Die Goten zur Zeit Diokletians

Belisar

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Ich bin seit einiger Zeit auf ein Problem gestoßen, bei dem mir die Literatur bisher auch nicht weiterhelfen konnte.
Die Goten, die noch in der Mitte des 3. Jahrhunderts Rom schwere Schläge versetzt hatten - Kaiser Decius kostete ein Krieg mit ihnen das Leben und die Städte Kleinasiens und Griechenland litten enorm unter gotischen Raubzügen zur See -, verhalten sich nun in den Regierungsjahren Diokletians, vor allem in der zweiten Hälfte von dessen Regierungszeit, im Verhältnis zu früheren Zeiten relativ ruhig. So konnten 298 für den Krieg gegen das Sassanidenreich große Truppenkontingente von der Donau an den Euphrat abgezogen werden. Auch die Gefahr durch die von der Gegend um die Krim herstammenden Ostgoten auf dem Wasser findet ein Ende.
Zwar erleiden die Goten 269 bei Naissus eine herbe Niederlage und auch das gefährdete Dakien wird unter Aurelian aufgegen. Zudem sind Stillhaltegelder an die Goten zu vermuten.
Dennoch erscheint es mir verwunderlich, dass von den Goten bis zur Zeit Konstantins keine existentielle Gefahr mehr für das Römerreich ausgeht, zumal die Germanenvölker aufgrund ihres Bevölkerungsüberschusses dafür bekannt waren, auch schwere Niederlagen rasch wegzustecken.
Eine Erklärung böten die Berichte über - vermutlich von Rom zusätzlich geschürte - Kämpfe unter den germanischen Stämmen jenseits der Donau. Aber genügt dieser Sachverhalt als Erklärung?
Oder ist hier bereits etwas anderes im Gange? Sind in dieser Zeit eventuell schon die Vorläufer der großen Eruption durch den Hunneneinfall zu spüren. Wenn auch nicht die Hunnen selbst, so könnten vor ihnen hergetriebene Völkerschaften ihrerseits Druck auf die Goten und anderen Ostgermanen ausgeübt haben.
Kann mir vielleicht jemand helfen oder mir eine Literaturempfehlung geben??
 
Ich kann dir nichts festes sagen, ausser meinen Gedanken, aber ich hab vllt noch die eine oder andere Literatur für dich.
Ich gehe mal stark davon aus, das sich die Einfälle nicht kontinuirlich ergaben sondern die Folge einer inneren Umschichtung ist. Insofoern dürften die Zeit zw. Diokletian und Constantin sich eine Art "Ruhephase" gewesen sein, in der sich erst wieder ein größeres Potential gebildet hat.

Herwig Wolfram hat viel zu den Goten geschrieben, insbesondere
Wolfram, Herwig, Die Goten, München 2001; sollte einen algemeinen Überblick bzw Einstieg geben.
 
Belisar schrieb:
Oder ist hier bereits etwas anderes im Gange? Sind in dieser Zeit eventuell schon die Vorläufer der großen Eruption durch den Hunneneinfall zu spüren. Wenn auch nicht die Hunnen selbst, so könnten vor ihnen hergetriebene Völkerschaften ihrerseits Druck auf die Goten und anderen Ostgermanen ausgeübt haben.
Kann mir vielleicht jemand helfen oder mir eine Literaturempfehlung geben??

Helfen kann ich dir nicht (warum muss ich dann meinen Senf abgeben?), aber ich halte einen Zusammenhang mit den Hunnen für ausgeschlossen. Die erste Erwähnung derselben in den römischen Quellen erfolgt 100 Jahre später, 373. Klar, die Nachrichtenwege waren lang etc. aber 100 Jahre? Nein!

El Quijote
 
Ich kann mich Sheik und El Quijote anschließen.

Die vernichtende Niederlage von 269 könnte sehr wohl eine Erklärung dafür sein, daß die Goten für längere Zeit weder die Lust noch die Kraft aufbrachten, sich mit den Römern anzulegen.
Dazu kommt, daß es Diokletian insgesamt gelang, das römische Reich zu konsolidieren. Als später Konstantin und Licinius sich in der Wolle hatten, wurden auch die Goten wieder aktiv.

Ein Aspekt könnte sein, daß es in der fraglichen Zeit zur Spaltung der Goten in West- und Ostgoten. Da wäre mit internen Rivalitäten zu rechnen, die die Goten daran hinderten, sich in Kriege mit einem externen gefährlichen Gegner zu stürzen.
 
Goten zur Zeit Diokletians

Um es kurz zu machen: Zwischen Goten und Römern gab es Kämpfe (u. a. 294) an der unteren Donau, die mit einem Friedensschluß endeten und die Goten zu Föderaten machte (Panegyrici Latini 8.5,10,4). Unter den Truppen, die Galerius 298 gegen die Perser führte, befanden sich auch Goten (Jordanes, Getica 21,110). Die Auseinandersetzungen zwischen Goten und anderen germanischen Stämmen werden durch Lactantius dadurch bestätigt, dass die Römer ein von den Goten vertriebenes (ungenanntes) Volk auf römischen Boden ansiedelten (Lactantius De mortibus persecutorum 38,6).
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, aber Stammesverbände wie Terwingen und Greutungen gab es sschon. Diese waren zwar nicht identisch, aber teilidentisch mit den späteren Westgoten (Terwingen) und Ostgoten (Greutungen). Vielleicht helfen diese Begriffe ja auch bei der weiteren Recherche :fs:. Zudem gab es die gotae minores, christianisierte Goten unter Wulfila, die von Athanarich verfolgt wurden.

