Ursprung von Deutschsprachiger = Schwabe in Südosteuropa

Naresuan

Aktives Mitglied
Ich lese gerade "die Brücke über die Drina" von Ivo Andrić. Im Kapitel, wo es um die Besetzung Bosniens durch Österreich-Ungarn 1878 geht, lässt er die Bosnier die Österreicher als "Schwaben" bezeichnen. Mir ist bewusst, dass Andrić kein Historiker und sein literarisches Schaffen im 20. Jh. ist, doch scheint er damit richtig zu liegen.
Der Begriff Švabo bzw. Švaba für alle Deutschsprachigen dürfte sich im 19. Jh. auch in Bosnien etabliert haben. Mich interessiert jedoch warum und seit wann.

Meistens, so auch bei Wiki Schwabo – Wikipedia , wird davon ausgegangen, dass der Begriff von den Donauschwaben herrühre. Schließlich fand ich dann einen Artikel von Gerhard Seewann, der behauptet, dass in Ungarn spätestens 1414 die deutschen Siedler als sváb bezeichnet wurden. Er hält es in der Anmerkung dazu schon für Mitte des 13. Jh. für möglich, wo König Bélas IV. in einem Brief an den Papst die Deutschen "alamani" nennt.
Die ungarischen Schwaben in: Jahrbuch für Europäische Ethnologie 8-2013
Codex diplomaticus Hungariae ecclesiasticus ac civilis. Tomi IV. Vol. 2. (Budae, 1829.) | Könyvtár | Hungaricana

Damit ist die weit verbreitete Annahme, dass die in Ungarn übliche Bezeichnung Schwabe auf die aus Südwestdeutschland stammenden Siedler des 18. Jahrhunderts zurückzuführen ist, widerlegt.

Ich neige zwar auch zur Annahme, dass die Bezeichnung sváb / Švabo / Švaba für Deutschsprachige in Südosteuropa älter ist, als die Zeit der Donauschwaben-Migration beginnend im 18. Jh., doch scheint mir die Widerlegung noch auf wackligen Füssen zu stehen und die Frage nach dem Warum wäre dann noch schwieriger. Was meint ihr?
 
Er hält es in der Anmerkung dazu schon für Mitte des 13. Jh. für möglich, wo König Bélas IV. in einem Brief an den Papst die Deutschen "alamani" nennt.
Wir nennen zwar Alemannen und Schwaben in einem Atemzug und mehr oder minder synonym, aber war so etwas auch der Kanzlei Bélas bewusst? (Béla IV. wird den Brief ja nicht selbst geschrieben haben.)
 
Er hält es in der Anmerkung dazu schon für Mitte des 13. Jh. für möglich, wo König Bélas IV. in einem Brief an den Papst die Deutschen "alamani" nennt.

Die Frage wäre, ist das als pars pro toto für alle "Deutschen" zu lesen? Würde mich insofern überraschen, als dass die Siebenbürger Sachsen, deren Siedlung ja schon etwas früher beginnt, bereits Anfang des 13. Jahrhunderts urkundlich als "Saxones" angesprochen werden.

Wenn hier von "Alamani" die Rede ist, stellte sich die Frage, ob der Terminus möglicherweise deswegen verwendet wurde um eine Verwechslung mit den "Saxones" in Siebenbürgen auszuschließen?

Das bereits bevor die "Donauschwaben-Migration" im 18. Jahrhundert losging die Bezeichnung "Schwabe" für in Ungarn aber außerhalb Siebenbürgens lebeende deutschsprachige Gruppen verwendet worden sein könnte, um diese Gruppen von den "Sachsen" in Siebenbürgen zu unterscheiden, hielte ich grundsätzlich für denkbar.
 
Ich nehme an, dass in dem Schreiben alle Deutschen gemeint sind, denn er sieht sie (die Alamani) als Glaubensbrüder im Westen und Norden, die ihm eigentlich gegen seine Feinde zu Hilfe eilen sollten.

Naja, in diesem Fall wäre es gerade nicht pars pro toto für alle "Deutschen", sondern pars pro toto für alle "Deutschen", die außerhalb der Grenzen des Königreichs Ungarn lebten, während in Siebenbürgen weiterhin von Saxones die Rede ist.

