Revolutionen von oben

Klaus

Aktives Mitglied
Nachdem gerade ein neuer Thread über Revolutionen initiiert wurde, fühle ich mich aufgerufen, mal eine Diskussion über "Revolutionen von oben" zu beginnen.

Das Faszinierende an einer Revolution von oben - wie ich sie definiere - ist

Sie wird vom Inhaber der Macht (m/w) vorangetrieben. Er reformiert grundlegend die Strukturen des Staates. Dies tut er, weil es notwendig ist, um den Staat vor dem Niedergang zu bewahren. Er wendet sich dabei zwangsläufig gegen die Machtelite seines eigenen Landes, da diese die Ursache des Niedergangs ist, sich aber allen Veränderungen aus Eigennutz widersetzt.

Der Machthaber ist der Einzige, der die notwendigen Veränderungen durchsetzen kann, da nur er einen entsprechenden Zugriff zu die Machtmitteln hat. Da er gegen seine eigene Machtbasis putscht, braucht er starke Verbündete, z. B. in der Armee (diese dürfen aber nicht die Spitzen dieser Machtfaktoren darstellen, denn sonst wäre ja keine Revolution nötig). Ausländische Mächte sind als Verbündete tabu, denn das wäre Hochverrat. Aus Sicht seiner Gegener, dem politischen Establishment, ist ein solcher Herrscher trotzdem ein Verräter (an ihnen), weil er nicht in dem Sinne handelt, für den er an die Spitze gehoben wurde.

Ein solcher Revolutionär muss eine außergewöhnliche Persönlichkeit sein, denn er wirft alles über den Haufen, was er eigentlich darstellen sollte. Er nimmt enorme persönliche Risiken in Kauf. Er muss die Orientierung über seine politischen Ziele außerhalb der Gesellschaft seines Landes finden (oft gibt es kein reales Vorbild und kann es keines geben), und er muss so fest davon überzeugt sein, dass er seine Ziele gegen alle Widerstände über lange Zeit verfolgen kann.

Beispiele, die mir einfallen wären

Octavian/ Augustus, der 200 Senatoren umbrachte, um seine Reform durchzusetzen. Ein essentieller Aspekt seiner Reform war die Neuverteilung von Agrarland, das aber zum großen Teil den Senatoren gehörte.
Die These ist (Herfried Munkler - "Imperien"), dass Rom in periodischen Abständen eine Paralyse auf Grund der Verkrustung von Strukturen drohte und diese durch brachiale Methoden von einigen außergewöhnlichen Persönlichkeiten überwunden werden konnten (Romulus Augustulus gehörte nicht dazu), so dass ein neuer Zyklus der Stabilität eingeleitet werden konnte.

Weitere Kandidaten wären Peter der Große, Elisabeth I, Echnaton,...

Was meint ihr ?
 
Ein äußerst spannendes Thema!

Das Faszinierende an einer Revolution von oben - wie ich sie definiere - ist

Sie wird vom Inhaber der Macht (m/w) vorangetrieben. Er reformiert grundlegend die Strukturen des Staates. Dies tut er, weil es notwendig ist, um den Staat vor dem Niedergang zu bewahren. Er wendet sich dabei zwangsläufig gegen die Machtelite seines eigenen Landes, da diese die Ursache des Niedergangs ist, sich aber allen Veränderungen aus Eigennutz widersetzt.

Soweit d´accord, wobei ich statt "Reformer" "Revolutionär" verwenden und auch einfügen würde, dass aus seiner Sicht ein Niedergang abgewendet werden müsse.

Der Machthaber ist der Einzige, der die notwendigen Veränderungen durchsetzen kann, da nur er einen entsprechenden Zugriff zu die Machtmitteln hat.

Hier könnte man einwenden, dass "Revolutionen von oben" oft Präventivcharakter hatten, die Revolutionäre also einem sich hypothetisch anbahnenden Machtzugriff anderer Gruppen zuvorkommen wollten. Wikipedia nennt hier einige Beispiele, von denen nicht alle überzeugen. U. a. werden die "Reichsgründung von oben" oder das Allgemeine Landrecht erwähnt. Vgl. Revolution von oben ? Wikipedia

Da er gegen seine eigene Machtbasis putscht, braucht er starke Verbündete, z. B. in der Armee (diese dürfen aber nicht die Spitzen dieser Machtfaktoren darstellen, denn sonst wäre ja keine Revolution nötig).

