Das Betriebsverfassungsgesetz - eine deutsche Besonderheit.

Griffel

Mitglied
Mich hat schon immer interessiert, inwiefern, dass Betriebsverfassungsgesetz eine deutsche Besonderheit, Vorbild oder Schreckensbild für Europa und die Welt ist.
https://de.wikipedia.org/wiki/Betriebsverfassung
Die deutschen Gewerkschaften und die SPD, haben ja jahrelang für die Mitbestimmung in den Betrieben gekämpft. Nach dem ersten Weltkrieg, gab es im Zuge der Weimarer Verfassung erste Schritte in diese Richtung. Beendet wurde diese Entwicklung, erst nachdem Ende des 2. Weltkrieges. In Verbindung mit dem Grundgesetz und dem oben genannten Gesetz!

Wie gesagt, ist das Betriebsverfassungsgestz, weltweit einzigartig. Auch in anderen Ländern, gibt es ja Gewerkschaften. Vor allem in Frankreich, mit seinem revolutionären Charakter, sind Gewerkschaften, ja relativ früh aufgetaucht. Dennoch, gewährt das Betriebsverfassungsgesetz, mehr Rechte als in anderen Ländern.

Daher wurndert es mich, dass ich noch nie davon gehört habe, dass andere Länder, sich Deutschland in dieser Hinsicht als Vorbild genommen haben. Man kann sagen was man will, dass Betriebsverfassungsgesetz hat sichelrich dazu beigetragen hat, dass Westdeutschland nach dem 2. Weltkrieg so rasch wieder in Tritt gekommen ist.
 
Was genau soll daran so einzigartig sein? In Österreich gibt es das "Arbeitsverfassungsgesetz" (ArbVG), das nicht nur so ähnlich heißt, sondern auch "Betriebsräte" (ja, sie heißen in Österreich ebenso) und Betriebsvereinbarungen regelt. (Davor gab es bereits das "Betriebsrätegesetz" von 1947 und davor das "Betriebsrätegesetz" von 1919.) Darüber hinaus regelt es auch die "Kollektivverträge", die in etwa Euren Tarifverträgen vergleichbar sind.
RIS - Arbeitsverfassungsgesetz - Bundesrecht konsolidiert, Fassung vom 10.12.2023

Ähnliche Einrichtungen wie Betriebsräte gibt es auch in anderen Staaten.
 
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Ich meine ja nur, dass das Betriebsverfassungsgesetz, den deutschen Arbeitern und Angestellten, mehr Möglichkeiten einräumt. Allerdings frage ich mich, warum man es überhaupt verabschiedet hat? Alle die Ziele, welche man mit seiner Einführung verfolgte, hätte man auch ohne erreichen können! Durch die Koalitionsfreiheit, sind sowohl die Gründung von Gewerkschaften, als auch die Gründung von anderen Interessenverbänden möglich.

Auch das Recht auf Streik, mit ausnahme der Beaamten, ist ja dadurch gedeckt. Und ich persönlich habe nicht den Eindruck, dass es zumindest in Europa, den Menschen ohne ein Betriebsverfassungsgesetz schlechter geht als mit.
 
Ja was denn nun? Erst heißt es, das deutsche Betriebsverfassungsgesetz ist einzigartig und für den "Rest der Welt" unbedingt nachahmenswert, dann fragst du dich, weshalb man es überhaupt erlassen hat und kannst als Argument für die Vorzüge des deutschen Modells nur das Bauchgefühl anführen, dass dem "Rest der Welt" zumindest ein Betriebsverfassungsgesetz nicht schaden kann.
 
Ich meine ja nur, dass das Betriebsverfassungsgesetz, den deutschen Arbeitern und Angestellten, mehr Möglichkeiten einräumt.
Ich erkenne nicht, dass es mehr Möglichkeiten wären als in Österreich.

