alleinstellungsmerkmal Braubachs waren).
Braubach, etwas südlich der Lahnmündung in den Rhein gelegen, lag günstig an Wasserwegen. In Oberlahnstein (wenige Kilometer nördlich an der Lahnmündung) wurden Reste von Bronzewerkstätten gefunden - möglicherweise war die Region eine prosperierende Montanregion, die Handel und Weiterverarbeitung der Erze ( von Eisen, Kupfer, Silber und Blei) betrieb.
 
Ergänzung zum Thema Römische Minen in der Germania Magna, beziehungsweise dem Handel und Verarbeitung von Ressourcen aus der Germania Magna:
Ebenfalls an der Lahn, an der Mündung der Dill in diese, liegt der Fundplatz Wetzlar- Dalheim. Andreas Schäfer beschreibt im Artikel
"Zwischen Dünsberg und Waldgirmes: Wirtschaftsarchäologische Untersuchungen an der mittleren Lahn" (2008/2009) die Geschichte der Erforschung dieses besonderen Verhüttungsplatzes von 1999 bis 2008/2009. "Zwischen" Dünsberg und Waldgirmes. Wirtschaftsarchäologische Untersuchungen an der mittleren Lahn

An diesem Platz wurden spätlatènezeitliche Siedlungsspuren und ein frühkaiserzeitlicher Verhüttungsplatz gefunden, Hinweise auf eine Metallwerkstatt, die z.B. Fibeln produzierte, und zahlreiche Funde, die in die zweite Hälfte des 1.Jahrhunderts nach Chr. verweisen, z.B. Fibel Almgren 20 (chronologischer Schwerpunkt 40 bis 60 AD), galloromanische belgische Keramikware und südgallische Keramik von La Graufesenque (60 bis 80er Jahre 1.Jhdt AD).

Ich springe gleich zu einem Zitat aus der Zusammenfassung Seite 86: "Welche Rolle „Rom“ im kulturellen Beziehungsgeflecht der Region gespielt hat, gilt es an diesem Fundplatz in besonderem Maße im Auge zu behalten (vgl. Abb. 20). Es erscheint verlockend, die recht hohe Anzahl von Sigilla-
ten und anderen Importfunden zusammen mit der Fibel Almgren 20 als Hinweis auf eine zumindest zeitweilige Präsenz römischen Militärs zu werten, doch vermag das Fundmaterial derzeit eine so weitgehende Interpretation nicht zu tragen. So fehlen etwa auch Münzen im Fundbestand. Südgallische Sigillata des 1. Jh. n. Chr. fand sich in Wetzlar-Dalheim allerdings erstmals für den hessischen Raum in einem nichtrömischen und nicht militärischen Kontext. Bemerkenswert bleibt darüber hinaus, dass sich eine (längere) Unterbrechung in den Beziehungen zum römischen Reich nach der Clades Variana am Fundplatz Wetzlar-Dalheim nicht abzuzeichnen scheint. Die reichen Ressourcen der nördlichen Lahnmulde haben ihre Anziehungskraft offenbar nicht verloren."


Haben die Bundesgenossen Mattiacer im Auftrag "Roms" Eisen verhüttet? Oder waren die Römer selbst vor Ort? Der Limes erfasste Wetzlar-Dalheim nie, daher kann die Bewirtschaftung nicht unmittelbar als Folge der Chattenkriege 83 und 85 n.Chr. betrachtet werden.

Unten der Fundplatz Unterbodenfeld, die schwarzen runde Kreise mit weißer Füllung zeigen die 13 Rennöfen, die in frühkaiserzeitlicher Zeit betrieben wurden, mittig in der quadratischen Werkgrube.
Screenshot 2025-08-04 at 23-20-26 Verhuettung_Artikel_Schaefer_klein.pdf.png
 
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Haben die Bundesgenossen Mattiacer im Auftrag "Roms" Eisen verhüttet? Oder waren die Römer selbst vor Ort? Der Limes erfasste Wetzlar-Dalheim nie, daher kann die Bewirtschaftung nicht unmittelbar als Folge der Chattenkriege 83 und 85 n.Chr. betrachtet werden.

Ich habe es in einem anderen Faden schon mal geschrieben: Ich finde es ganz erstaunlich, dass die Römer sich bei der Eroberung der Wetterau aus dem Lahntal fernhielten. Sie hatten Waldgirmes schon einmal besiedelt, es wäre naheliegend gewesen, den Platz wieder in Besitz zu nehmen.
Oder Dorlar gleich nebenan, wo es auch schon ein Lager gegeben hatte. Sie blieben aber etwas über 10km südlich der Lahn.
Gleichzeitig lief es in Dahlheim weiter wie gehabt.
Das spricht zumindest gegen die lange verbreitete Annahme, die Römer hätten Waldgirmes und andere rechtsrheinische Siedlungen in panischer Flucht nach dem Jahre 9 aufgegeben.

Möglicherweise wurde die Civitas Taunensis damals überhaupt nicht aufgegeben, sondern nur der Vorposten Waldgirmes, und Friedberg, Rödgen und Bad Nauheim wurden gehalten. Die "Mattiacer"(?) kontrollierten die Lahn, die Römer Butzbach und Arnsburg mit Friedberg und Echzell im Hinterland. Dass auch die Lahn nicht mehr als Aufmarsch- und Handelsweg genutzt wurde, kann eigentlich nur durch bestehende Verträge mit den Einheimischen erklärt werden.
 
Noch eine Ergänzung zu den Ressourcen, mit denen gehandelt oder die "abgebaut" wurden: eine wichtige Ressource, der "wir" weniger Aufmerksamkeit widmen, ist Holz. Die Nutzung der Eichen-und Buchenwälder z.B. des Spessart außerhalb des Limes ist bekannt, als Bauholz oder Brennholz bzw. zur Herstellung von Holzkohle.
Weitere auf dem Main transportierte Schwerlasten waren Buntsandstein und Lehmziegel.

Die meisten hier aufgeführten Belege und Funde stammen aus dem 2. und 3.Jahrhundert nach Christus. Es ist naheliegend, dass das römische Heer auch im 1.Jahrhundert AD die Wälder der Mittelgebirge genutzt hat, um Bau-und Brennholz a zu gewinnen.
 
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Vielleicht brauchte man gar keinen Ausbau der Handelsverbindung über die Lahn?
Mit den Einheimischen an der mittleren Lahn lief es ruhig. Der Ausbau der Kastelle am Wetteraulimes erfolgte ja später, in der Zeit Domitians, und z.B. im Kastell Arnsburg sind große Horrea vorhanden.
Ein militärischer Aufmarsch war aus der viel besseren Infrastruktur der Wetterau jetzt jederzeit möglich.

Es ist vielleicht das - erfolgreich! - geänderte Konzept, unter Tiberius und seinen Nachfolgern: Es wurde nicht mehr die Provinzalisierung angestrebt, sondern lediglich Handel und Kontrolle.
 
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