Karikaturanalyse vom Kladderadatsch aus dem Jahre 1926 zum Versailler Vertrag

Patrizier

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Hat es einen bestimmten Grund, weshalb in dieser Karikatur aus dem Jahre 1926 alle Landesallegorien der Entente-Mächte dargestellt werden, mit Außnahme einer spezifisch deutschen Allegorie? Ist es möglich, dass man hier Österreich gleichzeitig mit einbeziehen wollte?
 

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Interessant, der deutsche "Hunne" ist begraben, und stemmt sich mit immer noch starken Armen gegen seinen Grabstein, auf dem zwergenafte Gestalten sich kaum noch halten können...
Und auf dem Grab steht "Hier ruht die Wahrheit"

Die Signatur des damaliger Grafikers kann ich leider, trotz Nachbearbeitung nicht entziffern, einer der hiesigen Experten wird mehr darüber wissen..?

Ich selbst sammle ja seit Jahrzehnten die alten Ausgaben des "Simplicissimus", leider nicht die des Kladderadatsch, sorry.
(Das würde auch zu weit führen, irgendwie muß man sich doch doch einmal beschränken)

Micha
PS Es findet sich Onlne sicher eine höher auflösende Abbildung, um den damaligen Grafiker zu identifizieren...
 
---- Pardon, eher abseits des Themas:
Ich selbst sammle ja seit Jahrzehnten die alten Ausgaben des "Simplicissimus"
@MichaG super! Hast du womöglich in deiner Sammlung die Originale mit den herrlichen Wagner-Parodien? Diese
"Was schabst du Schello, schäbiger Schuft? - Ich goge die Gige, geifernder Gauch!"
mit ihren Karikaturen fand ich Klasse, am besten eine rustikale (Festspiel)Kneipenszene mit dem Text
"Deinen Sudel sauf selbst!"
Dann gab es anlässlich der Elektra Uraufführung (Richard Strauss) noch die köstliche Karikatur "die elektrische Hinrichtung", ich glaube, das war auch im Simplicissimus.
Falls du das in deiner Sammlung hast: gut aufbewahren!!!!
 
dekumatland, du findest alle Ausgaben, sehr fein digitalisiert unter diesem Link:

Klick: Simplicissimus · die historische Satirezeitschrift · Startseite

Auf der Seite nutzt du bitte die Suchfunktion, du wirst dort fündig...

Mein letzter Ankauf der Zeitschrift waren drei Bananenkartons voller Ausgaben in dem Jahr 2021, sehr viel Material, habe ich bis heute nicht komplett gesichtet, geschweige denn digitalisiert.
War ein Flohmarktfund in Wiesbaden, der Ankaufpreis war ein Witz, fürs Wegschleppen sozusagen... ;)
(Das waren locker 150 Kilo Papier in drei Kartons, der Anbieter fand keinen Käufer)


Micha
 
ad Patrizier:
Bildbeschreibung:
Starke Hände aus dem Grab, in dem "die Wahrheit ruht", bringen den Grabstein "Vertrag von Versailles", auf dem allegorisch die Mitglieder der vormaligen Entente sitzen, ins Wanken.
Wieso bräuchte es da noch extra eine deutsche (geschweige denn österreichische) Allegorie ?
 
ad hacege:
Ich denke man hätte noch kreativer sein können und bespielsweise auf die Legende um Kaiser Barbarossa zurückgreifen können, wie er aus seinem 1000 Jährigen Schlaf erwacht. Obwohl ich meine darüber gehört zu haben, dass er laut deutscher Legende aus einem Berge herraus erwachen soll, was dann wieder sehr von der Karikatur abweichen würde, weil es ja ein einfaches Steingrab ist und schlafende normalerweise nichts in einem Grab zu suchen haben, sollte man meinen :)
 
Hmm.
Mein Posting liefert nur eine "Bildbeschreibung", von einer Interpretation habe ich bewußt abgesehen - insb. weil die Iconographie der Weimarer Republik und im Detail des "kladderatatsch" nicht so "mein Ding" ist.
 
