Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Ave Balticbirdy,

BalticBirdy schrieb:
...Wenn das so gewesen wäre, wäre es bestimmt überliefert worden. Es müssen ja viele in die Konspiration eingeweiht gewesen sein, die nicht in der Schlacht fielen. Spätestens bei den Germanicus-Zügen wäre die Wahrheit ans Licht gekommen,...

Yep, auch mein erster Gedanke. Aber muss dass so sein? Schliesslich waren Tiberius und Germanicus auch so was ähnliches wie Putschisten. Tiberius hatte mit dem Tod des Augustus nichts eiligeres zu tun als Agrippa zu beseitigen und auch Germanicus sollte von den Rheinlegionen als neuer Kaiser ausgerufen werden. Nur seine Vorsicht hielt Ihn davon ab, erst versuchte er in Germanien seine Machtbasis auszubauen. Hätte er in 16 gesiegt, fraglich ob Tiberius im Sattel gebleiben wäre.

Wenn man somit im Glashaus sitzt, vielleicht ein Grund nicht mit Steinen um sich zu werfen. Zumal dann Varus seinen Putsch ja nur geplant und nicht durchgeführt hatte (kaum anders als Germanicus), und vielleicht spielte sein Konsulats Kumpel Tiberius sogar mit bei diesem Versuch in 9? Es könnte mit seinem Wissen und zu seinem Vorteil geplant gewesen sein, und dann wäre ein Verschweigen in den Akten sicher angezeigt.

Natürlich hat das jetzt etwas romanhaftes, aber die Vorredner wiesen durchaus auf ein paar Merkwürdigkeiten der Varuskampagne hin, die mir doch zu denken geben. Warum z.B. so viele Legionen, warum keine germanischen Funde, warum soviel Gold, warum der Hofstaat mit u.a. Sklaventross? Das hat zwar mit der Kalkriesefrage wenig zu tun, aber bzgl. der Intention des Varus gibt mir das schon zu Denken.

Beste Grüsse, Trajan.
 
Aus den Funden von Kalkriese und auch von den brillanten Ausführungen Timpes wissen wir, das in der Schlacht nur wenig „richtige“ Germanen beteiligt waren, Arminius scheint den Aufstand aus dem Militärapparat heraus geplant und durchgeführt zu haben, die weiteren Beteiligten kamen erst mit dem Erfolg aus der Deckung.


Die Ausführungen Timpes sind Hypothesen,
zwar interessant und aus den Quellen herleitbar, aber eben nur Hypothesen; als solche sollten wir sie auch behandeln. Wir "wissen" leider so gut wie gar nichts.

Auch wissen wir von Tacitus, dass er die unmittelbare Anzeige des Segestes kurz vorher in den Wind schlug. Da dies wohl öffentlich vor den anwesenden hohen Militärs geschah, und zudem der Vorschlag des Segestes ihn und Arminius vorsorglich und zusammen in U-Haft zu setzen gar nicht so dumm war, war das Ausschlagen schon ein starkes Stück. Blindes Vertrauen oder vielleicht doch Berechnung?
Einfach die Vermutung einer innergermanischen Intrige. Arminius war ein bewährter Mann.

Die Geschichte des Nibelungenhorts gibt da auch interessante Hinweise: In der nordischen Fassung erlegt Sigurd zwar den Drachen Fafner, aber er köpft ihn nicht. Angestiftet den Drachen zu killen hat ihn aber sein Ziehvater Regin. Und den köpft er! Und zwar weil ihm die Vögel zwitschern, dass dieser Ihn verraten wird und es besser wäre ihn vorher um die Ecke zu bringen. Was die Vögel da zwitscherten dürfte auch nicht so verkehrt gewesen sein, seinen Ziehsohn Arminius hätte Varus sicherlich auch früher oder später entsorgen müssen.

Kannst Du es nicht wenigstens einmal lassen, in die Arminius-Diskussionen den armen Siegfried/SigurdR etc. hineinzuziehen?

die Vorredner wiesen durchaus auf ein paar Merkwürdigkeiten der Varuskampagne hin, die mir doch zu denken geben. Warum z.B. so viele Legionen, warum keine germanischen Funde, warum soviel Gold, warum der Hofstaat mit u.a. Sklaventross?

Das lässt sich alles - wie auch in diesem Thread schon zum Teil geschehen - sehr viel logischer erklären bzw. zurückweisen, als mit einem Putsch-Versuch des Varus, bei dem dieser erst mal nach Germanien zieht. Und bzgl. des Trosses: Warum Sklaven-Tross?
 
Lt. Aussage eines Heimatforschers hat es in Bergkamen Rünthe (südlich von Werne, ca. 8 km östlich von Oberaden) direkt an der Lippe ein Römerlager gegeben. Das Lager soll wie Oberaden auch Anfang 19 Jhr. entdeckt worden sein. Ausgrabungen haben wohl nicht stattgefunden, bzw. es gab kaum Funde. Zeitliche Einordnung unbekannt.
 
Ave El Quijote,


El Quijote schrieb:
...Wir "wissen" leider so gut wie gar nichts....


So isses leider. Aber auch nicht so schlimm, u.a. hätten wir hier gar nichts zu betratschen wenn es anders wäre. Wäre dann ziemlich langweilig.


El Quijote schrieb:
...Und bzgl. des Trosses: Warum Sklaven-Tross? ....



Naja, weils so geschrieben steht: Dio 56,20,2 „Wie mitten im Frieden führten sie viele Wagen und auch Lasttiere mit sich; dazu begleiteten sie zahlreiche Kinder und Frauen und noch ein stattlicher Sklaventroß, die sie ebenfalls zu einer gelockerten Marschform zwangen.

