Heilsring?

Nergal

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Habe in einem der alten "So lebten sie..." Bücher zum Thema Mittelalter, die Beschreibung eines sog. "Heilsringes" gefunden, ohne Ortsangabe. Jemand der vor dem Gesetz auf der Flucht war konnte sich diesen Ring, der an einer Kathhedrale angebracht war, greifen um Zufluchht in der Kirche zu finden, also Kirchenasyl.
Solche "Sanctuary Rings" sind mir nur von GB bekannt wo es meines Wissens nach nur einige wenige gab. Da die "So lebten sie..."-Reihe aus Frankreich stammt, sollte man annehmen dass es diese Ringe auch auf dem Kontinent gegeben haben muß.
Der Begriff "Heilsring" wird wohl eine eigentümliche Übersetzung sein, da ich bisher nichts dazu finden habe können dass sich auf so einen Ring bezieht.
Weiß Jemand mehr dazu?
 
Aus der englischen Ausgabe, The days of knights and castles, 1979:

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Jenny Rahel Oesterle hat etwas zum Kirchenasyl geschrieben.
 
Es stimmt im Übrigen nicht, dass jede Kirche das Recht hatte, Kirchenasyl zu gewähren. Es gab Fälle, da haben sich Leute in eine Kirche geflüchtet, weil sie das Kirchenasyle zu beanspruchen gedachten und die jeweilige Kirche hatte gar nicht das Recht, Kirchenasyl zu gewähren. So etwa die Abtei von Tewkesbury, wohin sich Lancastrians 1471 geflüchtet hatten. Sie wurden Yorkisten dennoch nach zwei Tagen niedergemetzelt.
 
So etwa die Abtei von Tewkesbury, wohin sich Lancastrians 1471 geflüchtet hatten. Sie wurden Yorkisten dennoch nach zwei Tagen niedergemetzelt.
Daraus folgt ja aber noch nicht, dass die Abtei nicht das Recht auf Kirchenasyl hatte, denn es hätte auch sein können, dass dieses einfach missachtet wurde.

Zumal dieses Ereignis ja auch während eines Bürgerkrieges stattfand, wo man sich ja nicht darauf verlassen kann, dass von den Kriegsparteien immer alle Gesetze eingehalten werden.
 
Daraus folgt ja aber noch nicht, dass die Abtei nicht das Recht auf Kirchenasyl hatte, denn es hätte auch sein können, dass dieses einfach missachtet wurde.

Zumal dieses Ereignis ja auch während eines Bürgerkrieges stattfand, wo man sich ja nicht darauf verlassen kann, dass von den Kriegsparteien immer alle Gesetze eingehalten werden.
Ich muss leider mal zitieren, was ich bei einem anderen Mitglied als schlechtes argumentum ad verecundiam kritisiert habe: "Meine Dozentin hat erzählt..." Ich habe mal den Kurs The Age of Chivalry - Das England der Plantagenêts belegt. Die Dozentin war eine deutsche Historikerin, die viel in England gearbeitet und geforscht hat, sie erzählte, dass nicht jede Kirche das Recht auf Kirchenasyl gehabt habe und das sei eben den Lancastrians hier zum Verhängnis geworden.
 
Hab den Text der französischen Version gefunden:
La cathédrale est terre d'asile. Il suffit à un larron de toucher l'« anneau de salut » à
l'entrée de l'édifice pour être à l'abri des poursuites. On ne peut arrêter un homme dans
tout l'« espace de salut », qui s'étend à cinquante pas de la cathédrale.
Die dt. Version ist viel näher dran am Original als die Englische.
Zu "anneau de salut" gibt es auch mehr zu finden, schade nur dass uns der dt. Begriff nicht bekannt ist.
 
So einen Ring wie im Foto habe ich bisher noch an keiner Kirche gesehen/gefunden.
Werde aber mal darauf achten bei den 24 Gotteshäusern die Erfurt noch hat. Die 24 sind alle im Betrieb.

Im Netz finde ich unter den Begriff „droit d'asile“ (dt. Recht auf Asyl) ein Foto von einer Tür des Portals der Jungfrau Maria an der Westfassade von Notre-Dame de Paris/Frankreich.
Bei den Erläuterungen zu diesen Fotos steht der Satz:

Im Mittelalter gab das Ergreifen eines solchen Rings an einer Kirchentür das Recht auf Asyl."

Und dann wäre wohl noch der WIKI-Beitrag von Interesse zu: „Kirchenportal als Rechtsstätte“
(Kirchenportal als Rechtsstätte – Wikipedia ).

Und dann dürfte auch der WIKI-Beitrag zu „Kirchenasyl“ von Interesse sein: Kirchenasyl – Wikipedia.
 
Falls nicht die Kirchentür gemeint ist, könnte es auch um den anneau de clôture gehen. Einige Kirchen und Klöster in Nordfrankreich und England kennzeichneten (im Zweifel mit einem simplen gespannten Strick) einen Bereich, der rechtlich als Kirche zu betrachten war und deswegen ausschließlich kirchlicher Jurisdiktion unterstand, aber nicht unbedingt für jedermann als geweihte Kirche erkennbar.

