Der Helvier Gaius Valerius Troucillus (oder zwei verschiedene Männer) in Julius Cäsars Stab im Gallischen Krieg

Biturigos

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Im Thread zur Helvetiereinöde kam kurz die Frage auf, woher Julius Cäsar seine Informationen über Germanien hatte. Eine Quelle können Kaufleute sein, eine andere persönliche Freundschaften zu gebildeten Galliern, wie dem Druiden Diviacus, der, als er in Rom auf diplomatischer Mission war, auch mit Cicero zusammengetroffen ist.

Ich erwähnte in dieser Diskussion eine auffallende Person, die Cäsar im ersten Buch des De bello Gallico erwähnt. Gaius Valerius Troucillus (1,19), und später Gaius Valerius Procillus (I,47), den oder die er in beiden Texstellen als familiaris (persönlichen Freund) und in der zweiten Textstelle zusätzlich hospes (Gastfreund) nennt. In beiden Textstellen wird auf ihr gemeinsames Alter (junger Mann, Adulescens) hingewiesen, daher ist er (oder sind beide) voraussichtlich ca. in der Mitte der 80er v.Chr. geboren. Bei beiden wird ihre Herkunft aus der Provinz (Gallia transalpina) erwähnt, bei G. V. Proucillus konkret aus der civitas Helviorum, dem Stamm der Helvier/Helvii, Sohn des Caburus, eines Prinzeps des Stamms, der in der Amtszeit des Statthalters der Provinz, Gaius Valerius Flaccus, 83 v.Chr. das römische Bürgerrecht verliehen bekommen hat, und daher den Namen seines Gönners annahm - Gaius Valerius Caburus.

Es stellt sich naheliegend die Frage, ob es sich bei Gaius Valerius Troucillus und Gaius Valerius Procillus um ein und die selbe Person handelt. Beide jungen Männer aus der Provinz haben offensichtlich das römische Bürgerrecht, sie genießen beide vollstes Vertrauen (fides) Julius Cäsars. Troucillus bezeichnet Cäsar als hochangesehenen Mann aus der Provinz, ohne dies zu konkretisieren, oder ihm ein Amt zuzuschreiben. Da er ihm als Dolmetscher diente, muss Troucillus entweder zweisprachig aufgewachsen sein, oder eine ausgezeichnete Ausbildung gehabt haben, möglicherweise war er als Geisel in Rom. Auch bei Procillus betont Cäsar seine Bildung (I,47), seine Zuverlässigkeit, Tüchtigkeit und Kenntnis der gallischen Sprache. Als Sohn des Caburus ist bei Procillus sehr konkret, warum er eine hohe Stellung innehat, trotz des jugendlichen Alters.

Auffallend ist die Beschreibung der Befreiung von Procillus aus der Gefangenschaft bei Ariovist- dieser hatte ihn der Spionage bezichtigt, und gegen internationale Gepflogenheiten in Ketten gelegt. "Diese Rettung (des Gaius Valerius Procillus) machte Cäsar nicht weniger Freude als der Sieg selbst, weil er einen der ehrenhaftesten Männer der gallischen Provinz, seinen Vertrauten und Gastfreund, den Feinden entrissen und sich wiedergeschenkt sah. So ließ das Glück nicht durch dessen Tod auf seine große Freude und Genugtuung einen Schatten fallen"(I,53). Was für ein Gefühlsausbruch des berichtenden Feldherren, und welcher Gegensatz zur Mitteilung, dass der zweite Gesandte ebenfalls befreit wurde, einige Sätze später:"Auch Marcus Metius fand man und brachte ihn zu Cäsar."

Woher kannte Julius Cäsar den jungen Gaius Valerius Procillus? Oder doch besser Troucillus? Die Gastfreundschaft kann Cäsar im Haus des Caburus genossen haben, entweder als Statthalter der Provinz, oder schon auf seinen Reisen während der Proprätur in Hispania Ulterior (60 v.Chr.). Allerdings liegt der Hauptort der Helvii nicht an der Via Domitia, sondern weit nördlich (das heutige Alba-la-Romaine). Dass die Verbindung zu den Helviern bedeutsam war, zeigt sich im siebten Buch, beim Aufstand des Verngetorix, Cäsar sammelt seine Truppen vor der Überquerung der Cevennen in der Civitas der Helvii (VII,7). In der unsicheren Lage in Gallien war er sich offensichtlich der Loyalität der Helvier sicher.