Nun aber, was mir wirklich Kopfzerbrechen macht, oder sagen wir warum mich Cheruskers Variante zum Grübeln gebracht hat, ist allem voran die schlichte archäologische Merkwürdigkeit: Die europaweit einzigartigen weitgestreuten Goldfunde.

Das hat mich schon lange fasziniert. Einerseits zeigt es klar, dass hier kein primärer Kriegszug unterwegs war und in Kombination mit den anderen Funden wir daher auch sicher von Varus in Kalkriese ausgehen können. Andererseits: Hochgerechnet auf das Jahr 9 muss da eben erstaunlich viel davon unterwegs gewesen sein.

Warum hatte Varus, zumal auf dem Rückzug, so viel Gold noch dabei? Und der hatte im ersten Marschlager weit vor Kalkriese schon den Tross weitgehend geschlachtet, warum schleppt er das schwere Zeugs weiter mit? Irgendwo kam die Frage schon mal, ich hatte damals darauf geantwortet: „Weil er es nicht selber schleppen musste!“. Vielleicht ist der Grund aber auch: „Weil er es nicht entbehren konnte!“. Er wäre sonst vielleicht Pleite in Castra Vetera angekommen.

Nun ich werde auf diese Story jetzt auch nicht meine kargen Rentenansprüche verwetten, da bleibe ich erstmal auch bei der Mehrheitsmeinung. Aber ich habe mal ein dutzend graue Zellen ganz weit hinten dafür reserviert.


Beste Grüsse, Trajan.
 


Da findet man doch diesen Text:
Dr.G.Rosenfeldt, Die Varusschlacht, 2006, S.33:
"In diesem Gebiet gibt es einige Menhire, die im dortigen Dialekt als Hinkelsteine (also Hühnchensteine) bezeichnet werden, und es gibt Ortssagen, die von goldenen Hühnchen (Hinkeln) berichten, oder von goldenen Eiern, die sich unter diesen Steinen befinden sollen. Nun läßt sich die ganz sinnlose Bezeichnung Hinkelstein nur so erklären, daß diese Steine viel früher einmal Hünensteine genannt wurden, was man einfach mit Großsteine, aber auch als von Hünen gesetzte Steine übersetzen kann. Aus dieser Bezeihnung wurden dann Hühnersteine, im Dialekt eben Hinkelsteine. ..."


Dr. Rosenfeldt hat in seinem Text einige "Ungereimtheiten", die doch noch einer Überlegung bedürfen.

Bsp.:
Auf Seite 18 (4.3. DAS SOMMERLAGER DES VARUS) schreibt er, daß die Germanen nur eine wenig effektive Landwirtschaft besessen haben, die keine zusätzlichen Überschüsse erwirtschaften konnte.
Hier zieht er wohl einen Vergleich zur keltischen Landwirtschaft? Das Ergebnis haben auch Archäologen festgestellt. Aber auf S.20 (4.4. DIE ABSICHTEN DER RÖMER) stellt Dr.Rosenfeldt fest, daß Archäologen bei einer agrarischen Gesellschaft nur 4% der Gesamtbevölkerung für kriegerische Unternehmungen bereitstellen konnten.

Antwort:Was denn nun, Bauern oder Krieger? Die Germanen zur Zeitenwende waren keine Bauern, sondern Krieger, die eine rudimentäre Landwirtschaft unterhielten!

Auch fragt er sich, was denn die Römer überhaupt in Germanien suchten? Da es ja wohl nichts zu holen gab.

Anwort:Allerdings betrieben die Römer schon z.B. Erzabbau im Sauerland und mit Ausschaltung der germanischen Bedrohung, hätten die Römer auch eine Menge neue Krieger für ihr Heer erhalten. Später hat man sie verstärkt als Söldner angeworben. Somit haben die Römer schon ein Interesse gehabt, Germanien zu unterwerfen, um dort eine Provinz einzurichten. Es ist ihnen einfach nur nicht geglückt und so zog man sich wieder an die Rheingrenze zurück.

Auch wird in dem Text auf S.16 (4.2. DER ZUG DES VARUS INS INNERE GERMANIENS) einfach angenommen, daß Varus von Castra Vetera (=Xanten) in die nordöstlichen Gebirge der Westfälischen Bucht gezogen ist.

Antwort: Woher will er das wissen? Wo steht das denn? Woher Varus kam und wohin er zog ist nirgends vermerkt worden.


So gehen seine Vermutungen so gar soweit, daß das Brukterergebiet bereits romanisiert bzw. okkupiert war, während das Cheruskergebiet bisher keine römische Besetzung bzw. Standorte verzeichnete. So fragt er sich, warum die Cherusker die Römer mit 3Legionen einladen?

Antwort: Einladen? Die Römer saßen bereits im Cheruskerland. Auch dort hat es wohl Siedlungen bzw. Stützpunkte gegeben.

Auch seine Schlußfolgerung, daß die Legionen Varus im Stich ließen, ist eigentlich sehr unwahrscheinlich, da Paterculus diese als die besten Legionen der römischen Streitmacht bezeichnet. Ferner fragt man sich, warum haben es die Zivilisten nach Aliso geschafft (waren es überhaupt Überlebende der Varusschlacht?) und nicht die Legionäre?

Auch das zweigeteilte Varusheer (Zivilisten + Großteil des Heeres und kämpfendes Einsatzheer gegen die Aufständischen trennen sich) ist mit Skepsis zu betrachten. Warum hat er nicht Asprenas diesen Auftrag befohlen? Und warum hat sich dann in Kalkriese das Heer nochmals geteilt?....

