Die Tetrachie - zum Scheitern verurteilt!?

Germanicus

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Die von Diocletian eingerichtete Tetrachie brachte dem Römischen Reich zweifelsfrei eine - gewisse - Stabilität nach den Wirren der vorangegangenen Epoche der Soldatenkaiser. Das Reich konnte sich im Inneren und Äußeren stabilisieren. Das Problem der fehlenden Kaisernähe, das vorher zu so vielen Usurpationen geführt hatte, war beseitigt. Doch war diese neue gewonnene innere Stabilität nur oberflächlich, denn, wie die folgenden Entwicklungen zeigen, war das System keineswegs so gefestigt, wie es den Anschein hatte. Es zeigte sich, dass das System nur durch die Autorität Diocletians aufrechterhalten wurde. Denn der große Fehler dieses Systems und somit Diocletians war es, wie bereits J. Burckhardt festgstellt hat, dass Diocletian nicht die Konsequenz zog, die Kaisersöhne entweder zu befördern oder zu ermorden. Dabei war doch gerde die "Familienbande" eine wichtige Legitimationsgrundlage des Kaisertums. So folgte (um im 3. Jhdt. zu bleiben) den beiden Gordianen Gordian III., Valerian ernannte seinen Sohn Gallienus, dieser wiederrum seine Söhne usw. zu Caesaren. Ohne diese Familienbande wären einige wohl nie auf den Kaiserthron gekommen, denn man glaubte, dass das Glück des Vaters auf den Sohn übergehen würde. Somit barg dieses System von Anfang an seinen Untergang in sich, denn wer konnte von Kaisersöhnen erwarten, dass sie von sich aus der Macht entsagten. Wie gesagt, die Teilung dieses Riesenreiches in vier Verwaltungsbezirke war nach den Erfahrungen der vorangegangenen Epoche eine wirklich gute Idee, doch hätte Diocletian nicht besser die Tetrachie so auslegen sollen, dass die (ältesten oder fähigsten) Kaisersöhne automatisch ihren Väter auf den Thron folgen würden. Sollten keine Söhne vorhanden sein, hätte der Kaiser seinen Nachfolger auswählen können. Sicher, eine Garantie für den Fortbestand des Systems wäre es nicht gewesen - ich wage es sogar zu bezweifeln -, denn gegen den Ehrgeiz einzelner (damit meine ich auch "übergangene Söhne") konnte man schlecht etwas machen, doch wären die Chancen größer gewesen also so, denn de facto hatte sich die Tetrachie nach der Usurpation des Konstantin und Maxentius (sie waren in diesem System nicht vorgesehen) ab absurdum geführt.
Wie denkt ihr darüber?
 
Ein interessantes Thema.

Schon mal vorweg: Ich finde, daß das Römische Reich von einem Kaiser regiert werden sollte.

In Folge der Soldatenkaiser-Krise (235-284/85) war es freilich ein kluger Schachzug des Diocletian (284-305), dieses System einzuführen, aber es zeigte ja schon in seinen letzten Regierungsjahren Verfallserscheinungen, spätestens nachdem Constantin zum Augustus ernannt worden war (306). Ich bewundere nach wie vor den freiwilligen Rücktritt von Diocletian, der als einziger Römischer Kaiser - sieht man einmal von Karl V. 1556/58 ab - freiwillig abdankte. Er lebte dann ja noch bis 316 und sah somit sein eigenes System auseinanderbrechen.
 
@ Germanicus: Zustimmung zu deinen Gedankengängen. Wohl den Sommer gelesen (Stichwort Kaisernähe)? Ich würde sagen, dass die Tetrarchie insofern erfolgreich gewesen war, als dass auch im folgenden Jahrhundert immer wieder versucht wurde, die Kaiserherrschaft auf mehrere Schultern zu verteilen, wenn allerdings meist nach dem dynastischen Prinzip. So z.B. unter den Söhnen Konstantins, im Falle von Constantius II. und Julian oder von Valentinian und Gratian, und es gibt noch zahlreiche weitere Beispiele. So hilfreich das Prinzip bei der Verwaltung des Reiches und der Niederhaltung lokaler Usurpationen war - es fehlte doch noch immer an der Kontrolle der einzelnen Kaiser selbst.
Nichts konnte sie institutionell von einer Usurpation stoppen, wenn ihnen danach war.
Natürlich spielte es auch eine große Rolle, dass die Kaisersöhne nicht automatisch in der Thronfolge vorgesehen waren.
 
Die Tetrachie

Ashigaru schrieb:
@ Germanicus: Zustimmung zu deinen Gedankengängen. Wohl den Sommer gelesen (Stichwort Kaisernähe)?
Jo, den Sommer habe ich tatsächlich mal gelesen. Wirklich interessant, obwohl er in manchen Punkten m. M. n. über das Ziel hinaus schießt... ;)

Ashigaru schrieb:
Ich würde sagen, dass die Tetrarchie insofern erfolgreich gewesen war, als dass auch im folgenden Jahrhundert immer wieder versucht wurde, die Kaiserherrschaft auf mehrere Schultern zu verteilen, wenn allerdings meist nach dem dynastischen Prinzip.
Es ist zwar richtig, dass die Verteilung der Kaiserherrschaft - in den folgenden Jahrhunderten - auf mehrere Schultern mehrmals versucht wurde, doch hat diese Verteilung nichts mehr mit der Tetrachie Diocletians zu tun und wurde zudem vorher mehrmals praktiziert.

