Humor im Wandel der Zeit

Klaus

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Saint-Simone schrieb:
Nachtrag: Ist mir gerade noch eingefallen für 'Freizeitvergnügen': Bedlam Hospital- das Irrenhaus Londons. Für einen Penny Eintritt konnte man sich dort die Insassen anschauen und mit Stöcken schubsen und pieksen. Einmal pro Monat war der Eintritt umsonst. Das galt seinerzeit als Freizeitvergnügen...<!-- / message --><!-- sig -->
Ich finde, wir sollten diese Geschichte in wenig vertiefen.

Ich bin schon oft auf historische Berichte von "lustigen" Begebenheiten gestoßen, über die ich, als Mensch des 20./21. Jahrhunderts, gar nicht lachen konnte.

Beispiel : Beim Seiltanz von Till Eulenspiegel sabotiert jemand zur allgemeinen Belustigung das Seil, was Till beinahe das Leben gekostet hätte. Wahrscheinlich wäre es der Brüller gewesen, wenn er am Boden zerschmettert worden wäre.

Abgeschnittenen Gliedmaßen, öffentliche Folterungen, Krankheiten und Behinderungen aller Art müssen die jeweiligen Zeitgenossen zu fröhlichen Gelächter gereizt haben.

Auch schon der Struwwelpeter trägt den Untertitel "Lustige Geschichten und drollige Bilder für Kinder von 3 bis 6 Jahren", womit abgeschittene Daumen, verbrannte Mädchen, totgeschlagene Vögel (und Stühle) und verwehte Spaziergänger gemeint sind.

Sicherlich besteht ein Zusammenhang zwischen Humor und Lebensumständen einer Zeit. Auch die Werte und das Welt- und Menschenbild spielen sicher eine Rolle. Vielleicht kann man aus einem Witz manchmal mehr über das Denken und Fühlen der jeweiligen Zeit lernen als aus der Besichtigung einer Kathedrale.

Gibt es dazu eine Erklärung ?
 
Ich würde das weniger als Zeichen eines Humors ansehen, dass man sich "Bedlam Hospital" anschaute, sondern eher der Vorliebe am Skurilen. Ich tippe mal auf eine Mischung aus Neugier und Freude an Ungewohntem, Abwegigen.
Die Brutalität die darin liegt wird wohl damit in Relation gesetzt, wenn man bedenkt welche Freude man damals an Schlägereien, Hahnen- und Hundekämpfen hatte. Heute hat sich diese Lust auf das Zuschauen dabei wenn sich zwei Leute vermöbeln auf den Boxsport und ein paar eher dem 18.Jh. ähnliche Kampfsportarten (also mit weniger Regeln) sozusagen zivilisiert.
Einen schönen Überblick liefern sicherlich die Werke von Hogarth, der als Hundefreund die Hundekämpfe scheinbar verurteilte, aber auch jegliche Brutalität gegenüber Menschen wie auch Tieren mit seinen satirischen Abbildungen geißelte.
File:Cruelty1.JPG - Wikimedia Commons

Ob das nun alles ein Anzeichen von bestimmten Humor war, da bin ich skeptisch.
 
Überdies könnte sich statt des Humors doch auch das Wort "lustig" geändert haben. "Witz" hatte ja auch die Bedeutung Schläue, was nur noch im kaum benutzten "gewitzt" anklingt.
 
Das Kasperletheater mit seinen Vorläufern Punch and Judy muß doch mindestens aus dem 17. Jhdt. stammen.
Ob Kinder das im heutigen Sinne lustig finden, wenn Kasperle mit seinem Stock auf alle Bösen eindrischt, glaube ich nicht. Sie lachen aber noch heute, vielleicht aus Erleichterung, weil Kasperle für die Guten steht und das Gute immer gewinnt.
 
Sozialpsychologisch besteht Humor aus einer sozialen und einer kognitiven Komponente. Je nach sozialer Prägung wird damit auch über unterschiedliches gelacht. Vieles aus früheren Zeiten finden wir mit unserer heutigen sozialen Prägung nicht mehr lustig, was vor hundert Jahren noch ein regelrechter Schenkelklopfer war. Insbesondere die Verknüpfung Humor und Gewalt finde ich in Anbetracht der um vieles raueren Lebensumstände nicht so abwegig. Humor ist ja auch eine Art Ventil (insbesondere auf der individuellen Ebene), der bedrohlichen Situationen die Bedrohlichkeit nimmt und damit auch präventiv gegen emotionale Überwältigung wirkt.

@rena: Gerade Kinder sind für Studien zu Gewalt, Gewaltreaktion und Humor ein ziemlich dankbares Publikum, weil sie bis zu einem bestimmten Alter noch nicht zwischen Realität und Fiktion unterscheiden können. Kinder schütten sich bei Gewaltszenen regelrecht aus vor lachen, wenn dabei ein paar ganz wenige Wirkmechanismen berücksichtigt werden: Gewalt ohne Humor funktioniert nicht (funktioniert sogar so wenig dass Kinder gar kein Interesse an solchen Darstellungen haben), Gewalthandlungen dürfen keine bösen Folgen haben bzw. dürfen diese zumindest nicht gezeigt werden (frei nach dem Motto was ich nicht sehe gibts nicht) und die dargestellten Figuren sind ganz klar und deutlich gut und böse, wobei sich die Kinder grundsätzlich mit "den Guten" identifizieren. Dabei ist es völlig wurscht wie die Gewalt dargestellt wird, beri Kindern funktioniert künstliche Gewalt (Zeichentrickfilme wie Tom & Jerry aber auch das Kasperltheater), natürliche Gewalt (in Realfilmen, einer der Kids-Classics sind sämtliche Bud Spencer Filme), fiktive Gewalt (also Schauspieler die so tun als ob) aber auch - und jetzt der Shocking Moment - reale Gewalt sofern diese eine humoreske Komponente enthält (soll heißen Menschen verletzen sich wirklich).

Es ist ja selbst in der heutigen Zeit so, dass nicht alle Menschen über das gleiche lachen können, je nach sozialer Schicht, je nach Kulturkreis, je nach Geschlecht, je nach individueller Prägung und je geistiger Reife etc.pp. lachen Menschen über die unterschiedlichsten Dinge. Statistisch gesehen finden 12jährige Jungs beispielsweise Blondinenwitze am lustigsten. Es gibt sogar den "besten Witz der Welt" über den statistisch gesehen weltweit am meisten gelacht wird. (den ich übrigens selten doof und alles andere als lustig finde, aber wer will schon wie alle sein :fs:)
 
Nachdem ich Witze die ich nicht mag auch nicht gut erzählen kann, habe ich den "lustigsten Witz der Welt" jetzt endlich ergoogelt und will ihn euch natürlich nicht vorenthalten....

Zwei Jäger sind im Wald unterwegs, als einer von ihnen zusammenbricht. Er scheint nicht mehr zu atmen, und seine Augen sind glasig. Der andere Jäger holt schnell sein Handy hervor und wählt den Notruf: 'Mein Freund ist tot', stößt er hervor, 'Was soll ich tun?' Er bekommt den Rat: 'Beruhigen Sie sich. Versichern Sie sich als erstes, dass er wirklich tot ist.' Einen Moment ist es still, dann ertönt ein Schuss. Zurück am Telefon, fragt der Jäger: 'Okay, was jetzt?'

Quelle: ORF ON Science - Der lustigste Witz der Welt




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