Der Text wirft eher Fragen auf...als das er sie beantwortet.
 
Hallo Trajan,

über Deine Verschwörungstheorie muss man wohl kein Wort verlieren. Normalerweise tritt bei Nibelungenlied-Varusschlacht-Vergleichen sofort energischer Einspruch auf, aber hyokkose scheint wohl im Urlaub zu sein.

Was er mit zwei Legionen machte, war vermutlich dasselbe, was Germanicus in 15 und 16 beherzigte: Wenn man an der Weser und dahinter operierte war es ratsam, die Chatten im Süden zu beschäftigen und von einem Schulterschluss mit den Cheruskern abzuhalten, weil sonst konnte es so weit nach Osten ausgesetzt schnell gefährlich werden.

Du verkennst dabei, dass sich die Situation des Jahres 9 n.Chr. nicht mit jener der Jahre 15/16 n.Chr. vergleichen lässt. Im Gegensatz zum Jahre 9 herrschte in den Jahren 15 und 16 n.Chr. Krieg im rechtsrheinischen Germanien. Im Jahre 9 gab es keine Veranlassung, Chatten und Cherusker voneinander zu trennen. Beide galten als Verbündete der Römer.



Wenn Du meinst, Asprenas habe sich mit seinen beiden Legionen im Gebiet der Chatten aufgehalten, so musst Du eingestehen, dass dieses den historiographischen Quellen widerspricht. V. Paterculus schrieb, dass Asprenas seine Legionen in das untere Winterlager (inferior hiberna), also Castra Vetera , führte.

Vell. Paterculus (II,120,2):
„Hier soll nun auch L. Asprenas mit Fug und Recht Erwähnung finden. Er war Legat unter seinem Onkel Varus gewesen und hatte durch sein tapferes, mannhaftes Verhalten das aus zwei Legionen bestehende Heer, das er befehligte, unversehrt aus der großen Katastrophe gerettet. Und in dem er in Eilmärschen in das untere Winterquartier Germaniens zog, bestärkte er die diesseits des Rheines wohnenden Völker, die schon schwankend geworden waren, in ihrer Treue.“


Hyokkose schloss aus dem „unversehrt“, dass Asprenas dabei nicht in Kampfhandlungen verwickelt wurde. Dagegen habe ich aus quellenkritischer Sicht zu Bedenken gegeben, dass Verluste auf römischer Seite häufig geschmälert wurden. Beispielsweise wird niemand ernsthaft den Angaben des Tacitus Glauben schenken, dass die Schlacht bei Idistaviso den Römern „kein Blut“ gekostet habe.

Wie auch immer, nach Vetera führten grundsätzlich zwei Wege: Zum einen der südliche Weg entlang der Lippelager, zum anderen der nördliche Hellweg vor dem Sandforde.

Dass Asprenas den Weg an der Lippe nicht wählte, kann man daraus schließen, dass er die Eingeschlossenen von Aliso erst in einem weiteren Vorstoß Monate später retten konnte. Es ist also durchaus möglich, dass Asprenas auf dem Hellweg vor dem Sandforde seine beiden Legionen zum Rhein führte und dabei, soweit dieses möglich war, flüchtende Lagerbesatzungen und Zivilisten aufnahm. Dabei hätte er jedoch vor der Aufgabe gestanden, den Engpass in der Kalkriese-Niewedder-Senke zu überwinden.

Nun klingt es zugegebenermaßen zunächst recht seltsam, eine uns unbekannte Auseinandersetzung als Ereignis von Kalkriese vorzuschlagen. Jedoch sollte man bedenken, dass uns keinesfalls alle Schlachten jenes Krieges bekannt sein müssen, eventuell weil sie in jenen Werken ausführliche Erwähnung fanden, die uns leider nicht zur Verfügung stehen.
Lägen uns nicht die Annalen des Tacitus vor, so wüssten wir nichts von den Schlachten an den pontes longi, bei Idistaviso oder am Angrivarierwall.

Dass es sich nicht um Varus, sondern um Asprenas handelt, der bei Kalkriese in Bedrängnis geriet, könnte sich aus den archäologischen Funden und Befunden schließen:
Laut Wilbers-Rost waren maximal 12000 Kombattanten auf römischer Seite beteiligt, also etwa zwei Legionen. Zudem, so die Erkenntnis aus der Forschung, gelang diesem Heer der Durchbruch durch die Kalkrieser-Niewedder-Senke. Die Münzen lassen ein Ereignis des Jahre 9 n.Chr. zu, die Knochengruben werden „Aufräumarbeiten“ des Germanicus an Kampfstätten des Varuskrieges sein, wie sie beispielsweise auch in Waldgirmes nachgewiesen wurden.
Einen besonderen Hinweis stellen jedoch die Graffiti auf diversen Fundstücken dar, deren eine, unter den bekanten Einwänden, als Legionskennung der Legio I gedeutet werden kann. Die erste und die fünfte Legion waren eben jene, die Asprenas im Jahre 9 befehligte und zum Niederrhein führte.

Das Ereignis von Kalkriese wäre folglich dem Varuskrieg (bellum varianum) zuzuordnen, nicht jedoch als die Varusniederlage (clades variana) zu identifizieren.