Allerdings frage ich mich, warum man es überhaupt verabschiedet hat? Alle die Ziele, welche man mit seiner Einführung verfolgte, hätte man auch ohne erreichen können! Durch die Koalitionsfreiheit, sind sowohl die Gründung von Gewerkschaften, als auch die Gründung von anderen Interessenverbänden möglich.
Das kann man nicht vergleichen. Betriebsräte sind speziell auf betrieblicher Ebene tätig, Gewerkschaften hingegen üblicherweise überbetrieblich (branchenweit oder noch weiter). Betriebsräte haben gesetzlich verankerte Mitwirkungs- und Kontrollrechte in betrieblichen Angelegenheiten, die eine überbetriebliche Organisation mit freiwilliger Mitgliedschaft (der somit obendrein vielleicht gar niemand im Betrieb angehört) so nicht haben kann. Umgekehrt kann eine branchenweit tätige Gewerkschaft aber mehr Druck auf Arbeitgeber ausüben als die einzelnen Betriebsräte und kann branchenweit gültige Regelungen vereinbaren. Betriebsräte und Gewerkschaften stellen also keine Doppelgleisigkeit dar, sondern ergänzen einander und arbeiten in der Praxis oft (nicht immer) zusammen.
Außerdem werden Betriebsräte unmittelbar von den durch sie vertretenen Arbeitnehmern gewählt. Dadurch sind sie erstens demokratisch legitimiert und zweitens direkt im Betrieb verankert und den dortigen Arbeitnehmern verantwortlich. Einer Gewerkschaft hingegen tritt man bei oder auch nicht; einen direkten Bezug zu einem bestimmten Betrieb hat sie nicht unbedingt.
 
Dadurch sind sie erstens demokratisch legitimiert und zweitens direkt im Betrieb verankert und den dortigen Arbeitnehmern verantwortlich
Vorausgesetzt im Betrieb arbeiten ausschließlich Arbeitnehmer, die einen eigenen Arbeitsvertrag mit dem Betrieb haben. Denn bspw. durch Leiharbeitsunternehmen können auch Arbeitnehmer eines fremden Betriebes in einem Unternehmen arbeiten. Der Betriebsrat des Unternehmens x wird dann nur von Festangestellten des Unternehmens x gewählt und ist diesen verantwortlich. Das kann zu Interessenskonflikten mit Leiharbeitern des Unternehmens y, die ebenfalls im Unternehmen x arbeiten, führen.
 
Viele Wege führen nach Rom.
Ich sehe meine Arbeitnehmerrechte in Norwegen hervorragend gewahrt, auch ohne ein "Betriebsverfassungsgesetz". Das norwegische "arbeidsmiljøloven" und alle anderen gesetzlichen und betrieblichen Vorgaben und Vereinbarungen halte ich dank starker Gewerkschaften für mehr als ausreichend.
Man kann gerne die Situation von Arbeitnehmern in verschiedenen Ländern vergleichen, aber dann sollten wir konkrete Punkte aufgreifen.
 
Das norwegische Modell kenne ich nicht.

Es gab historisch und gibt noch heute unterschiedliche Wege, um die Wahrung von Arbeitnehmerrechten zu stärken. Welcher gewählt wird, hing und hängt u.a. von historischen Traditionen und politischen Wertungen ab.
Beispiel Gewerkschaft: Wie stark oder schwach Gewerkschaften sein sollen, ist auch eine politische Frage. Die Politik kann entsprechende Rahmenbedingungen schaffen, um die Macht von Gewerkschaften zu stärken oder zu schwächen. Dabei geht es z.B. um die Frage, ob Gewerkschaften die Möglichkeit haben sollen, direkt oder indirekt auf Arbeitnehmer Druck auszuüben, ihnen beizutreten: Sollen Arbeitnehmer davor geschützt werden, soll das in Kauf genommen werden oder erscheint es ohnehin wünschenswert? Mittel dazu reichen von der Frage, ob von Gewerkschaften mit Arbeitgebern und Arbeitgeberverbänden ausgehandelte Vereinbarungen nur für Mitglieder oder für alle gelten sollen, bis hin zur Frage, ob es Gewerkschaften gestattet werden soll, Unternehmen unter Druck zu setzen, nur Mitglieder zu beschäftigen.

Im Laufe der letzten ca. 150 Jahre haben sich in verschiedenen Staaten unterschiedliche Modelle entwickelt, um die Mitbestimmung von Arbeitnehmern und die Wahrung von Arbeitnehmerrechten auf betrieblicher und überbetrieblicher Ebene sicherzustellen. Gemeinsam ist ihnen, dass der einzelne Arbeitnehmer nicht allein dem Arbeitgeber (mit dessen in der Regel übermächtiger Verhandlungsposition – nur in Zeiten von Arbeitskräftemangel sieht das mitunter etwas anders aus) gegenüberstehen soll, was sich freilich mit der vor allem im 19. Jhdt. noch vielfach geforderten unbeschränkten Vertragsfreiheit spießte. Zu nennen wäre neben Betriebsräten und Gewerkschaften etwa noch die Möglichkeit einer gesetzlichen Interessenvertretung mit Pflichtmitgliedschaft aller Arbeitnehmer (in Österreich in Form der Arbeiterkammern).
 
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