Immigration in der Weimarer Republik

K

Kupferkeks

Gast
Ich bin auf der such nach Menschen, welche in die Weimarer Republik immigriert sind und dies in einer Biographie o. Ä. festgehalten haben. Bisher stoße ich aber immer nur auf Gesamtwerke, welche immer gleiche Quellen nennen (Jochen Oltmer oder Klaus J. Bade). Vielen Dank schonmal.
 
Wassili Kandinsky (Maler)
Vladimir Nabokov (Schriftsteller)

Das wären zwei prominente Künstler, die in die Weimarer Republik emigrierten und dort erst fortgingen, als es da unerträglich wurde.

Du wirst viele wohlhabende Immigranten in Berlin und in den mondänen Kurorten (Baden-Baden etc) der Weimarer Republik finden, die aus dem russischen (Geld)Adel stammten und kurz vor oder infolge der Oktoberrevolution das russ. Reich verließen. Etliche von diesen hatten schon vor der Revolution ihr Vermögen teilweise bis ganz nach Frankreich, Deutschland, USA, England, Italien transferiert und besaßen schon als Mitglieder der internationalen mondänen upper class Liegenschaften (Villen, Hotels etc) in den Kultur- und Kurzentren.
 
Neben der russischen Emigranten-Szene geb es auch Imigration vieler deutschsprachiger Personen aus den osteuropäischen Ländern.
Deutschbalten, die es nach nach dem Zusammenbruch des Zarenreiches nicht mehr in den neuen baltischen Nationalstaaten hielt Emigranten aus den 1918/1919 an Polen abgetretenen Gebieten etc.
 
Wassili Kandinsky (Maler)
Vladimir Nabokov (Schriftsteller)

Das wären zwei prominente Künstler, die in die Weimarer Republik emigrierten und dort erst fortgingen, als es da unerträglich wurde.

Kandinsky lebte allerdings schon seit 1900, also während des Kaiserreichs, überwiegend in Deutschland und musste dann nur wegen des Krieges vorübergehend zurück nach Russland.
 
Man sollte hierbei nicht übersehen, dass für Künstler - auch ausübende (Sänger*innen, Dirigenten, Instrumentalisten, Schauspieler) - Berlin, Dresden und München schon zur Kaiserzeit ein internationales Kulturzentrum war wie Paris. Deshalb würde ich die "Kulturmigration" in diese Städte/Zentren nicht streng eingegrenzt in den Zeitraum der Weimarer Republik betrachten.
Zudem halte ich die schon im 19. Jh. beginnende Internationalität der mondänen Gesellschaft (wer Ruhm, Besitz, Ansehen hatte), die einen nicht unerheblichen Teil der Migration in deutsche mondäne Zentren schon lange vor der Oktoberrevolution ausmachte, wenn überhaupt dann für eine sehr luxuriöse Form der "Migration". Freilich verstärkte die Oktoberrevolution diese Sorte Migration, machte vielen eine Rückkehr in die Heimat unmöglich - aber die meisten hatten auch im Ausland/Migration ihre Schäfchen im trockenen. Noch heute kann man die "Villa Turgenev", die der Autor mit seinen Einnahmen finanzierte, in Baden-Baden sehen - diese Villa ist nur Peanuts im Vergleich zu dem, was nur ein einziger russ. Geldadelssproß in mehreren solchen mondänen Zentren besaß (ich teile das mit, um die Relationen zu verdeutlichen). Wir haben bei Dostojewski und Proust (sic!) einen deutlichen Eindruck für solche Verhältnisse. Man hatte Wohnsitze an verschiedenen "angesagten" Orten, und wenn nicht, dann war ein Aufenthalt für Monate im besten Grandhotel oder ein Villenkauf kein Problem, auch dann nicht, wenn die bösen Bolschewisten die Güter in Mütterchen Russland beschlagnahmten.

Kurzum: vermehrt bemerkbar wurde russische Immigration der "gehobenen" Sorte in den Kultur/Kur/Badezentren im Zusammenhang mit der Oktoberrevolution, ohnehin permanente Künstlermigration in die Kulturzentren. Und solche hatten auch vor 1914 und nach 1918 (bis 33) keine Probleme in Sachen Aufenthalt, Staatsbürgerschaft etc -- das klein-klein sonstiger Migration ist leider (!!) nur in Sachen Amerikaauswanderung bekannt.
 
Ich muß da an die späteren Regisseure Billy Wilder ("Das Appartement) und auch Fred Zinnemann ("12 Uhr Mittags") denken, die als Migranten aus Polen (bzw. vor 1918 Österreich-Ungarn) in den 1920er Jahren in Berlin arbeiteten. Zinnemann ist noch in den späten 1920er in die USA weiteremigriert, während Wilder erst nach der Machtergreifung nach Zwischenstation in Paris in die USA ging. Wilder war - wie auch Zinnemann - Jude und wahrscheinlich dürfte seine Emigration mit den verschärften Bedingungen nach der Machtergreifung zu tun gehabt haben.

Der Anfang des Jahres verstorbenen Sally Perel (bekannt geworden als Hitlerjunge Salomon) wurde als Sohn polnisch-jüdischer Eltern, die nach dem 1. Weltkrieg nach Deutschland kamen, in Peine geboren. Einige Jahre nach der Machtergreifung sahen sie sich gezwungen aufgrund der antijüdischen Gesetzgebung nach Polen zurückzukehren.
 
