Ist der Frieden im 21.Jahrhundert eine Utopie?
Die Fragestellung betrifft eine zentrale Kategorie des Zusammenlebens von Menschen in Gruppen und im Rahmen von Staaten. Und bereits Kant (vgl. Link oben) hat dieses Problem thematisiert (vgl. z.B. Stadler oder Joas zur Ideengeschichte)
Zum historischen Stellenwert von Krieg in der Geschichte hat Schöllgen die Genese nachgezeichnet und ten Brink hat die Erklärung von Staatenkonflikten systematisch in die jeweiligen theoretischen Erklärungsansätze eingeordnet.
Relevant für das Thema ist jedoch zu verstehen, dass es eine Vielzahl von unterschiedlichen Typen von Kriegen gibt (vgl. die Beiträge zu den unterschiedlichen Typen von Kriegen in Jäger u.a.), die auf unterschiedliche Kriegsursachen zurück zu führen sind. (vgl. Links zur Kriegsursachenforschung)
https://www.bmz.de/de/themen/krisenpraevention/index.html
https://www.wiso.uni-hamburg.de/fachbereich-sowi/professuren/jakobeit/forschung/akuf.html
Generell kann man feststellen, dass die meisten Kriege im Ergebnis lediglich temporäre Positionsvorteile erbrachten, die selten länger als eine Generation von Bestand waren. Da Kriege in der Regel durch eine Kombination von ideologischen Motiven, wirtschaftlichen Interessen oder geostrategischen Überlegungen zu erklären sind heist das aber auch, dass die temporären Positionsgewinne keine langfristige Nachhaltigkeit entfalten konnten.
Und damit stehen sie in der Bewertung kooperativen Formen der Konfliktlösung bzw. Zielerreichung gegenüber, die aufgrund des Konsens einen hohen Grad an Zustimmung erreichen und damit Widerstände minimieren. Das sichert die Langfristigkeit von Abkommen die auf der Basis des Völkerrechts geschlossen worden sind (vgl. Hobe & Kimminich)
Und das verweist auf die historische Entwicklung, die ihren Ausgangspunkt zu Beginn des 19. Jahrhundert nahm, und auf die Möglichkeit zur kollektiven Konfliklösung verweist (vgl. Mazower). Den ersten Ausdruck fand das Bestreben, den Krieg zu Ächten bzw. Einzuhegen im "Völkerbund". Nach dem WW2 wurde diese Idee erneut aufgegriffen in der UNO.
Dass diese multinationalen Institutionen der kollektiven Sicherheit ihrer Aufgabe nicht gerecht werden konnten und zwischenstaatliche Kriege oder Bürgerkriege nicht verhindern oder begrenzen konnten liegt - in der Regel - an der Dominanz nationalstaatlicher Egoismen. Nicht zuletzt, da einzelne Personen oder Gruppen durchaus einen hohen Anreiz haben, die Ressourcen eines Staates zu ihrem Vorteil zu nutzen und sich zu bereichern. Nicht selten sind die "wahren Interessen" der Bevölkerung eines Nationalstaates absolut nicht deckungsgleich mit den Interessen der jeweils herrschenden Clique.
Und es ist wahrscheinlich, dass mit einer Zuspitzung globaler ökologischer Probleme, Wasserknappheit etc., Verteilungskämpfe zwischen Staaten und auch innerhalb von Staaten - man denke an Klopapier - zunehmen werden.
Und vor diesem Hintergrund ist es notwendig, den egoistischen Dummköpfen dieser Welt deutlich zu machen, dass nur eine kollektive zivile Sicherheitspolitik, die Inklusion betreibt, den Frieden zwischen Staaten und den Frieden innerhalb eines Staates sicher stellen kann. Nur durch Reden und Verhandeln kann man "Frieden" herstellen. Durch Kriege und Gewalt ist bisher nur "Friedhofsruhe" hergestellt worden.
Und deswegen ist "Frieden" eine positive Utopie, die wie "Demokratie" hart von allen Staatsbürgern erstritten und verteidigt werden muss. Und dazu sollte man in Kategorien der zivilen Sicherheitspolitik denken lernen und nicht in antiquierten Kategorien von Militäreinsatz (vgl. z.B. Becker u.a.)
Becker, Ralf; Stefan Maaß, Stefan; Schneider-Harpprecht, Christoph (Hg.) (2018): Sicherheit neu denken - Von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik. Karlsruhe: Evangelische Landeskirche in Baden.
Brink, Tobias ten (2008): Staatenkonflikte. Zur Analyse von Geopolitik und Imperialismus - ein Überblick. Stuttgart: Lucius & Lucius
Hobe, Stephan; Kimminich, Otto (2004): Einführung in das Völkerrecht. 8. Aufl. Stuttgart: UTB.
Jäger, Thomas; Beckmann, Rasmus (Hg.) (2011): Handbuch Kriegstheorien. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Joas, Hans (2000): Kriege und Werte. Studien zur Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts. Weilerwist: Velbrück Wissenschaft.
Mazower, Mark (2012): Governing the world. The rise and fall of an idea. London: Allen Lane.
Schöllgen, Gregor (2017): Krieg. Hundert Jahre Weltgeschichte. 1. Auflage. München: Deutsche Verlags-Anstalt.
Stadler, Christian (2009): Krieg. Wien: UTB
Steinweg, Reiner (Hg.) (1990): Lehren aus der Geschichte? Historische Friedensforschung. Frankfurt am Main: Suhrkamp