Ursachen und Phänomen der Landflucht

"Dabei [bei seinem Staatsstreich, Anm.] konnte er das latente Unruhepotential ausnutzen, das von den vielen sullanischen Veteranen, die größtenteils verschuldet waren, und den ehemaligen Landbesitzern ausging, die von Sulla enteignet worden waren. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte wirklich von einer Verschwörung gesprochen werden." (Wikipedia, Catilianische Verschwörung)
 
Okay vielen Dank das hilft mir alles schon sehr viel weiter :)!

Aber jetz hab ich trotzdem noch eine Frage:
Gab es damals irgendwelche soziale Unterstützung für das Volk in der Stadt?
Vielleicht durch irgendwelche Zahlungen oder andere Schenkungen?
 
Es gab die tesserae frumentariae, allerdings erst am der Kaiserzeit. Die berichtigten die Bürger Roms zum Erhalt von Getreidezuweisungen.
 
Nun, es gab zumindest in den Zeiten der Republik in Stadt ein sogenanntes Klientelsystem. Wohlhabende Bürger unterhielten für gewöhnlich ein Netzwerk von Klienten, die ihn als Schutzherren anerkannten.

Diese Klienten unterstützten ihren Patron politisch (z.B. im Volkstribunat) und sicherten ihm somit Macht und Einfluß, selbiger revanchierte sich dagegen mit finanzieller Unterstützung und Nahrung sowie rechtlichem Beistand und bei Bedarf sogar mit einem anständigen Begräbnis. Der Patron übernahm somit zum Teil die Unterstützungsdienste, die heute der Staat erbringt.
 
Hö? Was meinstn jetz damit? Ja ich muss ein Referat halten über die Ursachen und Phänomene der Landflucht!

Ich tu mir da echt schwer irgendwie!
So schwer ist das ja nicht. Wenn der Zivilsationsgrad einer Gesellschaft steigt werden Agrarprodukte billiger. Bäuerliche Hilfskräfte werden, aufgrund einer steigenden Technisierung wegrationalisiert. Pöbel hat den Hang zur übermässigen Reproduzierung. Irgendwann hat sich das ganze Proletariat so dermassen vermehrt, dass auch der gutwilligste Grundherr keine Möglichkeit der Beschäftigung mehr sieht. Die Folge ist dann die Flucht in die Stadt. Jetzt entfaltet sich das Problem aller hochentwicklten Gesellschaften zur vollen Grösse, das Pack stellt Ansprüche, man lebt ja in der Metropole, man hätte jetzt gerne von dem Reichtum der Klugen und Fleissigen, ist aber zu blöd und zu faul, um Selbiges zu erreichen. Jetzt kommen die Sozialreformen, die auf kurz oder lang jedes Imperium in die Knie zwingen. Das Proletariat trägt nichts zum Gelingen einer Gesellschaft bei. Landflucht eben, schon vor 2000 Jahren ein unlösbares Problem. Die Lösung war in der Geschichte eigentlich immer Krieg.
 
Tut mir leid, da bin ich anderer Meinung:

So schwer ist das ja nicht. Durch die Kriegsgewinne der Ritter und Senatoren kam immer mehr Land in deren Hände, das durch billige Sklavenarbeit bewirtschaftet wurde. Freie Bauern konnten am Markt nicht mehr mitbieten, gerieten in Schulden und wurden von ihrem Land gedrängt. Die besitzenden Klassen haben den Hang zur weitergreifenden Besitzakkumulation. Irgendwann hatten die Großgrundbesitzer ihren Besitz so weit ausgedehnt, dass selbst dem freiesten Bauern nichts als die Stadtflucht blieb. Die Folge ist dann der Versuch, als industrieller Arbeiter in der Stadt sein geld zu verdienen. Jetzt entfaltet sich das Problem der Klassengesellschaft zu voller Größe, die besitzende Klasse stellt weitere Ansprüche und entfacht Kriege, um sich neue Landstriche und Ressourcen unter den Nagel zu reissen. In früheren Zeiten wurde noch die Kriegsbeute gerecht verteilt, jetzt nicht mehr, die Entschädigung für einen Krieg von 10-20 Jahren lohnt sich nur für die, welche Landbesitz bekommen, und das sind die Senatoren. Nichtsdestotrotz haben die Plebejer Stimmrecht und Einfluss, werden von den Gierigen und Skrupellosen der besitzenden Klassen mit Brotverteilungen halbwegs bei Laune gehalten. Dabei bleiben sie stets in Angst vor dem Abrutschen in die Unfreiheit und stets entfernt von den Aufstiegsmöglichkeiten in eine marginale Mittelschicht.
Jetzt kommen die "starken Männer", die über kurz oder lang jeden von Gesellschaftsproblemen geschüttelten Staat heimsuchen. Die besitzenden Klassen tragen nichts zu einer gerechten oder auch nur ausgeglichenen Verteilung des von der Gesamtheit erwirtschafteten Wohlstands bei. Kapitalismus eben, schon vor 2000 Jahren ein unlösbares Problem. Die Lösung war in der Geschichte eigentlich immer Revolution.
 