„Cherusker“ hatte es bereits geschrieben:
Die eigentliche Varusschlacht wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit im Grenzgebiet der beteiligten Stämme zugetragen haben, d.h. der Brukterer, Marser, Cherusker und eventuell Chatten, da umherziehende germanische Heerhaufen den Römern nicht verborgen geblieben wären.
Entscheidend ist diesbezüglich, dass die Beteiligung der Marser nach dem Auffinden eines Legionsadlers der Varuslegionen 16 n.Chr. kaum noch anzuzweifeln ist. Es ist nun schwer erklärbar, wie es den Kriegern der Marser, geschweige denn jenen der Chatten, gelungen sein soll, im Vorfeld der Varusschlacht von den Römern unbemerkt die Lippelinie zu überqueren, um zum ca. 70 km entfernten Kalkriese zu gelangen.

Fazit:
Der Fundort Kalkriese liegt, wie es bereits Knoke festgestellt hat, zu weit nördlich, um mit der Varusschlacht in Verbindung zu stehen. In das Ereignis von Kalkriese war wahrscheinlich ein anderer römischer Kampfverband verwickelt, der im Jahre 9 n.Chr. versuchte, das Lager von Vetera zu erreichen. Nach den uns vorliegenden historiographischen Quellen käme das Zweilegionenheer des Asprenas in Frage.

Gruß Cato
 
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Hallo Trajan,

über Deine Verschwörungstheorie muss man wohl kein Wort verlieren. Normalerweise tritt bei Nibelungenlied-Varusschlacht-Vergleichen sofort energischer Einspruch auf, aber hyokkose scheint wohl im Urlaub zu sein.
In den letzten Tagen habe ich nicht wenige Beiträge verfaßt. Zur ollen Nibelungenlied-Varusschlacht-Kamelle habe ich freilich kein Wort verloren, da El Quijote dazu bereits alles gesagt hat, was in diesem Zusammenhang zu sagen ist.

Zu energischem Protest sehe ich mich allerdings gezwungen, wenn der Inhalt meiner Diskussionsbeiträge grob verfälschend wiedergegeben wird:

Cato schrieb:
Hyokkose schloss aus dem „unversehrt“, dass Asprenas dabei nicht in Kampfhandlungen verwickelt wurde.

Einen derartigen Schluß habe ich keineswegs gezogen. Ich habe lediglich kritisiert, daß unter dem Vorwand der "Quellenkritik" in eine Quelle das Gegenteil von dem hineingelesen wird, was drinsteht. Ich zitiere noch einmal die entsprechenden Passagen aus meinen Beiträgen.

Mit gleichem Recht könnte man auch das Gerede vom "tapferen, mannhaften Verhalten" nicht wörtlich nehmen. Dann wäre Asprenas lediglich schlau genug gewesen, riskanten Zusammenstößen aus dem Weg zu gehen.

Deiner Argumentation entnehme ich bislang lediglich, daß Du genau das "nicht wörtlich nimmst", was nicht in die von Dir vorgeschlagene These paßt. Was ich vermisse, sind Anhaltspunkte, die für Deine Interpretation sprechen.

Gleichwohl läßt sich ein "unversehrt" nicht ohne weitere Anhaltspunkte zu einem "kräftig durchgebürstet" umkehren.

Der Befund bei Kalkriese legt nahe, daß hier eine Schlacht stattgefunden hat, bei der römische Truppen das Feld nicht behaupten konnten. Sie waren offensichtlich nicht einmal in der Lage, die Gefallenen zu bergen. Erst geraume Zeit später, als nur noch einzelne Knochen herumlagen, wurden diese Knochen begraben.

[...]

Zu Asprenas haben wir keinen Hinweis, daß er in eine solche Schlacht geriet, auch nicht, daß die Überreste der Gefallenen dieser hypothetischen Schlacht erst längere Zeit später bestattet wurden.
 
Ave Cato und Cherusker,


Cherusker schrieb:
...Aber auf S.20 (4.4. DIE ABSICHTEN DER RÖMER) stellt Dr.Rosenfeldt fest, daß Archäologen bei einer agrarischen Gesellschaft nur 4% der Gesamtbevölkerung für kriegerische Unternehmungen bereitstellen konnten. Antwort:Was denn nun, Bauern oder Krieger? Die Germanen zur Zeitenwende waren keine Bauern, sondern Krieger, die eine rudimentäre Landwirtschaft unterhielten! ...


Naja, vom Krieg kann (fast) niemand leben. Dauerhaft schon garnicht. Krieg schafft kein Bruttoinlandsprodukt, es vernichtet und verschiebt lediglich einiges davon hin und her. Die volkswirtschaftlichen Kosten einer Kriegerkaste sind erheblich. Die weltweit grösste Kriegsmacht USA, die seit Jahrzehnten praktisch ständig irgendwo im Konflikt steht, unterhalten rund 1,5 Mio Soldaten, also etwa eine Kriegerkaste von 0,5 %. Anderswo ist dass nicht anders, selbst in Zeiten des totalen Krieges lässt sich so eine Quote kaum über 10 % treiben, und das hält auch die stärkste Volkswirtschaft nicht lange durch. 4 % sind da schon absolute Oberkante Unterlippe, gerade auch in der relativ schwachen antiken Volkswirtschaft Germaniens.


Cherusker schrieb:
... Ferner fragt man sich, warum haben es die Zivilisten nach Aliso geschafft (waren es überhaupt Überlebende der Varusschlacht?) und nicht die Legionäre? Auch das zweigeteilte Varusheer (Zivilisten + Großteil des Heeres und kämpfendes Einsatzheer gegen die Aufständischen trennen sich) ist mit Skepsis zu betrachten. ...

