Repräsentative Demokratie

Rephaim

Aktives Mitglied
Hallo,

weiß jemand, ob die rep. Demokratie vorwiegend aus praktischen Gründen (500.000 Menschen passen nicht in ein Amphitheater) eingeführt wurde oder gab es gewichtigere Gründe dafür?

Kennt jemand dazu genaue Quellen?

Bin für jeden Hinweis dankbar.
 
Die praktischen Gründe scheinen hier doch gewichtig genug zu sein. In Rom gab es mit der Volksversammlung ein mitunter starkes Organ (man denke nur an die Gracchen, die damit ihre Politik betrieben). Daran nahmen aber auch nur 2-3000 Römer teil - bei einer Stadtbevölkerung von mehreren hunderttausend. Der Rest wohnte zu weit weg, hatte keine Zeit, keine Lust, keine Ahnung, was auch immer für Gründe. Ich vermute, dass viele der Bewohner der Außenbezirke nicht mal wussten, wer das Brot schickte, das an sie verteilt wurde.
 
Nicht nur. Ich beziehe mich v.a. auf die Entstehung der USA als erste "moderne" Demokratie der Neuzeit im Vegleich mit der bekanntesten direkten Demokratie, dem antiken Athen.

Die direkte Demokratie wurde mWn durchaus nicht nur als Vorbild gesehen. Die von antiken Autoren belegte Wankelmütigkeit der attischen Volksversammlung, insbesonders in Verbindung mit der Rolle der "Demagogen", wurde wohl auch negativ rezipiert, als Gefahrenquelle bzw destabilisierender Faktor.

Auch sind bei der praktischen Umsetzung nicht nur die reine Zahl der Menschen eom Problem, sondern auch die räumliche Entfernung. Eine Polis mit einem städtischen Zentrum und einem überschaubaren Umland ist etwas ganz anderes als ein großer, im Falle der USA auch noch weitgehend dünn besiedelter Flächenstaat. Hier scheitert die direkte Versammlung der Bürger nicht nur am fehlenden Versammlungsraum bzw der unpraktikablen Größe, schon die Anreise zu einer solchen hypothetischen Versammlung ist der Mehrzahl der nicht in der Hauptstadt wohnenden Bürger unmöglich. (Auch das war wohl schon in Athen ein Problem.)

Als Vorbild gherade für die föderativ aufgebauten USA könnten eher die Verfassungen der antiken Bünde gedient haben, die den einzelnen Poleis gleiche Mitspracherechte in einer Bundesversammlung gewährten. (So das so war, der attisch-delische Seebund war wohl weniger vorbildhaft...) Glaub in dem Zusammenhang mal was über den achaiischen Bund gelesen zu haben.
 
Leider sind uns ja in der Gegenwart solche interessante Beobachtungsräume wie Appenzell Innerrhoden entzogen, wo alle Männer durch Aufheben des Seitgewehrs (Säbel in die Luft) auf dem Marktplatz abstimmten. Auch hier musste Gerechtigkeit und Frauenwahlrecht her, was ich eigentlich ja gut finde, aber uns nun dieses interessante Beobachtungsmodell genommen hat. Soweit mal OT.

Unser Fragesteller wollte aber wohl nicht wissen, welche Vorzüge und Nachteile eine direkte Demokratie einer repräsentativen Lösung gegenüber hat, sondern WELCHE MOTIVE historisch zum Übergang zur repräsentativen Demokratie geführt haben.
 
Motive für den Übergang zur Repräsentativen Demokratie

Vielleicht hilft es weiter, wenn wir zunächt von der eher abstrakten Ebene der Verwaltung eines ganzen Landes auf ein überschaubares Dorf zurückschalten. Wir haben da wenige hundert Menschen, die sich alle persönlich gut kennen und jeder hat von jedem eine Meinung. Auf dieser Ebene könnte man durchaus Entscheidungen plenar fällen, also alle Dorfbewohner versammeln, Fragen diskutieren und dann abstimmen. Tatsächlich finden sich aber wohl in fast allen Kulturen Strukturen wie ein Rat (z.B. die alten Männer und/oder Frauen), ein Häuptling (heute Bürgermeister). Mal geschieht dies durch formale Vererbung (der Sohn des alten Häuptlings wird Häuptling), mal durch Kampf (wer besser sufen oder raufen kann ersetzt den Häuptling), mal durch Wahl (turnusmäßig oder im Bedarfsfall). Selbst wenn es keine formale Struktur gibt, bildet sich in jeder Menschengruppe mit starkem Zusammenhalt ziemlich schnell eine Führungsstruktur aus.

Wenn die Entscheidung per Ringkampf oder Vererbung erfolgt, hat das mit Demokratie nichts zu tun. Wenn alle Dorfbewohner, oder auch nur alle Haushaltsvorstände oder alle Männer oder alle Frauen abstimmen, kann man das wohl als demokratisch bezeichnen. Noch demokratischer wird es, wenn die Wahl geheim abgehalten wird, so dass niemand persönliche Nachteile aus seinem Stimmverhalten fürchten muss.

Der Übergang von der sportlichen Lösung zur Mehrheitsentscheidung mag darin begründet sein, dass man nicht die schlimmsten Raufbolde zum Häuptling machen will. Vielleicht ist der Übergang von der Plenarentscheidung zur Übertragung auf einzelne gewählte Personen auch eine Vereinfachung: Wenn ein Problem diskutiert wird, finden viele Dorfbewohner die anstehenden Fragen für sie persönlich unwichtig oder sind wankelmütig. Es setzen sich immer wieder die Vorschläge von nur zwei oder drei Personen durch, vielleicht auch zunehmend die Vorschläge einer bestimmten Person, die von einigen Meinungsführern unterstützt wird. Dann ist es doch viel einfacher, diesen Personen die Entscheidungsbefugnis zu übertragen und man hat Zeit sich um Acker und Vieh zu kümmern.
 
Zurück
Oben