Das ist gut! Danke!

Könnte man bei sozialer Unterstützung eigentlich auch "Brot & Spiele" erwähnen?

Ja, durchaus! Bei öffentlichen Spielen konnte das Volk damit rechnen, etwas geschenkt zu bekommen und wenn es nur eine "sportula", ein Picknickkorb war. Es gab im Rahmen öffentlicher Spiele häufig eine Art Tombula, bei der man Delikatessen, Geld, Sklaven, ein Haus oder sogar ein Schiff gewinnen konnte. Es wurden Bons ausgegeben, und manche Spekulanten boten ihren Klienten eine bestimmte Summe, wenn sie dafür so viele Bons ablieferten, wie sie bekommen konnten. Das führte dazu, dass es im Circus oder im Amphitheater zu regelrechten Kämpfen um die Bons kam. Weniger nervenstarke Römer und Leute, die mit ihren Kindern gekommen waren, verließen dann fluchtartig das Amphitheater. Es gab Kaiser wie Caligula oder Commodus, die sich freuten, wenn es so richtig schöne Rangeleien um die Bons gab.

Dazu war die Ausrichtung von Spielen sozusagen eine Sondersteuer für die Vermögenden.

Allerdings ist es ein großer Trugschluss, zu glauben, die Römer hätten sich allwöchentlich an Circusrennen und Gladiatorenkämpfen erfreúen und von Getreisespenden gut leben können. Es gab zwar Spiele, die tage-, wochen-, monatelang oder wie die Spiele Trajans anlässlich seines Dakertriumphes mit Unterbrechungen 2 Jahre dauerten, doch solche Ereignisse fanden selten statt. Circusrennen gab es nur an etwa 16 Tagen im Jahr. Gladiatorenkämpfe waren überhaupt nicht Teil der öffentlichen Spiele, sondern Sonderveranstaltungen, die Aristokraten oder der Kaiser selbst veranstalteten.

Eine Rundumversorgung wie moderne Sozialhilfe gab es nicht, es mussten die schon damals horrenden Mieten in der Sadt bezahlt werden, und da wir aus antiken Quellen keine Nachrichten über Vaganten- und Bettlerscharen wie in der frühen Neuzeit erfahren, wird die Mehrheit der Römer einer Beschäftigung nachgegangen sein.
 
Ein klein wenig müßte man das letzte zu ‚panem et circenses – Brot und Spiele’ korrigieren, damit es nicht zu pauschal wirkt und die eigentlichen Prozesse verwischt werden.

Die Verschiebung der kulturellen zur mehr politischen Bedeutung der Theater und Amphitheater vollzog sich mit ganzer Kraft erst zur Kaiserzeit. In der republikanischen Zeit dominierten durchaus die kulturellen Veranstaltungen und die Theater hatten zudem die Funktion, die Volksversammlung ‚ecclesia’ aufzunehmen. Außerdem wird immer sehr pauschal und plakativ vom Amphitheater geschrieben, wobei oft selbst Spezialisten die Unterscheide nicht deutlich sind.

Theater definieren in der römischen Anlage (anders in der griechischen) einen Halbkreis, so sind Amphitheater zwei gegeneinander gesetzte Theater (‚amphi’) ohne Bühnenhaus, das das Theater zur Bühnenseite abschließt (griechische sind wieder abweichend). Den Bautyp des Amphitheaters findet man meist im westlichen Mittelmeerraum und natürlich Italien selbst, während man im östlichen Raum wie in ganz Asien, auch in den Metropolen Kleinasiens, bis auf ganz wenige Ausnahmen nur Theater finden wird, die dieselbe Funktion erfüllten.

Über viele Vorgänge während der Spiele besteht aber Unklarheit und es gibt eine Vielzahl durch opulente, filmische Interpretationen zusätzlich angeheizte Spekulationen und Legenden. Selbst die Bedeutung des Daumens ist nicht unumstritten, ebenso unklar, wie die Technik der großen Sonnensegel genau ausgeführt wurde. Insofern: Cave Canem…,-))
 
Zurück
Oben