Ashigaru schrieb:
So z.B. unter den Söhnen Konstantins, im Falle von Constantius II. und Julian oder von Valentinian und Gratian, und es gibt noch zahlreiche weitere Beispiele.
Tatsächlich war Konstantin d. Gr. derjenige, der an das System Diocletians anknüpfte, indem er das Reich unter seinen Söhnen und seinem Neffen aufgeteilt hat. Constantius II., der schon früh gefördert wurde, sollte wohl eine führende Stellung in diesem System einnehmen.

Ashigaru schrieb:
So hilfreich das Prinzip bei der Verwaltung des Reiches und der Niederhaltung lokaler Usurpationen war - es fehlte doch noch immer an der Kontrolle der einzelnen Kaiser selbst.
Word, wobei man gerade bei Diocletians Herrschaft sah, dass sich die anderen Tetrachen seine Autorität unterordneten.

Ashigaru schrieb:
Nichts konnte sie institutionell von einer Usurpation stoppen, wenn ihnen danach war.
Word

Ashigaru schrieb:
Natürlich spielte es auch eine große Rolle, dass die Kaisersöhne nicht automatisch in der Thronfolge vorgesehen waren.
Und genau das war die Achillesverse dieses Systems. In der Vergangenheit hatte sich gezeigt, wie wichtig die Söhne in der Thronfolge waren...
 
Germanicus schrieb:
Tatsächlich war Konstantin d. Gr. derjenige, der an das System Diocletians anknüpfte, indem er das Reich unter seinen Söhnen und seinem Neffen aufgeteilt hat. Constantius II., der schon früh gefördert wurde, sollte wohl eine führende Stellung in diesem System einnehmen.
... Die Constantius II. 350/53 dann auch einnahm, was er aber v.a. dem Tod seiner Brüder Constans (+ 340) und Constantin II. (+ 350) verdanken dürfte.
 
Hoppla

Tutanchamun schrieb:
... Die Constantius II. 350/53 dann auch einnahm, was er aber v.a. dem Tod seiner Brüder Constans (+ 340) und Constantin II. (+ 350) verdanken dürfte.
Hoppla, da hat sich doch tatsächlich der Fehlerteufel in meinem letzten Beitrag eingschlichen :motz: . Ich meinte eigentlich Constantinus II :rotwerd: . Dieser war nämlich der Älteste und der Rangälteste Caesar (seit 317). Zwar hatte Konstantin d. Gr. ihn nicht zum Augustus ernannt, doch war es in der Vergangenheit so, dass die Person mit der längeren "Amtserfahrung" automatisch eine "führende Stellung" einnahm. Constantius II. wurde erst 324, Constans 333 und Dalamtius erst 335 zur Caesares ernannt.
 
Germanicus schrieb:
Hoppla, da hat sich doch tatsächlich der Fehlerteufel in meinem letzten Beitrag eingschlichen :motz: . Ich meinte eigentlich Constantinus II :rotwerd: . Dieser war nämlich der Älteste und der Rangälteste Caesar (seit 317). Zwar hatte Konstantin d. Gr. ihn nicht zum Augustus ernannt, doch war es in der Vergangenheit so, dass die Person mit der längeren "Amtserfahrung" automatisch eine "führende Stellung" einnahm. Constantius II. wurde erst 324, Constans 333 und Dalamtius erst 335 zur Caesares ernannt.
Macht nichts.:) Eigtl. merkwürdig, daß Constantin II. von Constantin d. Gr. nicht noch auf dem Totenbett zum Augustus erhoben wurde.
 
Constantius II.

Tutanchamun schrieb:
Macht nichts.:) Eigtl. merkwürdig, daß Constantin II. von Constantin d. Gr. nicht noch auf dem Totenbett zum Augustus erhoben wurde.
Zweifellos richtig, doch bleibt die Frage, wie die anderen auf die offizielle Erhebung des Bruders reagiert hätten. Vielleicht hätten sie es so lange akzeptiert, so lange ihr Vater am Leben war, aber danach...
 
Germanicus schrieb:
Zweifellos richtig, doch bleibt die Frage, wie die anderen auf die offizielle Erhebung des Bruders reagiert hätten. Vielleicht hätten sie es so lange akzeptiert, so lange ihr Vater am Leben war, aber danach...
Nun, Constantin d. Gr. hätte auch Constantin II. und Constantius II. zu Augusti ernennen können, einen im Westen, den anderen im Osten. Constans wäre dann als jüngerer Sohn eben leer ausgegangen bzw. wäre er dem früh verstorbenen Constantin II. nachgefolgt.
 
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