Ich denke nicht, dass sich daraus die "Schwaben", gerade im Bezug auf die innerhalb Ungarns lebenden deutschsprachigen Gruppen ableiten lassen.
 
Die lateinischen Texte sind wohl keine große Hilfe. Es gibt ältere ungarische Chronisten (Simon Kézai – Wikipedia ) die "Svevia" schreiben und jüngere (Johannes de Thurocz - Wikipedia ) die "Alamannia" nennen, wenn sie Schwaben meinen.

Denkbar wären noch, dass die Namen "Schwabe" und "Sachse" im Ungarn des Mittelalters keine örtliche Herkunftsangaben sind, sondern einen Standesunterschied ausdrücken. Ebenso denkbar ist eine zeitliche Abgrenzung: unter den Ottonen waren es Sachsen und unter den Staufern eben Schwaben. (siehe auch Zipser Sachsen – Wikipedia )

Es muss auch keinen Zusammenhang zwischen dem ungarischen und dem südslawischen Ausdruck für Schwaben geben. Bei den deutschen Bergleuten des 14. Jh. in Bosnien und Serbien kann aus vielen anderen Gründen eine Bezeichnung "Schwabe" entstanden sein, obwohl die Literatur da meistens ebenfalls von "Sachsen" schreibt.
z.B. Sachse = Chef, Schwabe = Arbeiter o.ä.
 
Oft handelt es sich ja bei Ethnienbezeichnungen um Wanderwörter. Man nehme den slawischen Ausdruck für Deutsche: Nijemci, Nimc, Němci, Немцы, Niemcy - den finden wir wieder im Ungarischen (németek) und - bedeutungsverschoben(!) im Arabischen: نمساوي namsāwī (und nicht *namsī, wie ich irrtümlich vor Kurzem schrieb).
Das Wort hängt mit
zusammen, was 'stumm' bedeutet.


 
Eine wirklich gute Frage ...

Ich war ehrlich gesagt immer der (von mir zugegebenermaßen unhinterfragten) Meinung, dass "Schwaben" erst mit den Ansiedlungen im 18. Jahrhundert als pars pro toto-Begriff in Umlauf kam. Spannend dass das wohl schon früher der Fall war.

Wobei gerade im Hochmittelalter doch eine gewisse Wurschtigkeit vorgeherrscht zu haben schein. In Siebenbürgen nannte man die Leute Sachsen oder eben Saxones. Gleichzeitig werden deutsche Kreuzritter im Nahen Osten unabhängig ihrer Herkunft einfach als Franken bezeichnet, also warum nicht auch Schwaben ‍♂️ Wobei diese Idee eines eventuellen Standesunterschieds innerhalb des ungarischen Königreichs sehr interessant ist
 
Ifranǧ war der in der Levante gebräuchliche Begriff für Europäer
Welcher laut allgemein akzeptierter Lehre von dort oder auf anderen Wegen über Persien bis ins Land meines Avatars wanderte und auf alle Weißen erweitert wurde, die in Thailand bis heute als Farang bezeichnet werden.
Ich habe dazu meine Zweifel, aber das ist etwas für ein anderes Thema.

Zu den Sachsen fand ich noch etwas:
Als Sachsen werden allerdings überall im mittelalterlichen Ungarn die Inhaber von Privilegien bezeichnet, die zunächst von sächsischen Bergleuten ausgehandelt worden sind, die man als seltene Fachleute für den Abbau der Bodenschätze dringend benötigte, in der Zips oder in Siebenbürgen ebenso wie in Bosnien und Serbien. Die Bergrechte, die man ihnen zusicherte, um sie ins Land zu locken und zum Bleiben zu veranlassen, enthalten den ganzen Katalog von Vorrechten, den mittelalterliche Kolonisten in Ungarn beanspruchen konnten: persönliche Freiheit, vererbbaren Besitz, eigene Verwaltung und Gerichtsbarkeit, kirchliche Autonomie durch freie Pfarrerwahl, geregelte, damit kalkulierbare Abgaben und sonstige Pflichten. "Sachse" ist somit synonym mit einem Rechtsstatus und nicht unbedingt ein Herkunftsname.

Friedrich Gottas: Gerufen! Die deutsche Ostsiedlungsbewegung im Mittelalter (Vorlesung am 10. November 2003 im Rahmen der Ringvorlesung “Das Bild und die Geschichte Osteuropas im Mittelalter“)

Ob deswegen alle anderen, nicht privilegierten deutschen Einwanderer, anders bezeichnet wurden?
 
