Hier in Auszügen eine Kritik zum Film:
Published on Sunday, December 17, 2006 by CommonDreams.org
Der nüchterne Rassismus von Mel Gibsons Apocalypto
von Liza Grandia
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Ich möchte mich hier nicht anderen akademischen Kritikern anschließen, die nur auf die zahlreichen historischen und archäologischen Ungenauigkeiten eingehen, sondern auf vier rassistische Botschaften eingehen, die der Film dem Publikum mitteilt:
1. Indigene Amerikaner sind austauschbar. Viele Kritiker haben Gibson dafür gelobt, daß er den Film in einer gegenwärtig gesprochenen Mayasprache gedreht und verschiedene indigene Schauspieler eingesetzt hat.
Gibson brüstete sich gegenüber der Presse, wie vergleichsweise billig es gewesen sei, den Film zu machen, weil er diesen Schauspielern und seiner mexikanischen Crew so wenig zahlen mußte. Für mich sahen diese Schauspieler nicht nach Maya aus und hörten sich auch nicht so an. Ihre Sprache war schrecklich [...] Wenn jemand einen Billigfilm über die Bandengewalt in Brooklyn mit australischen und britischen Schauspielern drehen würde, die einen ganz anderen Akzent mitbringen, würden die Kritiker diesen Film auch als "authentisch" loben, nur weil die Schauspieler Englisch sprechen?
2. Mesoamerikanische Kulturen sind alle gleich. Zwar werden wegen der "Authentizität" einige archäologische Details korrekt wiedergegeben, aber dann schmeißt Gibson aztekische Opfer mit Maya-Ritualen zusammen, als seien diese dasselbe. Sicherlich brachte die herrschende Klasse auf dem Höhepunkt der klassischen Maya-Zivilisation ihren Göttern gelegentlich Menschenopfer dar, aber in keiner Weise auf dem Holocaust-Level, den Gibson in Apocalypto darstellt, mit ganzen Feldern voller verwesender, enthaupteter Leichen, über die sein Held Jaguarklaue auf seiner Flucht vor seiner Hinrichtung in der Stadt stolpert. Mit Hilfe des Archäologen Richard Hansen scheint Gibson alles recherchiert zu haben, was die Maya im Lauf einer über tausendjährigen Geschichte falsch gemacht haben und hat das in ein paar schreckliche Tage gezwängt. Wie sähen die Gringos eigentlich aus, wenn wir einen Film machen, in dem nacheinander die Folter in Abu Ghreib und die Lager in Guantanamo erscheinen, die Tuskegee-Experimente, Lynchmorde des Ku Klux Klan, die Schlacht am Wounded Knee, Intrnierungslager für Japaner, den Weg der Tränen, die Hexenjagd von Salem, die Hinrichtungen in texanischen Gefängnissen, die Polizeibrutalität bei Rodney King, das Gemetzel auf dem Schlachtfeld von Gettysburg und die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki - und dies als definitive Aussage über die US-Kultur hinstellen?
3. Die indigenen Völker hätten edle Wilde bleiben sollen, da Versuche, Städte und komplexere politische Organisationen aufzubauen, ihnen den unausweichlichen Abstieg bringt. Gibson will in diesem Film eine Aussage über den Niedergang von Reichen machen. Die einzige klare Aussage, die ich erkennen konnte war, daß die indigenen Völker besser freundliche Jäger und Sammler im Wald geblieben wären und nie hätten versuchen sollen, eine eigene Zivilisation aufzubauen. Gibson ignoriert die Tatsache, daß zur Zeit der spanischen Invasion alle Mayavölker seit Jahrhunderten entweder städtisch oder seßhafte Bauern waren und komplexe Handelsnetzwerke unterhielten und stellt den Stamm seines Helden als rohes, aber glückliches Regenwaldvolk dar, das in Isolation lebt und sich in gesegnetem Unwissen über die korrupten Städte in ihrer Nachbarschaft befinden. Er kontrastiert diese edlen Regenwaldwilden mit den bösartigen Stadtbewohnern wie Sklavenhändlern, despotischen Politikern, psychotischen Priestern und sadistischen Kopfjägern, die alle inmitten verwesender Abfälle, Dreck, Krankheiten und allgemeinem Elend leben. Die tatsächlichen Mayastädte waren Orte mit ausgezeichneten Wasser- und Abwässersystemen, großartigen Bibliotheken und außerordentlicher Kunst und Architektur. Wenn Gibson, wie er gegenüber der Presse behauptet, eine Aussage über die Folgen der Umweltzerstörung drehen wollte, warum hat er keinen Film über die Exzesse der Konzerne in Love Canal oder Three Mile Island gemacht, anstatt den historischen Ruf der alten Maya in den Schmutz zu ziehen?
4. Die Ankunft der Spanier wird fast so dargestellt, als sollten diese die Maya vor sich selbst retten. Nach 2 Stunden schrecklicher Gewalt sehen wir in den letzten Minuten des Films die wunderbare Rettung des Helden Jaguarklaue vor seinen Verfolgern durch das Erscheinen spanischer Galeonen vor der Küste. Die kurze Szene am Ende zeigt harte Spanier, die sich dem Land in Booten nähern und christliche Kreuze über das Wasser bringen. Nachdem er seinen Zuschauern 2 Stunden furchtbarer Gewalt aufgezwungen hat, benutzt Gibson diese sanften Bilder, um dem Publikum einen hoffnungsvollen Seufzer zu erlauben, mit der Aussicht, daß diese europäischen Zivilisationsbringer nun gekommen snd, um das Durcheinander der Maya in Ordnung zu bringen. Indem er seinen Film damit enden läßt, ignoriert Gibson den weitaus größeren Genozid, der den Maya bevorstand. Innerhalb von 100 Jahren nach der Eroberung ermordeten die Spanier 90 bis 95% der Maya-Bevölkerung durch Krankheiten, Krieg, Hunger und Versklavung.
Die Maya-Zivilsation zu verleumnden und zu stereotypisieren und gleichzeitig die Botschaft zu transportieren, der den Maya bevorstehende Holocaust durch die Spanier sei ein "Neuanfang", zeigt, wie rassistisch Gibson wirklich ist - sei es betrunken oder nüchtern.
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Liza Grandia ist Kulturanthropologin und arbeitet seit 1993 mit Maya-Völkern in Guatemala und Belize; sie spricht fließend Q'eqchi' Maya. Sie ist gegenwärtig an der Yale University und arbeitet an einem Buch mit dem Titel: "Unsettling" about the repeated land dispossessions
and enclosures of the Q'eqchi'.
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