Seward erwähnt einen anneau de sanctuaire (könnte man als Heilsring übersetzen), der in den Verhandlungen zwischen Elizabeth Woodville und Richard III. eine Rolle spielte, bevor sie ihm ihre Söhne auslieferte. Die Königinmutter hatte vor Richard in Westminster Abbey Schutz gesucht und befand sich in einer Gästewohnung des Abts. Diese wurde kurzerhand zum Teil der Kirche erklärt, weil man fürchtete, dass Richard das Abteigelände stürmen könnte.

Der anneau könnte vom Schabbatzaun herrühren, mit dem symbolisch (bspw. durch eine Schnur) ein öffentlicher Bereich so gekennzeichnet wird, dass er nach jüdischem Recht ein Haus darstellt. Noch heute ist er in orthodoxen Gemeinden in Gebrauch; so umspannt ein Draht einen Großteil der Insel Manhattan, damit orthodoxe Juden auch am Schabbat ihr Wohnhaus verlassen und eigentlich verbotenen Tätigkeiten nachgehen können.
Ich muss leider mal zitieren, was ich bei einem anderen Mitglied als schlechtes argumentum ad verecundiam kritisiert habe: "Meine Dozentin hat erzählt..." Ich habe mal den Kurs The Age of Chivalry - Das England der Plantagenêts belegt. Die Dozentin war eine deutsche Historikerin, die viel in England gearbeitet und geforscht hat, sie erzählte, dass nicht jede Kirche das Recht auf Kirchenasyl gehabt habe und das sei eben den Lancastrians hier zum Verhängnis geworden.
Ihr habt beide Recht.

Im mittelalterlichen England gab es zwei Formen des Kirchenasyls. Jede Kirche beanspruchte das Recht, flüchtigen Personen vierzig Tage lang Zuflucht zu gewähren. In der Praxis waren dies meist felons (Schwerverbrecher) oder Schuldner; floh jemand vor dem Gesetz, musste er überdies eine umfängliche Beichte ablegen, um Asyl zu erhalten. Sobald die Vierzigtagesfrist verstrichen war und der Betreffende sich nicht seinen Gläubigern oder Verfolgern ausliefern wollte, hatte er zwei Möglichkeiten: Chartered sanctuary oder abjuration of the realm.

Chartered sanctuaries waren bestimmte Kirchen und Klöster, deren gesamter Grund und Boden aufgrund königlicher Freibriefe (charters) der weltlichen Justiz entzogen war. Sie boten einer flüchtigen Person unbegrenztes Asyl, theoretisch bis ans Lebensende. Insbesondere durfte die Obrigkeit den Flüchtling nicht nach vierzig Tagen herausholen. Abjuration of the realm bedeutet hingegen, dass der Flüchtling sich dafür entscheidet, ins Exil zu gehen und niemals wiederzukehren. Auf dem Weg ins Exil oder in ein chartered sanctuary durfte er nicht angetastet werden.

Diese Praxis war allgemein akzeptiert und wurde nicht als Schlupfloch, sondern als Bestandteil des Common Law betrachtet, und von der Krone aktiv unterstützt; sie galt als Ausdruck des königlichen Gnadenrechts. Außerdem konnten ab dem 13. Jahrhundert vom Parlament bedrängte Könige so ihre Günstlinge und Verbündeten vor dem Zugriff des Gesetzes bewahren, dem sich pro forma auch der König unterordnen musste.

Erst Edward IV. und v.a. Henry VII. schlugen hier andere Töne an und erwirkten Parlamentsbeschlüsse, wonach mit dem Attainder belegten (d.h. per Parlamentsbeschluss verurteilten und entrechteten) Personen kein Kirchenasyl zustand. Die waren aber nicht allgemein anerkannt. Heinrich VIII. hielt es zunächst wie die Könige vor Edward, aber im Zuge der Zerschlagung der Klöster wurde das Kirchenasyl in England Knall auf Fall abgeschafft.

Laut der Warkworth-Chronik besaß Tewkesbury einen Freibrief, und Edwards Missachtung desselben schockierte auch seine Verbündeten. Für die Entweihung der Abtei musste er Buße tun. Wie diese ausfiel, weiß ich nicht, aber er dürfte glimpflich davongekommen sein; der zuständige Erzbischof von York war ein gewisser George Neville, sein eigener Vetter und Bruder des "Königsmachers" Warwick.
 
In Speyer musste man vielleicht den Metallring, der den Domnapf – Wikipedia einfasste, berühren oder erreichen.
Seine Platzierung an der Grenze zum bischöflichen Bezirk und die Inschrift weisen darauf hin.
Terminus et limes, stat libertatis asylum; Et fit confugium, portus et ara reis.

Im Schwabenspiegel ist einfach von einem "Ring an der Kirchentür" die Rede.
und ist das das mensch nicht in die kirchen kommen mag und vahet es den ring an der kirchentür, er sol also guten frid haben als in der kirchen
Cap. CLXXXVII. Von der kirchen frid.

Mir fehlen im HRR die belegten Fälle, wo mittels eines Ringes Kirchenasyl beantragt wurde. Die Legende und Darstellung um den Tod Wenzel von Böhmen – Wikipedia bezieht sich manchmal darauf.
Wenzel.jpg
 
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