Dieter:
Wie du gehe ich von einer ursprünglichen Hunnischen Leitkultur aus, die du als ethnischen Traditionskern bezeichnest. Aus diesen Anfängen entwickelte sich dann im Laufe der Zeit und der Erfolge eine Konföderation in der diese Leitkultur sich in Europa dann teilweise germanisierte.
Diese hunnische Leitkultur war auch meiner Ansicht nach eine reiternomadische die zum allgemeinen Kreis des zentralasiatischen Kultursyndroms gehörte.
Warum aber immer der Versuch, die Hunnen über die mehr als spärlichen Sprachreste einzuordnen? Wir haben doch eine Reihe archäologische Funde und können von diesen aus sehr viel besser schlußfolgern, wo die ursprüngliche Hunnische Leitkultur entstand und welchem Kulturkreis sie zugehörig war.
Wie du dem Thread entnehmen kannst, ist die Identität einer hunnischen Sprache angesichts des Fehlens schriftlicher Zeugnisse ungeklärt.
Genau aus dem Grund sollte man sich mal von der Frage der Sprache lösen und sich den gefundenen materiellen Kulturgütern zuwenden.
Da es sich um ein aus Asien stammendes Reitervolk handelt, sind alle Varianten - türkisch, mongolisch, tungusisch, ugrisch, finnisch usw. - möglich. Favoriten bei entsprechenden Hypothesen sind türkische oder mongolische Idiome.
Eben nicht. Wenn man sich die Funde ansieht, was an materiellen Gütern vorhanden ist, dann kann man sowohl Tungusen, wie auch Finnen, wie auch Protomongolen ausschließen. Und auch zu den Hunnen in Ostasien besteht kulturell gerade eben kein Zusammenhang.
Das schließt in Bezug auf die Sprache natürlich trotzdem nicht aus, dass das Hunnische zu einer der genannten Sprachfamilien gehörte, da materielle Kultur und Sprache ja weit auseinander klaffen können, aber wahrscheinlich ist dies nicht. Aufgrund der materiellen Kultur ist eine tungusische oder mongolische Sprache ebenso wenig wahrscheinlich wie eine türkische. Die Kulturen der Völker in dieser Zeit die zu den genannten Sprachgruppen gehörten unterscheiden sich einfach zu deutlich von der hunnischen Kultur in Europa und zwar sehr deutlich.
Am wahrscheinlichsten ist daher eine Ugrische (also Uralische) Abstammung oder eine Paläo-Sibirische. Nicht aufgrund der Sprachreste, sondern aufgrund der materiellen Kultur.
Für wahrscheinlich halte ich es auch, dass in der rasant expandierenden hunnischen Konföderation dann auch Proto-Türkische Stämme eingegliedert wurden. Der ursprüngliche hunnische Kern ist aber meiner Ansicht nach aufgrund der archäologischen Funde eben nicht Proto-Türkisch.
Die archäologischen Überreste der Hunnen zeigen eine reiter- und hirtennomadische Herkunft - und die kann sogar indoeuropäisch-sarmatischer Identität sein.
Etliche Besonderheiten der archäologisch dokumentierten Kulturgüter zeigen klar auf, dass die Hunnische Leitkultur nicht indoeuropäisch-sarmatisch war. Diese Aussage bezieht sich aber jetzt mal nur auf die materielle Kultur. Rein Sprachlich kann dies natürlich auch wieder anders gewesen sein. Aber von der materiellen Kultur her gibt es einfach keinen Zusammenhang mit den Sarmaten, Skythen oder andern Indoeuropäischen Reitervölkern.
Ich gehe außerdem davon aus, dass die historischen Quellen die das Aussehen und die Lebensweise der Hunnen beschreiben nicht reine Phantasie sind, und auch das weißt auf eine asiatische, und dann am wahrscheinlichesten Südsibirische Abstammung hin.
Ob eine Verwandtschaft zwischen den Xiongnu (Hsiung-nu) und den europäischen Hunnen besteht, ist nach wie vor umstritten.
Meines Wissens nach ist das nicht mehr umstritten. Eine solche Verwandschaft bestand nicht. Nicht aufgrund des Zeitabstandes sondern aufgrund der Kultur. Die Xiongnu waren noch nicht mal richtige Nomaden bzw ein echtes Reitervolk.
Woher willst du das wissen? Von den Hunnen ist wenig überliefert, was eine starke Identität und Religiosität nicht ausschließt -
Wir haben die archäologischen Funde. Und wir wissen, dass alle Völker im Kreis des zentralasiatischen Kultursyndroms keine solche starke Eigenidentät bzw ethnische Definition von sich selbst hatten. Gerade deshalb konnten sie immer so rasch expandieren und dabei so viele andere Völker in die jeweiligen Konföderationen integrieren.
Die mangelnde ethnische Identiät ist gerade phänotypisch für alle diese zentralasiatischen Reitervölker. Was aber eben im Gegenzug nicht ausschließt, dass der Hunnische Kern, die Leitkultur anfangs eine solche Identität de facto hatte, auch wenn sie von den ursprünglichen Hunnen selbst so nicht wahrgenommen wurde.
Ja sogar schon das Wort Hun selbst zeigt klar auf, dass keine starke Eigen-Identität vorhanden war, weil es von sehr vielen verschiedenen Völkern mit sehr verschiedenen Sprachen und Kulturen als Eigenbezeichnung verwendet wurde.