El Quijote

Edit: mein "ja, aber..." ist nach maske.exe einzuordnen ;-)
 
Ich denke in der Zeit um 300 waren die Gotenstämme erst im entstehen bzw in der Verfestigungsphase, genaues läßt sich hier aufgrund der fehlenden schriftlichkeit der Goten nicht sagen. Wulfila war jedoch erst weitaus später, glaub die Gothenmission setzte erst um 370 ein
 
Goten zur Zeit Diokletians

hyokkose schrieb:
Ich kann mich Sheik und El Quijote anschließen.
Die vernichtende Niederlage von 269 könnte sehr wohl eine Erklärung dafür sein, daß die Goten für längere Zeit weder die Lust noch die Kraft aufbrachten, sich mit den Römern anzulegen.
Zur Schlacht zur Naissus wäre anzumerken, dass dieser Sieg nur gegen einen Teil (laut Zosimus 50.000 Mann) der 268 auf einer Invasionsflotte in die Agäis gelangten, laut Zosimus (sicher übertriebenen) 320.000 Mann umfassenden gotisch-herulischen Kriegermasse, erfochten wurde. Auch war die Goteninvasion nach diesem Sieg nicht gestoppt. Vielmehr eröffnete er nun den Römern die Möglichkeit, die auf der Balkaninsel umherziehenden Gotenscharen, die zudem an der Pest litten, systematisch zu bekämpfen. Die während den Kämpfen gefangengenommenen Goten wurden entweder in den militärdienst aufgenommen, also Kolonen angesiedelt oder in den Sklavenstand versetzt. Auch nach Claudius Tod gingen die Invasionen weiter: Schon 271 musste Aurelian erneut gegen die Goten zu Felde ziehen, wobei er mehrmals die Donau überschritt und den Feind in mehreren Schlachten im eigenen Gebiet besiegte. Bis 275/76 herrschte dann, abgesehen von kleineren Raubzügen, Ruhe. Dann musste Tacitus 276 wieder gegen die bis Kilikien eingedrungenen Goten zu Felde ziehen.

hyokkose schrieb:
Ein Aspekt könnte sein, daß es in der fraglichen Zeit zur Spaltung der Goten in West- und Ostgoten. Da wäre mit internen Rivalitäten zu rechnen, die die Goten daran hinderten, sich in Kriege mit einem externen gefährlichen Gegner zu stürzen.
Über interne Auseinandersetzungen zwischen den Goten während ihrer Aufspaltung ist nichts bekannt. Zudem sich schon einmal ein Teil der Goten (im 2. Jahrhundert) von dem Rest getrennt hat, um in "neue Länder" vorzustoßen, ebenfalls ohne bekannten Konflikt
 
Die Niederlagen der Goten gegen Claudius und Aurelian hatten die gotischen Invasoren schwer dezimiert. Zudem scheinen die westlichen Gruppen einen foedus mit dem Reich geschlossen haben. Daher war dies ein Grund für das Abflauen der Kämpfe bis zum ersten Viertel des 4. Jh.
Zweitens spielt die "Spaltung" der Goten sicherlich auch eine Rolle. Allerdings muß man sich fragen, ob die Goten überhaupt unter einer Führung standen. Es scheint vielmehr so, als ob durch die Niederlagen gegen die Römer und den foedus, die gotischen Gruppen untereinander um die Vorherrschaft im norddanubischen Raum kämpften. Die Aufnahme von z.B. Bastarnen und Carpen ins Reich zeigt zudem, daß die Goten ihr Gebiet auch gegenüber anderen gentes konsolidierten.
Nicht zu vergessen ist auch die Ankunft oder das Auftreten der Gepiden seit 291.
 
Der Großteil der Überlegungen ist ohnehin spekulativ - weil unsere Quellen einfach größtenteils versagen und uns daher nur Rekonstruktionen übrig bleiben. Auch Jordanes ist da wenig zuverlässig - was Peter Heather schön nachgewiesen hat (Peter Heather, Goths and Romans, Oxford 1991, besonders S. 34ff.). Zumal in Teilen der Forschung in vielen Fragen bezüglich der Goten keine Einigung erzielt worden ist (Herwig Wolfram contra Peter Heather, was beispielsweise die Frage der Ethnogenese angeht).