Es ist wenig wahrscheinlich, dass Julius Cäsar den Gaius Valerius Porcillus oder Troucillus zufällig und nur aus Freundschaft in seinem Stab mitgenommen hat. Es ist möglich, dass der Grund nicht nur in seiner vollen Vertrauenswürdigkeit und seiner Zweisprachigkeit lag, sondern auch in besonderen Kenntnissen seines Freundes.
Julis Cäsar hat sich Gallien als Provinz ausgewählt, mit Hilfe seines Schwiegervaters (Lucius Piso, Konsul 58 v.Chr.) und seines Schwiegersohns (Gnaeus Pompeius), "das durch seine Ergiebigkeit und günstige Lage eine willkommene Gelegenheit zu triumphwürdigen Feldzügen bot" (Sueton, Julius Cäsar, 22). Cäsar war spätestens mit der diplomatischen Mission des Häduers Diviciacus im Jahr 61 v.Chr. von der politischen Lage in Ostgallien informiert. Serh warhscheinlich hatte er seinen Krieg sorgfältig geplant und vorbereitet, und wartete nur auf den richtigen Anlass.

Cicero schreibt am 15.März des Jahres 60 v.Chr. an Atticus: "Nun denn, in den öffentlichen Angelegenheiten ist das Hauptthema im Moment die Unruhe in Gallien. Denn die Häduer – „unsere Brüder“ – haben kürzlich eine verlorene Schlacht geschlagen, und die Helvetier stehen zweifellos unter Waffen und überfallen unsere Provinz. Der Senat hat beschlossen, dass die beiden Konsuln für die Gallier losen, eine Aushebung durchführen, alle Dienstbefreiungen aufheben und Legaten mit Vollmachten entsenden sollen, um die gallischen Staaten zu besuchen und sicherzustellen, dass sie sich nicht den Helvetiern anschließen. Die Legaten sind Quintus Metellus Creticus, L. Flaccus, und schließlich – eine Packung Linsen (Scherz von Cicero)– Lentulus, Sohn des Clodius." (Cic Att 1,19).

Der in dieser Gesandtschaft als Legat genannte Lucius Valerius Flaccus ist der Neffe des Statthalters Gaius Valerius Flaccus, der in enger Verbindung mit der helvischen Familie des Caburus stand; er hat unter seinem Onkel in der gallischen Provinz (Gallia Transalpina) als Militärtribun Dienst getan. Es wäre also möglich, dass der junge Procillus/Troucillus 60 v.Chr. die diplomatische Gesandtschaft Roms an der Seite von Lucius V. Flaccus als Dolmetscher begleitet hat, eine Mission, die in der ostgallischen Region aktiv wurde, um die politischen Pläne, die Cäsar in de bello gallico I,2-4 beschreibt, eine konstruiert wirkende Verschwörung zwischen Orgetorix (Prinzeps der Helvetier), Dumnorix (Prinzeps der Häduer) und Casticus (Prinzeps der Sequaner) zur Unterwerfung ganz Galliens, zu verhindern (diese politische Koalition ist überraschend, hatten die Häduer noch 61 v.Chr. einen Krieg gegen die Sequaner geführt, und die bei Cicero genannte Schlacht bei Magetobriga verloren, auch dank der germanischen Söldner unter Ariovist auf der Seite der Sequaner; die von Cäsar behauptete Gefahr, die vom Auszug der Helvetier ausgehen sollte, wirkt ebenfalls unkonkret und widersprüchlich). Möglicherweise bezieht sich Ariovists Anschuldigung der Spionage, und das Todesurteil gegen Procillus (d.b.g. I,53) auf ein Geschehen zwei Jahre zuvor, und nicht auf eine aktuelle Absicht. Falls er die frühere Gesandtschaft begleitet hat, ist es möglich, dass er Ariovist schon kannte. Es ist auffällig, dass Julius Cäsar explizit erwähnt, dass Ariovist keinen Grund habe, sich an Procillus zu vergreifen - was dann jedoch prompt geschieht (I,47).

Leider verschwindet der so ausgezeichnete "summa virtute et humanitate adulescentem" (I,47) Gaius Valerius Porcillus oder Troucillus, im weiteren Verlauf von Cäsars Berichten. Selbst als der Tod seines Bruders Gaius Valerius Domnotarus im Kampf gegen die Gabaler und Arverner erwähnt wird (VII,65), bleibt Troucillus/Procillus verschollen.

