@ Wüstenschiff:
Nicht jedes Wort eines wichtigen Dokuments ist ebenso wichtig. Zur Entstehungszeit war es zudem keinesfalls ein Glaubensbekenntnis, sondern die Darstellung eines solchen, um Kaiser und Reich dazu zu bringen, den Protestantismus zu tolerieren. Und dies ist denn auch, was Luther kritisierte. Jedenfalls habe ich nie von anderer Kritik seinerseits gehört: Melanchthon habe die Confessi ganz einfach zu 'politisch' und zu 'kompromissbereit' verfasst, um es in heutiger Sprache auszudrücken.
Die spätere Betrachtung als Bekenntnisschrift ist damit ein großes Begründungsproblem des Protestantischen Glaubens.
Es war ein offizielles Dokument, dass dem Kaiser vorgelegt wurde. Luther war in Acht und Bann. Sich dazu zu Laut zu äußern wäre wohl nicht opportun gewesen, um seine Zuflucht nicht zu gefährden. Dies Verständnis hieße aber ihn als Feigling oder Opportunisten zu kennzeichnen, Dinge die ihm sicher selbst Kaiser und Papst nicht vorwarfen. Damit ist eine Interpretation als Sarkasmus nicht möglich.
Nochmal: Es war zunächst kein Glaubensdokument, dass ein Dogma festlegte. Es war eine Erklärung des Standpunkts gegenüber Kaiser und Reich, um ins Gespräch kommen zu können und in Hinblick auf die Möglichkeit einer Einigung geschrieben. Eine Laute Kritik wäre nicht sinnvoll gewesen, solange es nicht um Essentielles ging. Wer dies anders betrachtet, spricht von Standpunkt der schon erwähnten Epigonen.
Auch Melanchthon behandelte den Text nicht als Alpha und Omega, sondern veränderte ihn mehrmals im Laufe der Zeit. Er war wichtig durch seine Existenz und nicht durch jede einzelne Formulierung. Und wir sprechen über Formulierungen, über die wir wissen, dass es dazu schon zeitgenössisch innerhalb der Protestanten diskussionsbedarf gab.
Daher kann ich nur konstatieren, dass es darin Punkte gab, über die zu streiten Luther nicht wichtig war. Denke dabei einfach an den Verhandlungsgrundsatz, Einzelheiten erst dann zu klären, wenn man eine grundsätzliche Einigkeit erzielt hat. Luther bestand ja nicht nur aus Polemik. Seine Übersetzungs- und Koordinationsleistung, so angreifbar einzelne Punkte sein mögen, wäre sonst kaum möglich gewesen. Und hier war ebenfalls keine Polemik gefragt, sondern die Fähigkeit zum Kompromiss und zu einem gemäßigten Verhalten. Da ist das 'wichtig genug, um darüber zu streiten' letztlich eine Frage der Gewichtung einzelner Punkte.
Der Streit um die Transsubstantionslehre erscheint heute wohl einer Mehrheit als Haarspalterei oder irrelevant und ist ohne Studium von Konzepten mittelalterlicher Philosophie zudem gar nicht zu verstehen. Damals scheiterte daran jeder Versuch einer Einigung, während im Gegensatz zum üblichen Geschichtsbild die Rechtfertigungslehre kein allzugroßes Hindernis war. (Ja, man behalf sich m.E. mit missverständlichen Formulierungen, aber in welchen großen Verhandlungen geschieht das nicht, wenn die Positionen sich genügend angenähert haben?) Dies sei Beispiel, dass auch in Glaubensdokument und in wichtigen Dokumenten nicht alles gleich wichtig ist.
Gerade schrieb ich von Problem. Es ist aber auch ein Vorteil, dass ein zentral gewordenes Dokument so weit formuliert ist.