Ich bin auf der such nach Menschen, welche in die Weimarer Republik immigriert sind und dies in einer Biographie o. Ä. festgehalten haben. Bisher stoße ich aber immer nur auf Gesamtwerke, welche immer gleiche Quellen nennen (Jochen Oltmer oder Klaus J. Bade). Vielen Dank schonmal.
Versteh ich nicht ganz.
Du suchst nach Immigranten die eine Autobiografie oder Ähnliches (Briefsammlung, Tagebuch) hinterlassen haben?
Was hast Du vor zu erkunden?
 
Was hast Du vor zu erkunden?

Die Sache ist, dass unsere Arbeit durch präzise Beispiele ergänzt werden soll. Diese lassen sich aber in diesen Gesamtwerken nicht finden, weil diese fast ausschließlich mit Statistiken arbeiten, sprich da fällt kein Name. Deshalb mein Wunsch nach "lebenserzählenden" Quellen, durch welche ich deren Reise bzw. Flucht detailliert/beispielhaft Beschreiben kann.

Ich möchte auch noch allen Beteiligten für ihre Antworten danken :)
 
Eine größere Gruppe an Immigranten bildeten die sogenannten Ostjuden. Größtenteils waren sie schon während des 1. Weltkrieges vor dem russischen Truppen nach Westen geflohen. Allerdings gab es schon Ende des 19. Jahrhundert eine vermehrte Zuwanderung von Ostjuden ins Deutsche Reich, teils geflohen vor Progromen, teils als Arbeitsmigranten.

Die Ostjuden stammten aus Polen, der heutigen Ukraine u.a. und unterschieden sich durch Tracht und Sprache auffällig von den weitgehend angepassten deutschen Juden.

Die Ostjuden galten während der Weimarer Republik als unerwünschte Ausländer und waren insbesondere in Bayern bereits in den frühen 1920ern in von der Ausweisung bedroht. Die Massenabschiebung nach Polen scheiterte am Widerstand Polens.
 
Zuletzt bearbeitet:
Von den Commedian Harmonists waren Roman Cycowski und Ari Leschnikow Anfang der 20er aus Polen und Bulgarien eingewandert.
Als Jugendlicher war ich von dem Dokumentarfilm Eberhard Fechtners über die Gruppe so beeindruckt, dass sie mir bei der Frage nach Immigranten in die Weimarer Republik gleich in den Sinn kam.
 
Deshalb mein Wunsch nach "lebenserzählenden" Quellen, durch welche ich deren Reise bzw. Flucht detailliert/beispielhaft Beschreiben kann.
dafür dürfte dann die mondäne russ. "Migrations high society" nicht so sehr infrage kommen, denn für etliche änderte sich an ihrem luxuriösen Lebensstil und an ihrem Besitz in den Kultur/Kur/Badezentren nichts - lediglich eine Rückkehr in die russ. Heimat war nach der Revolution nicht mehr möglich.
 
Hier geht es nicht in der Hauptsache um die mondäne russische high society:
H.-E. Volkmann, die russische Emigration in Deutschland 1919-29, Würzburg 1966
 
Der berühmeteste Exilrusse in der Weimarer Republik ist wahrscheinlich Leo Gorbatschow - eigentlich ist aber nur sein Wodka berühmt.;)

Berühmter ist daher der spätere Nazi-Funktioniär Alfred Rosenberg kam ebenfalls als russischer Staatsbürger nach Deutschland.

Zu den schillerndsten Personen gehörte der Baltendeutsche Scheubner-Richter. Während der 1. Weltkrieges kam er als deutscher Beamter mit zahlreichen wichtigen Militärs in Ober Ost in Kontakt. 1920 beteiligte sich Scheubner-Richter am Kapp-Putsch. In München gründete er die "Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung" und sammelte in diesem Verein deutsche und russischen Rechtsextremisten, u.a. russische Monarchisten und aus Berlin geflohene Teilnehmer des Kapp-Putsches. In München kam er auch mit der lokalen Nazi-Szene in Kontakt. Scheubner-Richter beteiligte sich 1923 am Hitler-Putsch und wurde dabei von der Polizei erschossen. Er war offensichtlich Hitlers Lieblings-Blutzeuge, denn ihm widmete Hitler sein Pamphlet "Mein Kampf".
 
Leo Szillard flüchtet 1919 von Ungarn nach Berlin. Aus seiner Hochschule wurde er als Jude herausgeprügelt und das antisemitische Horthy-Regime war hinter ihm her, weil er in der kurzen Bela Kun Zeit ein sozialistisches Pamphlet verfasst hatte.
Edward Teller, Eugene Wigner und John von Neumann weichen ebenfalls dem Regime aus und gehen in die liberale Weimarer Republik.
Diese Top-Wissenschaftler werden bald einem deutschen Diktator, weit schlimmer als Horthy, ausweichen müssen.

Diese vier werden schließlich in den USA landen und beim Manhattan Project Schlüsselfiguren sein.
Diese ungarische Gruppe ist so ungewöhnlich, dass sie von Fermi den scherzhaften Spitznamen "Marsmenschen" erhalten.
 
Zurück
Oben