In groben Zügen dürfte das schon stimmen. Als Varus den zivilen Tross vernichtete, war logischerweise auch der zivile Teil der Beteiligten überflüssig. Das muss man nicht als Grausamkeit werten, denn es war vermutlich militärische Notwendigkeit:

Als er das erste Marschlager verliess, wusste er das er noch erhebliche Strecken unter Kriegsbedingungen zu bewältigen hatte um den Rhein zu erreichen. Nicht das man ihm unterstellen muss das er die Zivilisten nicht mehr schützen wollte, er konnte es einfach nicht mehr. Er stand nur vor der Wahl: Nimmt er sie mit, dann ist der Krieg nicht zu gewinnen und alle gehen unter und werden sterben; lässt er sie gehen, so haben sie als Nichtkombattanten immerhin eine gute Chance entweder lebend den Rhein zu erreichen oder wenigstens in Gefangenschaft zu existieren bis zu einer späteren möglichen Befreiung z.B. über Lösegeldzahlungen.

Cato schrieb:
...über Deine Verschwörungstheorie muss man wohl kein Wort verlieren. ....Du verkennst dabei, dass sich die Situation des Jahres 9 n.Chr. nicht mit jener der Jahre 15/16 n.Chr. vergleichen lässt. Im Gegensatz zum Jahre 9 herrschte in den Jahren 15 und 16 n.Chr. Krieg im rechtsrheinischen Germanien. Im Jahre 9 gab es keine Veranlassung, Chatten und Cherusker voneinander zu trennen. Beide galten als Verbündete der Römer....


Na, die Verschwörungstheorie betrachte ich hier nur mal als „Kamingespräch“. Das heisst, der Frage nachzugehen, „Könnte nicht vielleicht die Intention des Varus eine ganz andere gewesen sein, als alle (mich eingeschlossen) bislang als sicher annehmen?“.

Nehmen wir nur deine obige Einwendung: Wenn Du damit Recht hättest, so müssen wir natürlich wirklich fragen, warum hat er sämtliche Rheinlegionen mobilisiert?

Cato schrieb:
...Wenn Du meinst, Asprenas habe sich mit seinen beiden Legionen im Gebiet der Chatten aufgehalten, so musst Du eingestehen, dass dieses den historiographischen Quellen widerspricht. V. Paterculus schrieb, dass Asprenas seine Legionen in das untere Winterlager (inferior hiberna), also Castra Vetera , führte. Vell. Paterculus (II,120,2):„Hier soll nun auch L. Asprenas mit Fug und Recht Erwähnung finden. Er war Legat unter seinem Onkel Varus gewesen und hatte durch sein tapferes, mannhaftes Verhalten das aus zwei Legionen bestehende Heer, das er befehligte, unversehrt aus der großen Katastrophe gerettet. Und in dem er in Eilmärschen in das untere Winterquartier Germaniens zog, bestärkte er die diesseits des Rheines wohnenden Völker, die schon schwankend geworden waren, in ihrer Treue.“ ....

Die Stelle interpretierst du aber etwas ungewöhnlich: Asprenas zog in Eilmärschen (von woher ?!) nach castra vetera, um die dort jetzt vakante römische Stellung zu behaupten. Die Stelle besagt überhaupt nicht woher er kam, anzunehmen ist aber aus dem Süden, vermutlich aus der Wetterau bzw. den bekannten Standorten bei Mainz. Denn zu befürchten war, dass die rheinnahen Stämme die aktuelle Schwäche für Überfälle nach Gallien nutzen würden. Man kann aber nicht daraus schliessen, dass er deswegen aus dem „hohen“ Norden anmarschierte.

Cato schrieb:
...Dass Asprenas den Weg an der Lippe nicht wählte, kann man daraus schließen, dass er die Eingeschlossenen von Aliso erst in einem weiteren Vorstoß Monate später retten konnte. Es ist also durchaus möglich, dass Asprenas auf dem Hellweg vor dem Sandforde seine beiden Legionen zum Rhein führte ....

Dass er nicht via Lippe kam kann man daher durchaus annehmen, dass stimmt. Aber von der viel wahrscheinlicheren Wetterau aus brauchte er das ebenfalls nicht.

Cato schrieb:
...Dass es sich nicht um Varus, sondern um Asprenas handelt, der bei Kalkriese in Bedrängnis geriet, könnte sich aus den archäologischen Funden und Befunden schließen: Laut Wilbers-Rost waren maximal 12000 Kombattanten auf römischer Seite beteiligt, also etwa zwei Legionen. ...

Es ist inzwischen auch praktisch unzweifelhaft, das Varus Kalkriese nicht mehr mit vollzähligen Truppen erreichte. Die 12000 erscheinen mir im übrigen ehr zu hoch gegriffen, in älteren Veröffentlichungen entsinne ich mich, dass man von wenigstens etwa 3000 bis 5000 sprach. Die Zahl von 12000 beweist jedenfalls nichts, ausser dass, wenn die Schätzung verlässlich wäre, das Heer diese Mindestgrösse gehabt haben muss, womit kleinere Scharmützel (insbesondere diese diffusen unbekannten) definitiv ausgeschlossen sind.

Aber kommen wir mal zurück zum „Kamingespräch“: Ziemlich rätselhaft sind nun mal die Goldfunde in und um Kalkriese. Von rund 2000 Münzen sind nämlich rund 30 Goldmünzen, dass sind immerhin 1,5 % der Fundmünzen. In Haltern z.B. sind es viel weniger, nur so etwa 0,1 %. Wenn wir annehmen, dass das wirklich zufallsverteilt ist, so ergibt sich folgendes überschlägiges Bild zur Orientierung:

Wieviele Münzen (Au, Ag, Cu) führen ca. 30.000 Menschen, zum grössten Teil Römer und Legionäre mit? Wenn wir bedenken das der Sommerzug sagen wir drei Monate dauerte, also ca. 100 Tage, so kämen alleine als Sold der 15000 Legiönare etwa 1,5 Mio Denare zusammen, in Sesterzen also 6 Mio. Stücke. Die Zivilisten und Händler wollen auch Spass, da kommt noch mal locker das gleiche Zusammen. Alles in allem dürften mindestens rund 10 bis 20 Millionen Münzen aller Sorten unterwegs gewesen sein. Nun, 1,5 % Anteil davon sind etwa 150.000 bis 300.000 Goldmünzen. Ein Aureus wog 8,19 Gramm, ergibt also etwa 1228 bis 2457 Kg Gold.