Hier stimme ich wieder überein.

Ausländische Mächte sind als Verbündete tabu, denn das wäre Hochverrat.

Hier wiederum vermag ich nicht zuzustimmen, da, wie du selbst erläuterst, der Revolutionär - so es überhaupt ein Vorbild gibt - die

Orientierung über seine politischen Ziele außerhalb der Gesellschaft seines Landes finden

muss. Hier liegen Bündnisse - ob ganz praktische oder nur ideelle - natürlich nahe. Man könnte an "Gorbatschows Revolution von oben" (so der gleichnamige Titel eines Sammelbandes von M. Mommsen und H.-H. Schröder, Frankfurt am Main 1987) denken.

Deinen Thesen zur Persönlichkeitstruktur unseres potentiellen Revolutionärs kann ich wiederum nur vollends beipflichten.

Ich freue mich auf eine interessante Diskussion!
 
Zuletzt bearbeitet:
hallo, und wie sieht es mit solon in griechenland um 600 v. c. aus?

zur info, hab die selbe frage aus versehen auch als gast gestellt.
 
Nur bedingt revolutionär. Solons Arbeit bestand im wesentlichen darin dass System verbindlicher zur gestalten, damit Politik nicht länger als Hobby, sondern Aufgabe (oder sogar Pflicht) wahrgenommen wird.
Revolutionär war höchstens die Aufhebung der Schuldknechtschaft und Rückkauf vieler Bürger.
 
in der Antike und bis ins Mittelalter hinein war es vielerorts üblich, dass das "Fussvolk" dieselbe Religion hatte wie der König/Kaiser. Insofern haben diesbezüglich Revolutionen (im religiösen Sinne) stattgefunden, man denke insbesondere an Theodosius (römischer Kaiser, der das Christentum zur Staatsreligion erhob) oder an den Frankenkönig Chlodwig, der sich taufen liess.

In einigen Fällen waren diese Revolutionen sogar sehr blutig (man denke an Karl den Grossen).
 
in der Antike und bis ins Mittelalter hinein war es vielerorts üblich, dass das "Fussvolk" dieselbe Religion hatte wie der König/Kaiser. Insofern haben diesbezüglich Revolutionen (im religiösen Sinne) stattgefunden, man denke insbesondere an Theodosius (römischer Kaiser, der das Christentum zur Staatsreligion erhob) oder an den Frankenkönig Chlodwig, der sich taufen liess.

In einigen Fällen waren diese Revolutionen sogar sehr blutig (man denke an Karl den Grossen).

Der Gedanke, Zwangsmissionierungen mit Revolutionen gleichzusetzen, hat etwas, wenn ich mir auch sicher bin, dass er kontrovers diskutiert werden könnte.

Im Falle Karls erscheint es mir - wenn du auf die Sachsenkriege und das Blutgericht von Verden anspielen solltest - jedoch problematisch, von einer Revolution zu sprechen, handelte es sich doch kriegerische Auseinandersetzung mit bis dahin den Franken nicht untertänigen Gruppen.
 

JA!

bzw. auch NEIN!

Kommt darauf an, welche Elemente seiner Politik hier gemeint sind.

Die Feldzüge zur Vereinigung Chinas würde ich nicht als Revolution bezeichnen (aus dem selben Grund, aus dem ich meine Interpretation megatrends Äußerungen zu Karl dem Großen nicht als Revolution bezeichnen würde).

Die innenpolitischen Reformen könnten allerdings sehr wohl als "revolutionär" bezeichnet werden.

Vgl.: Qin Shihuangdi ? Wikipedia
 
JA!

bzw. auch NEIN!

Kommt darauf an, welche Elemente seiner Politik hier gemeint sind.

Die Feldzüge zur Vereinigung Chinas würde ich nicht als Revolution bezeichnen (aus dem selben Grund, aus dem ich meine Interpretation megatrends Äußerungen zu Karl dem Großen nicht als Revolution bezeichnen würde).

Die innenpolitischen Reformen könnten allerdings sehr wohl als "revolutionär" bezeichnet werden.

Vgl.: Qin Shihuangdi ? Wikipedia

die innenpolitischen meinte ich ja auch nur, schriftwesen, münzwesen, einheitsmaße etc. , gilt zum teil bis heute!
 
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