"Damme als der mutmaßliche Schauplatz der Varusschlacht" von Dr. Franz Böcker im Jahr 1887

MoorForscher

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Hallo Mitglieder des Geschichtsforums,

ich wende mich an euch, um eine Frage bezüglich eines historischen Werkes zu stellen, das in meinen Recherchen aufgefallen ist, jedoch bisher in diesem Forum keine Erwähnung gefunden hat. Das Buch, auf das ich mich beziehe, trägt den Titel "Damme als der mutmaßliche Schauplatz der Varusschlacht" und wurde 1887 von Dr. Franz Böcker veröffentlicht.

Die Hypothese, dass Damme der Schauplatz dieser bedeutenden Schlacht gewesen sein könnte, machen das Werk zumindest auf den ersten Blick zu einem interessanten Buch.

Ich komme aus Hunteburg, wo das Thema Varusschlacht sehr präsent ist. Die Nähe zum vermeintlichen Schauplatz hat mein Interesse an diesem Thema geweckt. Deshalb habe ich das Thread "Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft" gelesen. Dabei fiel mir auf, dass ich keine Erwähnung von Dr. Franz Böcker und seinem Buch aus 1887 finden konnte. Die Suchfunktion des Forums ergab ebenfalls keine Ergebnisse.

Das Buch ist in altdeutscher Schrift verfasst, und obwohl ich es versucht habe zu lesen, fällt es mir schwer, die Schrift zu entziffern, sodass ich es nicht vollständig durcharbeiten konnte. Der Inhalt ist mir deswegen nicht vollständig bekannt.

Mein Anliegen ist zu verstehen, warum dieses Buch in der Diskussion über die Varusschlacht/ Pontes Longi möglicherweise als unbedeutend betrachtet wird. Gibt es Gründe, die dazu geführt haben, dass dieses Werk in der Forschungsgemeinschaft keine Beachtung gefunden hat?

Dr. Franz Böcker kam schließlich als einer der Ersten dazu, die Varusschlacht in dieser Region zu vermuten und sprach auch von Kalkriese, Barenau und dem Großen Moor.

Damme als der mutmaßliche Schauplatz der Varusschlacht sowie der Kämpfe bei den "Pontes longi" im Jahre 15 und der Römer mit den Germanen am Angrivarierwalle im Jahre 16 / von Franz Böcker
 
Ich habe das nur überflogen: Im Wesentlichen bezieht sich Böcker großzügig auf Mommsen und tut so, als ob die römische Münzfunde, die von der Familie von Bar im Laufe der Zeit gesammelt wurden, auch aus der Umgebung von Damme stammen könnten (Entfernung Kalkriese-Damme 15 km Luftlinie), denn auch dort gibt es Berge und gleich daneben Moore wie in Kalkriese. Auch gibt es dort Reste von Bohlenwegen, etc.

Damme ist auch nur 1 von den möglichen Orten für die Varusschlacht bzw. die von Ponti-Longi – zu Böckers Zeit gab es wohl 70 davon.
 
Mein Anliegen ist zu verstehen, warum dieses Buch in der Diskussion über die Varusschlacht/ Pontes Longi möglicherweise als unbedeutend betrachtet wird. Gibt es Gründe, die dazu geführt haben, dass dieses Werk in der Forschungsgemeinschaft keine Beachtung gefunden hat?
Es gibt eine unübersehbare Fülle von Hypothesen zur Varusschlacht, angeblich sollen es über 700 sein (genau nachgezählt hat aber wohl niemand). Die meisten sind schnell ausdiskutiert, sofern sie nicht auf Spuren einer tatsächlichen Schlacht basieren, sondern lediglich auf phantasievollen Spekulationen und Irrtümern.

Dass Böckers Thesen keine Beachtung gefunden hätten, kann man nicht sagen, auf die Schnelle habe ich z. B. einen Sitzungsbericht der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte vom 26. Mai 1888 gefunden, wo u. a. über "Alterthümer und Steindenkmäler im Osnabrückschen" referiert wird:
zu https://www.jstor.org/stable/23028228

Demnach wurde Böckers Interpretation der Sierhausener Schanzen als "Römerschanzen" schon damals als unwahrscheinlich zurückgewiesen.
 
Demnach wurde Böckers Interpretation der Sierhausener Schanzen als "Römerschanzen" schon damals als unwahrscheinlich zurückgewiesen.

Und, um ehrlich zu sein, Thesen, die schon damals nicht überzeugen konnten und auch im Nachhinein durch mangelnde archäologische Funde keinen Booster erhielten, sind wissenschaftsgeschichtlich auch eher uninteressant. Interessant sind die Theorien, die es für eine zeitlang schafften, Ernst genommen zu werden.
 
Was ist denn von den durch Böcker ausgebuddelten Bohlenwegen heute noch erhalten? Hat man die mal C14 datiert?
Man hat in den 1990er Jahren Bohlwege im Dümmer Moor ausgegraben, die sind dendrodatiert. Die Dendrodatierung ist jahresgenau (Fälldatum, sofern Borke erhalten), die C14-Datierung ist zu ungenau für eine jahresgenaue Bestimmung, daher wird ja auch bei der C14-Datierung immer ein Zeitfenster angegeben, kein genaues Jahr, dieses Zeitfenster fällt mal länger, mal kürzer aus. Zudem ist bei älteren C14-Datierungen nicht bemerkt worden, dass der Zerfallsprozess bei maritimen Kontexten langsamer stattfindet als an Land.
 
Ich denke das sollte für eine weitere Einordnung der Probleme reichen.
Böcker (nicht "Bröker") stützt sich hier wie gesagt auf Menadier und Mommsen, diese haben sich bemüht, alle Informationen über Fundorte (auch zwischenzeitlich verschollener Münzen) zusammenzutragen.

Bei Mommsen liest es sich so:

"Wenn diese Nachricht einerseits bestätigt, dass die in Barenau befindlichen Münzen wenigstens grossentheils in der Gegend gefunden sind, so zeigt sie andererseits, dass auch anderswoher Münzen in den Besitz dieser Familie gelangt sind, und ist insofern achtenswerth und wichtig. Mit Recht also ist diese Untersuchung davon ausgegangen, dass wohl ein beträchtlicher Theil dieser Münzen aus örtlichen Funden herrührt, aber keineswegs für jedes einzelne Stück die Herkunft aus dieser Gegend als gesichert gelten kann."
Die Örtlichkeit der Varusschlacht : Theodor Mommsen , Christian Matthias Theodor Mommsen : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive

*den Begriff kennne ich nicht, ich hatte zuerst "zarischen" gelesen, aber das definitiv ein "k", möglicherweise ein Druckfehler?
Sicher kein Druckfehler.
 
Böcker (nicht "Bröker")
Pardon, mein Fehler.

"Wenn diese Nachricht einerseits [...]
Womit aber das Faktum bleibt, das ein tatsächlicher zur Datierung brauchbarer Münzhorizont für die Umgebung nicht verifizierbar ist.
Und wenn schon damals nicht zu klären war, welche Münzen genau gesammelt und welche im Gebiet gefunden worden waren, wäre es durchaus denkbar, dass auch nachvarianische Münzen unter die Funde zählten.
 
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