Zudem war Gold als Zahlungsmittel für Vibiusnormalverbraucher ungeeignet, da der Wert ein Monatsgehalt war, also kaufkraftmässig so etwa ein 3000-Euro-Schein. Es war kaum zum Handel unter den Legionären noch zum Handel mit Germanen geeignet, wer sollte einem da rausgeben, wenn man mal gerade „ne Ansichtskarte“ kaufen wollte? Gold hat nur Sinn zum Bunkern von Werten, oder für wirklich grosse Geschäfte wie Bestechungen etc. pp. Das kam wenn überhaupt nur für hohe Offiziere in Frage, respektive Varus.

Nun, ein bis zweieinhalb Tonnen Gold, dabei wird einem geradezu übel. Nehmen wir also an, dass in obiger Rechnung statistische Auswahleffekte beinhaltet sind, und es waren vielleicht auch nur gut 500 Kg. Nach obiger Rechnung hatten die eine Kaufkraft von rund 200 Millionen Euro. Wozu brauchte die Varus? Für ab und an eine Kiste Met zu kaufen ein bisschen viel....für Bestechung oder normale Geschäfte auch, und wenn, dann wäre die Frage wieso war der Zaster ganz zum Schluss immer noch dabei und nicht verausgabt?

Es scheint mir daher so, dass er sein Vermögen mitschleppte. Warum? Vielleicht konnte er am Rhein niemanden trauen, so dass er es mitschleppen musste. Oder eben, er hatte nicht wirklich vor, so schnell wieder zurück zukommen.

Zumindest eine faszinierende Möglichkeit um das ungewöhnlich viele Gold zu erklären.


Beste Grüsse, Trajan.
 
@ hyokkose

Es war keineswegs meine Absicht, Dich falsch wiederzugeben. Ich habe erwähnte Aussage für Deinen Standpunkt gehalten, aber offenbar habe ich mich geirrt.

Wie auch immer.
Die Aussage, dass „unversehrt“ bedeute, es habe keine Kampfhandlungen gegeben, ist zunächst nachvollziehbar und schlüssig.
Allerdings habe ich zu Bedenken gegeben, dass römische Chronisten zuweilen die Angaben über die Verluste der eigenen Truppen geschönt haben.


Velleius Paterculus, Historia Romana, II., 120,2
“Er (Tiberius) drang ins Landesinnere ein, legte die Grenzwege offen, brannte die Häuser nieder, schlug alle, die sich ihm entgegenstellten, und kehrte, mit Ruhm bedeckt und ohne jeglichen Verlust bei seinen Truppen, die er über den Rhein geführt hatte, ins Winterlager zurück.“

Ähnlich lautend sind die Schilderungen des Tacitus in Bezug auf die Schlacht von Idistaviso:
Tac., Ann. II., 18:
„Groß war dieser Sieg und hatte uns kein Blut gekostet.“

Aus o.g. Grund muss der Begriff „unversehrt“ nicht zwingend wörtlich genommen werden.
Da dieses hier auch niemand getan hat, betrachte ich die Sache für erledigt.


@trajan

Ich liebe „Kamingespräche“, aber wir sollten mit Rücksicht auf die ernsthaften Beiträge von Cherusker, El Quijote u.a. diese Hypothesen besser in einen eigens dafür eingerichteten thread auslagern. Der Begriff „Hypothese“ soll keineswegs abwertend gemeint sein. Hypothesen können überkommende Denkweisen in Frage stellen und Sachverhalte völlig neu beleuchten. Wie wär´s mit einem thread: "Hypothesen rund um die Varusschlacht" ? Dort könnten dann sowohl eigene, als auch fremde Hypothesen (z.B. jene von Dr. Rosenfeldt) zum Ablauf und den Hintergründen der Varusschlacht diskutiert werden.


Gruß Cato
 
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Errata und Beitrag

Vorab ein Errata zu meinem Beitrag hier unter der Nr. #336, der mir noch aufgefallen ist:
... methodisch unzulässiges 19/7000 Verhältnis ansetzen, steigt die Wahrscheinlichkeit dafür lediglich auf dann immerhin 4,3 %.“

Da habe ich leider das Komma falsch geschoben, es muss korrekterweise heissen:

„... methodisch unzulässiges 19/7000 Verhältnis ansetzen, steigt die Wahrscheinlichkeit dafür lediglich auf dann immerhin 0,43 %.“


Ave Cato,

Cato schrieb:
...Ich liebe „Kamingespräche“, aber wir sollten mit Rücksicht auf die ernsthaften Beiträge von Cherusker, El Quijote u.a. diese Hypothesen besser in einen eigens dafür eingerichteten thread auslagern. ......Dort könnten dann sowohl eigene, als auch fremde Hypothesen (z.B. jene von Dr. Rosenfeldt) zum Ablauf und den Hintergründen der Varusschlacht diskutiert werden....