In den spärlichen Quellen (wie das foedus aus dem Jahr 332) treten vornehmlich die Terwingen auf. Über die Greutungen hören wir erst wieder etwa bei Ammianus Marcellinus in Erscheinung (wo sie auch als Greutungen das erste Mal bezeichnet werden - jedenfalls wenn ich mich da recht erinnere). Und die Terwingen standen ja durchaus, wie bereits angesprochen, im kriegerischen Kontakt mit Rom. Wolfram spekulierte aber beispielsweise über einen Föderatenvertrag zwischen Rom und den Terwingen nach 297 (was aus der zitierten Stelle bei Jordanes über die Stellung von Hilfstruppen hergeleitet wurde), was aber doch zumindest fraglich ist. Bis 323 herrschte aber überwiegend Friede an der Donaugrenze.

Als Literatur würde ich für den Einstieg Wolfgang Giese, Die Goten, Stuttgart u.a. 2004, empfehlen. Dazu, falls man tiefer eindringen will, Heather (Goths and Romans; The Goths) und Wolfram (Die Goten), wobei das Werk ja nicht ohne Widerspruch geblieben ist (vor allem in Amerika). Auch das Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (mit Beiträgen von Bierbrauer und anderen) ist empfehlenswert. Dazu gibt es noch einige ordentliche Werke älteren Datums (Thompson, Wenskus).
 
Salvete! Konnte leider erst jetzt antworten.
Die Beziehung zwischen den Römern und Westgoten ist mit Sicherheit durch die Überlassung der Provinz Dacien geprägt .Die Hunnen als Grund der Wanderung gab es noch nicht (die Ostgoten wanderten noch in Richtung Krim) deshalb dürften die gründe der Expansion im Bevölkerungswachstum und der suche nach besserem Lebensumständen zu suchen sein . Den Goten fiel eine ganze Provinz mit kompletter Infrastruktur in die Hände.Wahrscheinlich war es an den grenzen so ruhig weil sich die Germanen um die besten Plätze in Dacien stritten.Die Goten müssen durch den direkten kontakt mit der römischen und romanisierten Bevölkerung in Dacien sehr schnell Cristianisiert bzw. den Arianischen Glauben angenommen haben.
 
Christianisiert wurden im 3./4. Jhd wohl nur Teile der Goten, siehe Wulfila-Goten. Noch unter Athanarich gab es Christenverfolgungen, da diese zu sehr mit Rom bzw. Ostrom paktierten. Eine weitgreifende Christianisierung griff wohl erst nach 375 um sich.
 
Ist eigentlich bekannt in welchen Gebieten die Goten zur Zeit der Markomannenkriege siedelten?
 
Wulfnoth schrieb:
Ist eigentlich bekannt in welchen Gebieten die Goten zur Zeit der Markomannenkriege siedelten?

Die ältere Literatur behauptet, die Goten kämen aus Gotland, die jüngere, stärker auf archäologischen Erkenntnissen beruhende Literatur führt die Weichselmündung als Ursprungsgebiet an. Kontakte zwischen Gotland (einer südschwedischen Insel einige hundert km nördlich der Weichselmündung) und der Weichselmündung sind aber nicht unwahrscheinlich.
 
Auf dem Konzil von Nicaea waren schon gotische Bischhöfe vertreten.Das setzt grössere
Gemeinden voraus,die auch über kontakte zu anderen Gemeinden innerhalb des Reiches
verfügten (warum hätte man sie sonst einladen sollen).Das die Missionierung zu zeiten Wulfilas noch nicht abgeschlossen war ist ja kein Widerspruch, zumal immer mit neuen Zuwanderer nach Dacien zu rechnen ist.Verglichen mit der Mission von Deutschland lief es bei den Westgoten sehr gut.
 
Nach der Heiligengeschichte des Saba war die Anzahl gotischer Christen eher gering. Bedenkt man die Verfolgung durch Athanarich, muß die überwiegende Mehrheit der Goten noch heidnisch gewesen sein. Über die Größe der Christengemeinde kann man nur spekulieren. Wolfram vermutet, daß sie zu Athanarichs Zeit schon so groß war, daß sie eine Gefahr bildete. Wie aber andere Verfolgungen zeigen (Judenverfolgung, Christenverfolgung in Rom etc) muß das aber nicht unbedingt der Fall sein. Erst nach dem Übertritt ins RR nahmen viele Goten die christliche Religion an, manche auch nur zum Schein, um an der Grenze nicht abgewiesen zu werden.

Zu den Goten zur Zeit der Markomannenkriege. Sie werden zu dieser Zeit im Weichselknie erwähnt. Die Goten dieses Zeitabschnittes werden zur Wielbark oder Willenberg-Kultur gerechnet, bzw. sind die Träger dieser Kultur. Ab 150 begannen einige Gruppen schon abzuwandern. I.A. lag ihr Gebiet an der Hinterpommerschen Küste, in Teilen des Warthegebiets, in Westpreußen und im westlichen Ostpreußen. Ganz langsam schob man sich nach Masowien und Podlachien vor.

Über die Herkunft der Goten zu diskutieren ist nicht immer leicht. Die Römer brauchten z.B. einige Zeit, bis sie bemerkten, daß die transdanubischen Goten jene waren, die sie schon von Plinius und Ptolemaios kannten. Auch die Goten im Weichselgebiet werden nicht identisch mit denen Skandinaviens gewesen sein. Der Kern der Gotengemeinschaft sah sich aber als skandinavisch an.
 
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