Maglor schrieb:
Der Artikel ist nicht empfehlenswert. Ich habe es nicht geschafft, ihn ganz zu lesen, da mir immer wieder Hören und Sehen verging.
Nach Ankunft der Kolonisten in Nordamerika begannen ortsansässige Stämme ihnen Sklaven zu verkaufen. Es handelte sich um Kriegsgefangene. Bald mussten jene Stämme extra Kriege anfangen, um neue Sklaven für ihre lukrativen Geschäfte einzufangen.
Das steht in der Tat im genannten Artikel und diese Behauptung ist eine recht üble Geschichtsklitterei. Hinter solchen Zurechtbiegungen stehen in der Regel handfeste politische Motive und Interessenslagen, wie zb 'die waren nicht besser als wir', oder: 'die waren noch schlimmer als wir'. Ein solcher Sklavenhandel von indianischen Kriegsgefangenen durch andere indianische Ethnien hat nicht stattgefunden; schon gar nicht mußten dafür Kriege angefangen werden, um den Nachschub zu sichern.
Das Perfide daran ist, daß durch die Formulierung (auch im Original) die Schuld so primär wie einseitig den Indianern zugeschoben wird - a la: 'Ja nee, ne, da sind die doch dauernd mit irgendwelchen Sklaven bei uns angekommen, die wir ihnen uuuuunbedingt abkaufen sollten - naja, was sollten wir machen, hamwer se ehmt gekauft :harmloses Schulterzucken:'. Ebenso perfide ist die Ausblendung der Realität der kolonialen Landnahme, die eher nach folgendem Rezept ablief: indianische Ethnie in der Nachbarschaft ist unkooperativ, will kein weiteres Land abtreten, fordert gar noch Eintritt der Kolonisten in Bündnisse (wie unter Gleichgestellten - un-er-hört!), bis die armen Europäer sich hierdurch sowie durch göttlichen Auftrag gezwungen sahen, die bösen Heiden zu strafen, sprich: zu töten, was ging, die Vorräte zum eigenen Wohle mitzunehmen und den Rest an überlebenden Frauen und Kindern in die Sklaverei zu verkaufen.
Lange Zeit wurden auch indianische Sklaven in die Karibik exportiert. Vor dem Jahre 1720 exportierte die Kolonie Carolina mehr indianische Sklaven in die Karibik als es afrikanische Sklaven importierte.
Huch nee, ein Körnchen Wahrheit.... In der Tat wurden Indianer verschiedenster Ethnien von der Ostküste der heutigen USA in der Regel nach ihrer Gefangennahme *durch Weiße* in die Sklaverei auf die West Indies verkauft. Ein Beispiel dafür sind die *Reste* der Powhatan Konföderation oder die Narrangansett, die nach Kriegen mit den weißen Siedlern in karibische Kolonien verkauft wurden. Sie wurden mit Bedacht nicht in andere auf dem Kontinent gelegene Gebiete verkauft, weil man befürchtete, sie könnten von dort entkommen und zurückkehren. Nebenbei hatte man natürlich das Land dadurch 'indianerfrei', ohne die indianischen Ethnien im Rahmen von Verkaufs- oder Abtretungsverträgen noch in irgendeiner Weise für ihr Land bezahlen zu müssen.
Das obige Beispiel zeigt lediglich, daß North Carolina durch den 'Export' indianischer Sklaven eine gezielte ethnische Säuberung seines Territoriums betrieb. Wäre es allein um 'Arbeitskräfte' gegangen, sagt der obige Satz ja eindeutig aus, daß die im eigenen Gebiet versklavten Indianer den Bedarf mehr als gedeckt hätten (mehr Indianer raus als Afrikaner rein). Um es nochmals zu betonen: es handelte sich dabei nicht um Personen, die den europäischen Kolonisten von irgendwelchen indianischen Ethnien geradezu aufgedrängt wurden. Plantagenwirtschaft erfordert größeren Landbesitz; die auf dem Territorium lebenden indianischen Ethnien waren dabei ein Hindernis.
Im 17. Jahrhundert arbeiten indianische Sklaven zusammen mit den afrikanischen Sklaven und den europäischen Kontrakthörigen gemeinsam auf den Plantagen.
Auch dies ist ein winziges Fünkchen Tatsache. Jedoch galten für Indianer und Afrikaner andere Bedingungen als für europäische Indentured Servants. Ich habe mich beim Lesen dieses Satzes im Originalartikel gefragt, ob der Autor dies noch etwa als Beweis heranziehen möchte, daß die Sklavenhalter irgendwie - äh: rassisch unvoreingenommen waren....
Danach wurden indianische Sklaven immer unpopulärer, zum einen weil man glaubte indianische Männer seien geborene "Jäger" also für Plantagenarbeit unbrauchbar, zum anderen da sie angeblich leichter die Wildnis fliehen könnten als die Afrikaner.