Ich fürchte da überschätzt du aber einiges. Sind schon in der Fachliteratur Hypothesen aller Art Gang und Gäbe, hier im Forum sind sie natürlich die Regel, sofern man mehr tut als ein paar mehr oder weniger langweilige Zitate aus renomierten Fachartikeln zu rezitieren. "Ernsthaft" sind hier alle Gespräche, sofern man von einigen Quertreibern absieht, und ob du es Kamingespräch oder Hypothese nennst, ist nur ein marginaler Unterschied.

Cato schrieb:
...Ähnlich lautend sind die Schilderungen des Tacitus in Bezug auf die Schlacht von Idistaviso: Tac., Ann. II., 18: „Groß war dieser Sieg und hatte uns kein Blut gekostet.“ ..Aus o.g. Grund muss der Begriff „unversehrt“ nicht zwingend wörtlich genommen werden.....

Das stimmt im Grundsatz und ist hinlänglich bekannt. Unter "verlustfrei" dürfen wir bei diesen Euphemismen nur "geringe Verluste" verstehen. Bestimmt aber hatte Asprenas keine grossen Verluste, man kann ernsthaft kaum annehmen, das er für das so herausragend gravierende Fundbild in Kalkriese verantwortlich ist.

Beste Grüsse, Trajan.
 
Bestimmt aber hatte Asprenas keine grossen Verluste, man kann ernsthaft kaum annehmen, das er für das so herausragend gravierende Fundbild in Kalkriese verantwortlich ist.

Die Möglichkeit lässt sich nicht ausschließen.
Gerade die von Dir angesprochenen großen Münzfunde könnten darauf hindeuten, dass hier Militär und Zivilisten aus dem Land evakuiert wurden.
Asprenas wurde zudem später vorgehalten, er hätte sich am Erbe der Gefallenen aus dem Varuskrieg bereichert. In Wirklichkeit gingen die Geldsummen wahrscheinlich während der Kampfhandlungen verloren (und wurden im Anschluss an das Geschehen von den Germanen als Weihegaben vergraben.)

Es leuchtet mir nicht ein, warum Varus auf seinem Zug zum Aufstandsgebiet entfernter Völker so große Geldsummen mitgeführt haben sollte? Wollte er die Aufrührer mit Geldgeschenken besänftigen?


Gruß Cato
 
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Da ich aus verständlichen Gründen diesen Thread nicht verfolge, stieß ich jetzt erst darauf... Es geht um die Zulässigkeit, aus 5 markierten Fundstücken etwas zu schließen...

..Es ist schon zulässig. Eine Legion bestand aus 10 Kohorten, die Wahrscheinlichkeit ist also 1:9 die erste Kohorte zu erwischen. Wenn wir noch berücksichtigen, dass die erste Kohorte personell stärker war, so also etwa 2:8.


Man wird in dieser Situation einen Chi-Quadrat Test durchführen, z.B. den exakten Fisher-Test; als Vier-Felder-Verfahren hat das BalticBirdy neulich mal ausführlich gepostet.

Die Prüfgröße ist 3 Fundstücke mit positivem Befund, 2 mit negativem, gegen einen erwartete Verteilung von 1000 zu 4000 (wenn genau jeder Soldat was Markiertes verliert)

Die Irrtumswahrscheinlichkeit gegen die Nullhypotheses beträgt hier 5,8%, d.h. auf dem 2-Sigma Niveau ist dieser Unterschied noch knapp mit dem Zufall vereinbar.

Das größere Problem stellt natürlich die 1000:4000 Annahme dar; hierin ist beinhaltet:
- Die (Elite) Legionäre der 1.Kohorten verlieren genauso häufig ihre Sachen wie die Legionäre der anderen Kohorten
- Sie haben genauso viele markierte Gegenstände wie die Legionäre der anderen Kohorten.

Gerade letztere Annahme würde ich für riskant halten: Sollten nicht vielleicht die 1. Kohorten eher dazu geneigt sein, ihren Kram gegen Verwechselung, Diebstahl,... zu schützen?

Exakter Test auf Unabhngigkeit nach Fisher
 
Zuletzt bearbeitet:
....z.B. den exakten Fisher-Test; als Vier-Felder-Verfahren hat das BalticBirdy neulich mal ausführlich gepostet....Die Irrtumswahrscheinlichkeit gegen die Nullhypotheses beträgt hier 5,8%, d.h. auf dem 2-Sigma Niveau ist dieser Unterschied noch knapp mit dem Zufall vereinbar.
......
Gerade letztere Annahme würde ich für riskant halten: Sollten nicht vielleicht die 1. Kohorten eher dazu geneigt sein, ihren Kram gegen Verwechselung, Diebstahl,... zu schützen? .....


Ave de Silva,

klar man kann eine Reihe von mehr oder weniger guten statistischen Näherungsverfahren verwenden, aber wie du siehst kommt dabei natürlich auch nicht viel anderes heraus.

Die Frage war halt, liegt man mit der Vermutung "die cohors prima war überrepräsentiert" oder mit der Vermutung "alles purer Zufall" richtiger? Und die Wahrscheinlichkeit spricht halt signifikant mehr für die erstere; falsch liegen kann man in diesem speziellen Beispiel damit aber trotzdem, auch wenns unwahrscheinlich erscheint.

Naja, war die erste Kohorte ehr an Markierungen interessiert als die anderen? Ich weiss es nicht, schon möglich, schliesslich war man die Elite und hatte daher vielleicht auch wertvollere Ausrüstungsgegenstände zu behaupten. Aber ich glaube kaum, dass der Unterschied dramatisch gewesen ist. Der arme Soldat der letzten Kohorte hatte vielleicht genauso viel Gründe seine Ausrüstung zu sichern, schliesslich war er vermutlich nicht so wohlhabend wie die Kumpel aus der Ersten.