Sind die beiden Männer eine Person? Ravenik entgegnete, dass sie beide getrennt und nacheinander vorgestellt werden, was dafür spricht, dass es zwei verschiedene Männer wären. Es könnte jedoch sein, dass Troucillus bei der ersten Erwähnung noch eine Nebenrolle hatte, und Diviacius die Hauptrolle zugedacht war, er im Vordergrund bleiben musste. Der Häduer erfüllte im de bello gallico zweimal die Rolle des Rom um Hilfe und Schutz bittenden Sprecher Galliens ( Schutz vor den Helvetiern, und vor den Sueben). Im weiteren Verlauf hat Diviacus diese Funktion der völkerrechtlichen Legitimation von Cäsars Eingreifen in Gallien erfüllt

Cäsar stand in Rom stark unter Druck: "Seitdem ergriff er begierig jede Gelegenheit zum Kriege, selbst wenn er ein ungerechter oder gefährlicher war, und griff ebensogut verbündete (Ariovist war unter Cäsars Konsulat 59 v.Chr. zum Freund Roms geadelt worden, kom. Bitu. ) wie feindliche und barbarische Völkerschaften ohne Grund an, ja er trieb dies so weit, in einem gewissen Fall der Senat beschloss, eine Untersuchungskommission nach Gallien abzuschicken, und einige Senatsmitglieder sich sogar dahin aussprachen, man müssei hn den Feinden ausliefern (z.B. Cato der Jüngere, wegen des Völkermords an Tenkterern und Usipetern und deren Gesandten, Kom.Bitu)." Sueton, Julius Cäsar, 24). Daher ist Cäsars Ziel im de bello gallico, wie Markus Schauer schrieb, "die Vorgänge so zu erzählen, daß sein Handeln als richtig und notwendig erscheinen muss. Die Darstellung der Kriegshandlung ist ganz darauf ausgerichtet, sein Handeln als Feldherr ins beste Licht zu rücken." (Markus Schauer, Der Gallische Krieg, 2016). Troucillus scheint für die Selbstdarstelung Cäsars eine Nebenrolle zu spielen, vielleicht um seine Freunde in der Provinz Gallia transaplina von seiner Freundschaftlichkeit und Wertschätzung zu überzeugen. Der gallorömische Dichter Varro Atacinus, in der Provinz geboren, hat ein episches Lobgedicht auf Julius Cäsars erstes Kriegsjahr und den Feldzug gegen Ariovist verfasst, Bellum Sequanicum, dass nicht erhalten ist. Julius Cäsar hat später einigen gallischen Adeligen aus der Provinz auch aus Dankbarkeit zu Senatorenposten verholfen. Möglicherweise ist Gaius Valerius Troucillus einer der Aufgestiegenen, der auch deswegen in den Kommentaren geehrt wird. Sueton schreibt, dass Cäsar sogar einige gallische Halbbarbaren in den Senat aufgenommen hätte (J.C. 76,3) und gibt ein fremdenfeindliches Spottlied wieder: „Cäsar führte die Gallier im Triumph und ebenfalls in das Senatsgebäude ; die Gallier zogen ihre Hosen aus und zogen den breiten Streifen an “ (Sueton, 80,2).
 
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Sind die beiden Männer eine Person? Ravenik entgegnete, dass sie beide getrennt und nacheinander vorgestellt werden, was dafür spricht, dass es zwei verschiedene Männer wären. Es könnte jedoch sein, dass Troucillus bei der ersten Erwähnung noch eine Nebenrolle hatte, und Diviacius die Hauptrolle zugedacht war, er im Vordergrund bleiben musste.
Das eine Person mehrfach vorgestellt wird, halte ich jetzt nicht für sonderlich schwerwiegend als Argument für die Identität

Für die Identität spricht ja
- die Ähnlichkeit ds Namens, die sich im Prinzip nur durch einen Buchstaben unterscheidet
- die Parallelität der Biographien (bzw. Biographien sind es ja nicht, sondern nur Statusangaben)

Auf der anderen Seite ist der aber der Caesar-Text ein Text, der in vielen Zeugnissen auf uns gekommen ist. Man unterscheiden zwei Haupredaktionen, α und β, von beiden stammt der älteste Textzeuge aus dem 9. Jhdt, die α-Redaktion gilt als die verlässlichere, die β-Redaktion beinhaltet dafür oft das gesamte Corpus Caesarianum, also nicht nur den Bello Gallico. Bei so vielen Textzeugnissen mit zwei unterschiedlichen Überlieferungssträngen - wobei man ja nun fragen muss, ob die nicht beider wiederum auf einen gemeinsamen Textzeugen zurückgehen - wäre es doch seltsam, wenn da jeweils von zwei Personen die Rede wäre, obwohl es doch eine ist.

