Kindes-Aussetzung

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in der Antike und Mittelalter? War es in diesen Epochen
llegitim (oder zumindest legal) Kinder auszusetzen, gegebenfalls auch zu töten? Aus wirtschaftlichen Gründen nur - oder auch aus anderen Motiven?
Wann und wodurch änderte sich das dann entscheidend?
 
Für die Antike überlasse ich die detaillierte Darlegung den entsprechenden Spezialisten, für das Mittelalter einige grundsätzliche Anmerkungen, wenngleich die Thematik nicht so einfach mit Termini wie "legal/illegal" bzw. "legitim/illegitim" zu beantworten ist.

Zwischen drei Kontexten ist hier zu differenzieren:
1. Kindesaussetzung
2. Kindestötung i.S.v. Kindesmord
3. Abtreibung

1. war zwar genaugenommen unter Strafandrohung verboten, war jedoch - aus wirtschaftlichen und gesellschaftlichen (bspw. uneheliche Kinder) Gründen - praktisch derart verbreitet, daß von kirchlicher Seite mittels Einrichtungen für Findelkinder darauf reagiert wurde.
2. war strafbar, wobei zwischen kirchlicher Sichtweise (geächtetes Verbrechen) und weltlicher Rechtsdurchsetzung (nicht immer und überall intensiv verfolgt) zu differenzieren ist. Dies änderte sich zu Beginn der Frühen Neuzeit, da nach der neuen Rechtsverordnung (Carolina, 1532) die Verfolgung durch weltliche Obrigkeiten verstärkt wurde.
3. war kontrovers: eigentlich wurde Abtreibung grundsätzlich abgelehnt, nach der gültigen medizinischen Lehre des Aristoteles war der Schwangerschaftsabbruch jedoch erlaubt, solange die Leibesfrucht noch nicht als beseelt galt (40-Tage-Indikation).

Dazu einige Links:
http://www.geschichtsforum.de/276954-post4.html
Kindheit, 1 - Kindheit im Mittelalter und in der frühen Neuzeit
Kindesaussetzung
Kindesmord
Abtreibung
Verdingung

Und noch eine relevante Passage zur Kindesaussetzung:
Historischer Überblick schrieb:
...
Erzbischof Dathens gründete 787 in Mailand die erste Einrichtung für Findelkinder. Mütter, die ihre Kinder aussetzen wollten, wurden damals schon vor der Niederkunft aufgenommen. Die Kinder wurden bis zum Alter von 7 Jahren betreut. Weitere derartige Einrichtungen entstanden u.a. in Siena (832), Padua (1000), Montpellier (1070) und Marseille (1199).

In mittelalterlichen Klöstern fanden sich "Drehladen". Mütter konnten ihre Kinder von der Außenseite der Klostermauer über eine Drehvorrichtung ("Drehladen") anonym in das Klosterinnere bringen und - meist Nonnen - anvertrauen.
...
Von Babyklappe - Sinn und Problematik
 
in der Antike und Mittelalter? War es in diesen Epochen
llegitim (oder zumindest legal) Kinder auszusetzen, gegebenfalls auch zu töten? Aus wirtschaftlichen Gründen nur - oder auch aus anderen Motiven?
Wann und wodurch änderte sich das dann entscheidend?
Bekanntestes Beispiel hierfür ist Sparta, wo eine staatliche Kommision über das Weiterleben entschied. In den anderen Poleis wurden mWn Kinder auch ausgesetzt, aber
a) als Privatangelegenheit
b) durften andere Bürger das ungewollte Kind adoptieren
c) es geschah aus wirtschaftlichen Gründen (könnte mich das Kind im Alter stützen)
Da Spartiaten durch die Heloten (Staatssklaven) versorgt wurden, ging es hier nicht um potentielle Ernährer, sondern Verteidiger des Staates.

Soviel zu den Griechen
 
Kinder töten durch rituelle Opferung (Menschenopferung). Außerhalb der klassischen Antike-Staaten normal (Phönizien, Karthago). In Europa wie in anderen Erdteilen vor der Zeitenwende.
Ab 97 v.Chr. im Römischen Reich verboten.

In deutschen Märchen und Sagen werden Kinderopfer bis ins 19.Jahrhundert beschrieben.
 
Ich hab mal gehört (weiß aber leider nicht mehr wo), dass es bei den Wikingern üblich war das neugeborene Kind vor die Tür zu legen, um festzustellen, ob es in die Familie aufgenommen wird oder nicht. Stimmt das wirklich?
 
Ich las neulich u.a. folgendes (Auszug) :

"Nach solchem Gesetze hab ich dich geehrt,
Dem Kreon aber schien es eine Sünde."
Sophokles, Antigone

Wie kam die Statue einer Kindsmörderin auf die Akropolis? Die Tötung eines nächsten Angehörigen zur Wiederherstellung der Familienehre gilt dem herrschenden Bewusstsein heute als abscheulicher Inbegriff eines barbarischen Ethos. Dabei ist am heiligsten Ort der klassischen Kultur des Westens, auf der Akropolis von Athen, im Jahre 1836 eine Statuengruppe gefunden worden, die eine Kindsmörderin zeigt, deren Motiv die Vergeltung einer Familienschande war.
 
Prokne

Prokne war der Überlieferung zufolge die Tochter des athenischen Königs Pandion. Ihr
Vater gab sie einem Verbündeten zur Frau, Tereus, dem König von Thrakien, dem sie einen
Sohn namens Itys gebar. Von Sehnsucht nach Heimat und Familie erfasst, bat Prokne ihren
Gemahl, ihre Schwester Philomela noch einmal sehen zu dürfen. Tereus reiste nach Athen,
um seine Schwägerin nach Thrakien zu geleiten, aber während der Überfahrt vergewaltigte
er sie. Zur Vertuschung der Schändung schnintt er ihr die Zunge ab. Philomela offenbarte
sich ihrer Schwester, indem sie ihre Geschichte zu einem Stück Stoff wob. Prokne tötete
ihren Sohn, kochte das Fleisch und setzte es dem Vater des Kindes vor. Ovid erzählt, dass
Philomela von den Göttern in eine Schwalbe verwandelt wurde und Prokne in eine Nachtigall.

Was sollte die Statue der zu Kindsmord und Kannibalismus entschlossenen Prinzessin im
Stadtheiligtum der Athener bedeuten ? ? ?
 
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