Die Frage liesse sich wohl am ehesten klären, wenn man die Häufigkeiten solcher Kennzeichnungen mit anderen zusammenhängenden Fundhorizonten vergleichen würde. Da kenne ich aber im Moment keinen Vergleich; falls ich mal einen sehe komme ich aber nochmal darauf zurück.

Beste Grüsse, Trajan.
 
klar man kann eine Reihe von mehr oder weniger guten statistischen Näherungsverfahren verwenden, aber wie du siehst kommt dabei natürlich auch nicht viel anderes heraus.
Genau - der Unterschied zwischen den 3:2 Funden und einer (wackeligen) 1000:4000 Theorie ist auf dem 2-Sigma Niveau nicht signifikant!

Da kann man dann solange dran rumdrehen, bis er es wird :)
 
Genau - der Unterschied zwischen den 3:2 Funden und einer (wackeligen) 1000:4000 Theorie ist auf dem 2-Sigma Niveau nicht signifikant!

Da kann man dann solange dran rumdrehen, bis er es wird :)

Das ist jetzt aber Haarspalterei. Im 1-sigma Bereich (68,3 %)kann man sagen, dass man mit der Ausgangsvermutung richtig liegt. Im 2-Sigmabereich (95,4 %) ist es hart an der Grenze: Nach deiner Näherungsmethode mit 5,8 % liegts noch drin, bei meiner exakten Berechnung mit 5,12 % ist aber selbst 2-sigma noch o.k.

Aber warum mimmst du nicht gleich noch 3-sigma (99,7 %) oder noch mehr, irgendwo passt es immer.

Aber geschenkt. Solche Berechnung zeigen nur, dass das Bauchgefühl (cohors I überrepräsenteiert) durchaus korrekt ist, eine gewisse Fehlerwahrscheinlichkeit aber bleibt wie immer.


schönes Wochenende, Trajan.
 
Sorry, wenn ich hier noch einmal kurz einhake, aber durch Deine angestellten und ja lobenswerten Berechnungen hast Du dies offenbar auch gewollt.
Der Begriff "signifikant" ist eine positive Festsetzung und bezeichnet nach DIN, ISO und überhaupt in der ganze Welt eine statistische Irrtumswahrscheinlichkeit von kleiner 5%; das hat nichts damit zu tun, ob man sich nun irrt oder nicht. Du kannst jetzt sagen: "Also, ich halte das aber trotzdem für sehr, sehr wahrscheinlich!" - Doch es ist NICHT SIGNIFIKANT.

Eigentlich wollte ich auch gar nicht auf dem Wert herumreiten, sondern auf den Prämissen. Die von Dir angestellte Berechnung (bzw. ein Chi-Quadrat Test) testet eine Messung mit einem Vergleichswert, der entweder ebenfalls eine Messung ist, oder ein theoretisch (z.B.aus einer physikalischen Berechnung) abgeleiteter Wert.

Dieser Vergleichswert (1000:4000) ist aber durch nichts gerechtfertigt;ich habe zwei bedenkenswerte Szenarien angeben. Sobald aber diese Unsicherheit (nämlich über das "Soll-Verhältnis") in die Berechnung eingeht, steigt die Irrtumswahrscheinlichkeit ganz beträchtlich:

Nehmen wir mal an, in einer "Referenzlegion" hätten auch 5 Soldaten ihren Kram verloren, diesmal wie erwartet 1x markiert und 4x unmarkiert.

Anzunehmen, dass "Unsere" Legion nun anders zusammengesetzt ist (nämlich mehrere 1. Kohorten hat), zeigt eine Irrtumswahrscheinlichkeit von sogar 26%.

Im Sinne von: "Was ist wohl wahrscheinlicher?" hast Du ja absolut recht; das sieht aber auch der gesunde Menschenverstand ohne jede Mathematik ein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Sorry für die kleine Unterbrechung, aber es gab eine Frage von Trajan.

Ave Cato,
Asprenas scheint jedenfalls eine im Zusammenhang mit Varus interessante Person zu sein. Was wissen wir eigentlich sonst noch über seinen Lebensweg vor und gerade auch nach der Varusschlacht?

Tacitus überliefert, dass L.Asprenas im Jahre14 n.Chr. Proconsul von Africa war.

„Manche überliefern, nicht von Rom aus seien diese Soldaten (die Mörder des Sempronius Gracchus), geschickt worden, sondern von L.Asprenas, dem Proconsul von Afrika, und zwar auf Veranlassung des Tiberius, der vergeblich gehofft hatte, auf Asprenas könne der Verdacht der Ermordung geschoben werden.“
(Tac., Ann., I., 53)
 
Gibt es eigentlich noch andere bekannte römische Schlachtfelder außer Kalkriese? Gibt es da auch Funde von römischer Militaria (am besten mit Graffiti, etc)?
 
Meinst Du in Deutschland oder imperiumsweit? In Deutschland ist noch das Schlachtfeld von Gelduba (Krefeld Gellep) bekannt. Da sind allerdings zwei Schlachtfleder überlagert, eines genau zuordenbar aus dem Jahr 69 n. Chr. (Bataveraufstand) und zwei um 260 n. Chr und 276 n. Chr., zu denen es keine Schriftquellen gibt.
Ob es hier Ritz- oder Punzinschriften gab, kann ich Dir allerdings nicht sagen. Ausrüstungsgegenstände hat man gefunden, auch Leichen und Kadaver aus den späteren Schlachten.
 
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