Wieso bräuchte es da noch extra eine deutsche (geschweige denn österreichische) Allegorie ?
Richtig. Die Allegorie für Dtld. wäre hier auch der Michel mit seiner Schlafmütze* gewesen - hätte die hier gepasst? Rhetorische Frage (das muss man ja mittlerweile dazu schreiben, weil irgendwelche Oberschlaubis (nicht du, hacege und auch nicht du, Patrizier) mittlerweile rhetorische Fragen nicht mehr erkennen oder ob des Effekts Willen nicht erkennen wollen) - nein, natürlich nicht.

*Der dt. Michel hat seinen Ursprung in der zeitgenöss. Kritik des Bürgertums am Bürgertum in der Restaurationszeit/Biedermeier.
 
Dass der deutsche Michel sogar bis in die Zeit der Biedermeier zurückreicht, hätte ich tatsächlich gar nicht angenommen, jedoch macht es letztendlich auch Sinn, weil gerade in dieser Zeitepoche das deutschnationale Bewusstsein aufgeblüht ist.
 
Ich habe ein Zuordnungsproblem - bei den Siegern des 1. Weltkriegs kann ich natürlich Marianne, John Bull, Uncle Sam erkennen. Der Asiate steht vermutlich für Japan. Nur die Figur mit dem Hut, an den Federn (?) gesteckt sind, in der Mitte kann ich irgendwie nicht mit einer Nation in Verbindung bringen. Dabei handelt es sich vermutlich um Italien, aber was für eine Figur sollte das sein?
 
Die Figur mit den Federn scheint tatsächlich schlicht und ergreifend ein einfacher italienischer Soldat zu sein, denn die Form des Hutes/Helmes und die Federn sprechen dafür. Schnauzbärte wie bei diesem waren hingegen bei allen Nationen der damilegen Zeit ein üblicher Trend.

Hier ein kolorisiertes Bild italienischer Soldaten aus dem 1WK:
1716492494837.jpeg
 
Interessant, dass dieses Motiv für Italien gewählt wurde. In Ermangelung eines bekannteren wie z.B. John Bull?
 
ad hacege:
Ich denke man hätte noch kreativer sein können und bespielsweise auf die Legende um Kaiser Barbarossa zurückgreifen können, wie er aus seinem 1000 Jährigen Schlaf erwacht. Obwohl ich meine darüber gehört zu haben, dass er laut deutscher Legende aus einem Berge herraus erwachen soll, was dann wieder sehr von der Karikatur abweichen würde, weil es ja ein einfaches Steingrab ist und schlafende normalerweise nichts in einem Grab zu suchen haben, sollte man meinen :)
Der Bismarck sitzt 1908 im Berg und fragt den Höhlenzwerg ob die Papageien draußen noch fliegen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hat es einen bestimmten Grund, weshalb in dieser Karikatur aus dem Jahre 1926 alle Landesallegorien der Entente-Mächte dargestellt werden, mit Außnahme einer spezifisch deutschen Allegorie? Ist es möglich, dass man hier Österreich gleichzeitig mit einbeziehen wollte?
Der Kladderadatsch wurde lt. Wiki 1923 von Hugo Stinnes gekauft und wandelte sich ab dann von einer liberalen zu einem rechtsnationalistischen Satireblatt. Die diskutierte Karikatur ist von 24. Oktober 1926. Das wär schon mal ein Anhaltspunkt.

Bezieht sich die Karikatur auf ein Ereignis mit Aktualität?
 
Die Figur mit den Federn scheint tatsächlich schlicht und ergreifend ein einfacher italienischer Soldat zu sein, denn die Form des Hutes/Helmes und die Federn sprechen dafür.
Kleiner Fun-Fact nebenbei:
Die norwegische Garde hat sich das von den italienischen Bersaglieri abgeguckt und trägt noch heute Hüte ähnlicher Form.
Aber Norwegen ist bei der Karikatur sicher nicht gemeint, da am 1.Wk nicht beteiligt, und dann wäre "Ola Nordmann" zu sehen.
 
Muss ich - nachdem ich mir das schon monatelang denke - auch einmal schreiben:
Die Inbrust, mit der sich das Forum an kleinsten Nebensächlichkeiten festbeissen kann, ist irgendwie fast bewunderungswürdig...
 
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