Schriftl. Fixierung römischen Rechts?

Hospes

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Ich habe eine Frage für eine bald kommende (mündliche) Prüfung:

Waren wichtige rechtliche Merkmale der römischen Republik schriftlich fixiert? Wurden z.B. das Annuitätsprinzip (jedes Jahr neue Magistraten) oder Kollegialitätsprinzip irgendwo in Stein gemeisselt und öffentlich auf dem Forum Romanum aufgestellt? Oder eher nicht?

Ich möchte nämlich folgende These in meiner mündlichen Prüfung (brauche daher keine Quellennachweise/Zitate) aufstellen:

"Die Krise der römischen Republik wurde u.a. dadurch erleichtert, dass die Römer kein schriftlich fixiertes Recht besassen, sondern sich auf das "mos maiorum" besannen (also eher eine Art Konsens, Übereinstimmung "im Geiste".
Dadurch war es leichter (z.B. für Tiberius Gracchus), gegen Gewohnheiten zu verstossen, da diese ja nicht schriftlich fixiert waren - es konnte quasi keiner auf eine Inschrift zeigen und sagen: "Was Du machst, ist gesetzeswidrig, hier steht's schwarz auf weiss".
Natürlich wurden Verstösse gegen das nicht aufgeschriebene "mos maiorum" auch bestraft (man sieht's ja an Gracchus' Ende), aber ich denke, die psychologische Hemmschwelle beim Verstoss ist niedriger, wenn der entsprechende Grundsatz nicht schriftlich fixiert ist."

Ist diese These haltbar?
Vielen Dank für Antworten!
 
Zuletzt bearbeitet:
eine erste schriftliche Fassung von römischen Gesetzen gibt es im 12-Tafel -Gesetz, das um 450 vor Christus schon schriftlich festgehalten wurde und auch noch, natürlich unter Berücksichtigung der Entwicklung, Cicero bekannt war. Viele Gesetze sind uns jedoch nicht erhalten aber ich denke, dass es klar gegen die These spricht.
 
Ist diese These haltbar?

Nein, das glaube ich nicht. Zu vielfältig sind die beispiele stabiler Gesellschaftsordnungen ohne codifiziertes Recht. Deine These scheint mir doch all zu sehr auf heutigem (insb. deutschem) Denken zu beruhen, daß es für alles und jedes einer schriftlichen Norm bedarf. Das scheint mir auf sehr tönernen Füßen zu stehen. Zudem solltest du doch wohl auch bei einer mündlichen Prüfung die Quellen zumindest im Hinterkopf haben. ;)
 
Doch, natürlich wurden Gesetze schon in früher republikanischer Zeit schriftlich fixiert. Anders wäre es auch gar nicht möglich gewesen, da ständig neue Rechtsvorschriften dazukamen oder alte entscheidend abgeändert wurden. Der ältere Gracchus beispielsweise hätte sich bei der Neuverteilung des ager publicus kaum auf eine mündlich überlieferte Rechtsvorschrift berufen können, wenn der Usus schon längst völlig andere Besitzverhältnisse geschaffen hatte, stattdessen hatte er aber die lex licinia, auf die er sich berufen konnte.

Die Gesetze, die auf Initiative von Magistraten in gesetzgebenden Volksversammlungen durch Abstimmung Gesetzeskraft erlangten, wurden nicht nur öffentlich ausgehängt, sondern auch in Büchern festgehalten. Spätestens seit dem Ende des 4. Jahrhunderts v.Chr. gab es auch eine eigenständige Rechtsliteratur, die der Überlieferung gemäß mit Appius Claudius Caecus und seinem Sekretär Cn. Flavius begann (M. Bretone, Geschichte des römischen Rechts S. 111). Das ist das Zeug, das
Cicero bei Scaevola pauken musste ;-)

Insofern ist deine These nicht haltbar.
 
Allerdings machten die leges nur einen Bruchteil des römischen Rechts aus.
Da kommen ja noch senatus consultum, die Edikte der Prätoren und anderer Magistrate, überlieferte Rechtsgutachten verschiedener Schulen, die heiligen Spruchformeln, die Vorschriften über das Formularverfahren und und und dazu.

Die "Verfassung" und ihre wesentlichen Prinzipien waren nicht schriftlich fixiert worden.

Deine These ist meines Erachtens aus folgenden Gründen nicht haltbar:
1. Die Krise der späten Republik ist eine Folge sozialer Verwerfungen. Der republikanische Staat in seiner Verfaßtheit hatte eine bestimmte gesellschaftliche Konstellation zum Ausgangspunkt und als Basis. Die Krise der Republik ist eine Krise des Kleinbauerntums. Zweiter wesentlicher Faktor war das Klientelsystem. Dieses brachte spätestens mit der Heeresreform des Marius die Machtbalance des Staates aus den Fugen.

2. Zum Zeitpunkt der Krise der späten Republik blickten die Römer auf eine bereits Jahrhunderte alte und gefestigte Rechtstradition zurück. Diese setzte den Handlungsmöglichkeiten der Protagonisten der Krise ebenso starke Grenzen wie codifiziertes Recht es getan hätte. Insbesondere die "Sitten der Väter" waren den Römern heilig.
Jedes Recht, nicht nur das geschriebene, war für die Römer in seinem Ursprung göttlich. Die ganz frühen Spruchformelverfahren dienten folgerichtig nicht der Herstellung von Rechtsfrieden zwischen den Streiparteien oder auch nur der Durchsetzung der Gerechtigkeit oder des Rechts einer Streitpartei. Nein, es ging in erster Linie darum, die durch den Rechtsbruch erzürnte Gottheit zu besänftigen, indem man die richtige Formel im richtigen Verfahren richtig sprach.
Überhaupt sind die Römer in einem Punkt einzigartig in der Geschichte:
auf der einen Seite äußert traditionell, andererseits gleichzeitig tolerant, aufgeschlossen, pragmatisch.
Somit solltest Du die Bedeutung ungeschriebenen Rechts und den Einfluß der "Sitten" sehr hoch hängen.
 
Vielen Dank für die ausführlichen Antworten!

Werde nun die These nicht verwenden und eher auf die Wichtigkeit der ungeschriebenen Gesetze (mos maiorum) eingehen - danke nochmal an alle!
 
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