Welcher laut allgemein akzeptierter Lehre von dort oder auf anderen Wegen über Persien bis ins Land meines Avatars wanderte und auf alle Weißen erweitert wurde, die in Thailand bis heute als Farang bezeichnet werden.
Ich habe dazu meine Zweifel, aber das ist etwas für ein anderes Thema.
Was genau bezweifelst du und warum?

Zu den Sachsen fand ich noch etwas:
Als Sachsen werden allerdings überall im mittelalterlichen Ungarn die Inhaber von Privilegien bezeichnet, die zunächst von sächsischen Bergleuten ausgehandelt worden sind, die man als seltene Fachleute für den Abbau der Bodenschätze dringend benötigte, in der Zips oder in Siebenbürgen ebenso wie in Bosnien und Serbien. Die Bergrechte, die man ihnen zusicherte, um sie ins Land zu locken und zum Bleiben zu veranlassen, enthalten den ganzen Katalog von Vorrechten, den mittelalterliche Kolonisten in Ungarn beanspruchen konnten: persönliche Freiheit, vererbbaren Besitz, eigene Verwaltung und Gerichtsbarkeit, kirchliche Autonomie durch freie Pfarrerwahl, geregelte, damit kalkulierbare Abgaben und sonstige Pflichten. "Sachse" ist somit synonym mit einem Rechtsstatus und nicht unbedingt ein Herkunftsname.

Friedrich Gottas: Gerufen! Die deutsche Ostsiedlungsbewegung im Mittelalter (Vorlesung am 10. November 2003 im Rahmen der Ringvorlesung “Das Bild und die Geschichte Osteuropas im Mittelalter“)

Ob deswegen alle anderen, nicht privilegierten deutschen Einwanderer, anders bezeichnet wurden?
Gestern oder vorgestern Abend lief im WDR5 etwas zu Spätaussiedlern und deren Migrationsgeschichte und der Vorsitzende der Landsmannschaft der Siebenbürgener Sachsen meinte, dass die meisten davon aus dem Raum zwischen Köln, Luxemburg und Flandern gekommen seien - also gerade nicht der Raum, wo wir Sachsen verorten würden, sondern eher Franken. Hat mich überrascht.
 
Gestern oder vorgestern Abend lief im WDR5 etwas zu Spätaussiedlern und deren Migrationsgeschichte und der Vorsitzende der Landsmannschaft der Siebenbürgener Sachsen meinte, dass die meisten davon aus dem Raum zwischen Köln, Luxemburg und Flandern gekommen seien - also gerade nicht der Raum, wo wir Sachsen verorten würden, sondern eher Franken. Hat mich überrascht.

Ich habe vor Jahren, ich kann aber beim besten Willen nicht mehr sagen in welchem Werk zum Thema Herkunft der Siebenbürger Sachsen mal gelesen, dass der in Siebenbürgen verbreitete Dialekt des Deutschen im Hinblick auf die im alten Reich verbreitten Dialekte wohl die größten sprachlichen Überscheidungen mit "Letzebuerger Platt" aufweisen würde und man daher jedenfalls von einer großen Zuwanderergrupp eher aus dem Westen des Reiches ausgehen müsse.
Das würde zueinander passen.
Wobei ich sagen muss, dass ich von linguistischen Methoden zu wenig verstehe und dort auch zu wenig konkretes zur Untersuchungsmethode stand, als dass ich mir ein Bild von der Plausibilität dieser Argumentation hätte machen können.
 
Gestern oder vorgestern Abend lief im WDR5 etwas zu Spätaussiedlern und deren Migrationsgeschichte und der Vorsitzende der Landsmannschaft der Siebenbürgener Sachsen meinte, dass die meisten davon aus dem Raum zwischen Köln, Luxemburg und Flandern gekommen seien
Ich hatte vor 25 Jahren in Bamberg einen Mitbewohner, der Spätaussiedler war. Seine Familie stammte aus Hermannstadt. Er meinte, wenn er Herrmannstädter Dialekt spricht, sei das kein Mainfränkischer wie in Bamberg sondern ein Moselfränkischer Dialekt.
 
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