Kowalczuk und Ramelow: Die neue Mauer - ein Gespräch über den Osten

tegula

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Es war eines der meistbeachteten Bücher des Jahres: Ilko-Sascha Kowalczuk und Bodo Ramelow reden über den Osten. Spannendes Format, nicht immer fesselnd. Hat es bereits jemand gelesen? Mein Statement dazu:

Ilko-Sascha Kowalczuk und Bodo Ramelow: In unserer gesellschaftlich aufgeheizten Gemengelage sind diese Namen bereits Grund genug, Feindbildern zu frönen. Der eine ist Historiker (und somit zugleich Wissenschaftler), der andere Politiker, noch dazu Linker. Doch die beiden haben in ihrem gemeinsamen Buch etwas zu sagen, was von Relevanz ist. Dabei irritiert und besticht zunächst das ungewöhnliche Format. Wir haben hier kein Sachbuch vor uns; vielmehr wurden Gespräche zwischen den beiden Protagonisten verschriftlicht, die sie zur Entwicklung Ostdeutschlands seit der Wende geführt haben. Ausgangspunkt sind die Biografien von Kowalczuk und Ramelow, die in ihren Voraussetzungen kaum unterschiedlicher sein könnten, gleichzeitig aber doch viele gemeinsame Schnittpunkte aufweisen. Dabei erfährt man, dass Ramelow, der als Ministerpräsident von Thüringen viele Jahre als das Aushängeschild einer realpolitischen Linken fungierte, eigentlich aus Westdeutschland stammte und erst nach der Wende in die neuen Bundesländer umsiedelte.

Wenn man über die Geschichte Ostdeutschlands seit 1989 debattiert, setzt man sich stets einem Minenfeld aus Klischees und Verallgemeinerungen aus. Dennoch müssen Probleme und Diskrepanzen im Verhältnis von West- und Ostdeutschland benannt werden, um das Phänomen zweier unterschiedlich tickender Landesteile im Ansatz verstehen zu können. Kowalczuk und Ramelow gelingt dieser Spagat weitestgehend, auch aufgrund ihres intellektuellen Hintergrundes und der Materie, die Teil ihres Lebens ist.

Woran das Buch eher krankt, sind die fehlende Struktur und der streiflichtartige Charakter der Themen. Dies ist aber dem ungewöhnlichen Format anzurechnen. Immer wieder schweifen die Diskutanten ab, greifen Themenfelder auch mehrfach auf, sodass man sich als Leser gelegentlich fragt, an welcher Stelle denn der rote Faden, der Bezug zum Kernthema Ostdeutschland verloren gegangen ist. Der Austausch zweier Insider ostdeutscher Zeitgeschichte ist fakten- und kenntnisreich, kann den Leser aber phasenweise in seiner Detailfülle überfordern. Wer Antworten auf die Frage nach den Ursachen der Entwicklung in Ostdeutschland seit der Wende sucht, wird vielleicht sogar in Teilen enttäuscht werden. Dort, wo sie gegeben werden, wirken sie nur selten als neue Erkenntnis. Das mag aber auch an der medialen Präsenz der unübersehbaren Mauer liegen, die Ost und West zunehmend zu teilen scheint.

Meine Rezension im Detail:

 
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