Ich tendiere eher zu der Sichtweise, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt, muss aber in Ermangelung der Kenntnis der Überlieferung und in Ermangelung der Kenntnis der maßgeblich historsich-kritischen Ausgabe davon ausgehen, dass die Überlieferung in beiden Strängen von den ältesten Textzeugen an ziemlich durchgängig zwei nur ähnlich benamte, offensichtlich relativ eng verwandte (Brüder, Cousins) Personen präsentiert.
 
Raveniks Einwand hat mich bewegt, über die etymologischen Argumente hinaus nach Argumenten für eine These zu finden.
Die Seltenheit der Verleihung des Bürgerrechts an gallische Adelige hebt sich als Argument für die These Troucillus und Procillus sind eine Person", auf, wenn wie EQ nahelegt, beide eng verwandt sind.
Ich versuchte mich dann, das doppelte Auftauchen des Freunds in der Komposition der Kommentare zu suchen. Das Auftreten und Verschwinden wichtiger Personen, aber auch von Stämmen, ist ein durchgehendes Phänomen von Cäsars Berichten, und löste anscheinend zum Beispiel um Diviciacus kontroverse Diskussionen unter Historikern aus (Diviciacus verschwindet nach dem 2.Buch d.b.g.).

Dazu Alfred Dobesch (2004): "So bleibt uns wohl nichts übrig als der Schluß, daß Caesar bei aller scheinbaren Schlichtheit und Normierung und strengen Disziplin ein höchst eigenwilliger Autor ist. Er verfährt mit manchmal staunenerregender Auswahl und Entschiedenheit. Er scheint vorwiegend nur die Kriegshandlungen darzustellen, und auch hier nur die wichtigen, doch er macht daraus in keiner Weise ein strenges Prinzip, an das er sich hält. Aber er bemüht sich offenbar, in klarem Gegensatz zu den Commentarii Sullas, von seinen Commentarii alles fernzuhalten, was ihnen autobiographische Züge geben würde. Wovon immer er aber spricht, er ist sich seiner Wirkung sicher." (Tyche, Einige Beobachtungen zu Politik und Tod des Haeduers Diviciacus und seines Bruders Dumnorix)

Den letzten Punkt, die Vermeidung eines autobiographischen Charakters der Commentari, halte ich für ein wesentliches Argument für ein nicht-stringentes und mehr symbolisches Auftreten des persönlichen Freundes Troucillus, der wahrscheinlich doch auch im weiteren Verlauf des Gallischen Krieges in Cäsars Stab tätig war (und vielleicht für ein Informantennetzwerk zuständig gewesen ist), und dessen Freundschaft wahrscheinlich nicht im Jahr 58 v.Chr. geendet hat.

Korrekturen und Ergänzungen: mich ärgert es selbst sehr, dass ich des öfteren die Namen der Protagonisten falsch geschrieben habe, mit Diviciacus habe ich anscheinend ein Problem, vielleicht auch durch die Ähnlichkeit zu einem anderen gallischen Namen, Divico.
Das oben erwähnte Alba-la Romaine wurde wohl erst im Zuge der Provinzialisierung zur Hauptstadt der civitas helviorum, 10 v.Chr. Die französische Forschung nimmt an, dass das Oppidum von Jastres über der Ardèche die ältere Hauptstadt der Helvier war.
Erwähnen möchte ich noch eine bekannte und belegte Belohnung der Helvier durch Cäsar. Sie erhielten aufgrund ihrer Treue im Bürgerkrieg Gebiete zurück, die sie in den 70er Jahren wegen ihrer Unterstützung von Satorius nach dessen Tod und Niederlage an Massalia verloren hatten (durch Gnaeus Pompeius) (bel civ. I, 3,35).
Ergänzung zur Vorgeschichte des gallischen Kriegs: Cicero erwähnt in einem Breif an Atticus im Mai des jahres 60 v.Chr.nebenbei, dass
die römische Mission in Gallien möglicherweise schon erfolgreich war:
"Euer Freund Metellus ist ein bewundernswerter Konsul. Ich habe nur einen Fehler an ihm zu finden: Er nimmt die Nachricht aus Gallien von der Wiederherstellung des Friedens nicht mit großer Freude auf. Er wünscht sich wohl einen Triumph. Davon hätte ich mir etwas weniger gewünscht: In anderer Hinsicht ist er großartig." (cic att, 1,20).
 
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