Steht auch im Artikel, stimmt jedoch ebenfalls in dieser Form nicht. Die in die Sklaverei verkauften Indianer waren überwiegend Frauen und Kinder; die Männer und ältere männliche Jugendliche wurden während der Kriegshandlungen von Weißen eher getötet und kamen als Sklaven nicht in Betracht, und wir dürfen raten, was denen passierte, die für die Sklavenarbeit als zu alt angesehen wurden.
Zwar war die Jagd *eine* Aufgabe, die den Männern der indianischen Ethnien an der Ostküste oblag. 'Geborene Jäger' waren sie schon deshalb weniger, weil diese Ethnien überwiegend Ackerbau betrieben. Im Gegenteil war (und teils ist....) diese Argumentation zutiefst rassistisch, da sie auf eine Nichteignung der Indianer allgemein für die 'Feldarbeit' abzielt (ein 'geborener Jäger' ist ja sozus genetisch programmiert & eben nicht auf manuelle Arbeit - was Unfug ist). Dies schlägt in die gleiche Kerbe wie die Argumentation, Indianer seien für Sklavenarbeit ungeeignet, da Arbeit für sie spielerischen Charakter habe, mit der ebenfalls die Minderwertigkeit dieser Menschen begründet wurde (und teils heute noch wird).
Der Aspekt der leichteren Flucht entsprach zumeist auch den rassistisch motivierten Ängsten der Sklavenhalter, die indianische Sklaven hatten (ebenso rassistisch wie die Annahme, schwarze männliche Sklaven würden bei nächstbester Gelegenheit zuvörderst vergewaltigend über weiße Frauen herfallen). Die Befürchtung war, daß indianische Sklaven im Falle einer Flucht bei anderen indianischen Ethnien leicht Aufnahme finden und sich integrieren könnten, womit sie aus Sicht des Sklavenhalters ein Totalverlust wurden, den es zu vermeiden galt.
Die Sklaverei in Nordamerika ist also weniger einförmig, als gemeinhin angenommen. Interessant ist, dass die europäischen Kolonisten selbst niemanden versklavten (Die Kontrakthörigen sind ja juristisch keine richtigen Sklaven), sondern das versklaven frei geborener Menschen Indianer und Afrikaner überlassen.
Nein! Die europäischen Kolonisten haben das Versklaven NICHT den Indianern und Afrikanern überlassen. Das ist üble rassistische Apologetik, die im oben genannten Artikel betrieben wird.
Noch ein paar Highlights aus dem Artikel:
[...] especially once European diseases began to decimate Indian populations
Seriöse Autoren/Wissenschaftler gehen nicht erst seit neuestem davon aus, daß verschiedene europäische Krankheiten als Epidemien sehr rasch nach Eintreffen der ersten Europäer grassierten und in der Regel sogar dem Erstkontakt mit den indianischen Ethnien (zb durch Handel) vorausgingen. Würde der Autor des obigen Artikels dies in seine Argumentation einbeziehen, hätte es logischerweise keine Versklavung von Indianern geben dürfen...
For example the Creek, a loose confederacy of many different groups who had banded together to defend themselves against slave-raiding
Auch dies eine rassistisch geprägte Darstellung der Creek-Konföderation, die es als etabliertes politisches und soziales Gemeinwesen mit gemeinsamer Identität, Sprache und Kultur bereits lange vor Kolumbus gab. Zwar verwendet der Autor den korrekten Terminus Konföderation für die politische Organisation der Mvskoke, wertet jedoch unmittelbar zum einen durch den Zusatz 'loose' ab, zum anderen durch die Formulierung 'had banded together'. Zum dritten durch die Unterstellung, die Konföderation sei wg zur Sklavenjagd betriebener Überfälle entstanden, was impliziert, daß Indianer keine politische Ordnung bzw politische Bündnisse eigenständig aufbauen können, sondern nur in begrenztem Ausmaß und strikt reaktiv.
Netterweise liefert der Autor etwas später selbst eine dazu im Widerspruch stehende Aussage, nämlich:
[...] the leaders of the major tribes of the southeastern states - the Cherokee, Chickasaw, Choctaw, Creeks and Seminole - [...]
Der Leser fragt sich nun doch, was die Creek denn nun waren: eine lose zusammengefügte, planlose Menge, oder einer der "Hauptstämme" des Südostens. Ich fürchte, die Antwort soll nach Vorstellung des Autors lauten: mehr als ein loser, planloser Haufen auf verlorenem Posten war selbst bei einem der 'major tribes' nicht drin.....
Zusammenfassend: der oben verlinkte Artikel ist geprägt von höchstwahrscheinlich rassistisch motivierten Fehlannahmen und Fehlinterpretationen; er betreibt eine nicht entschuldbare Apologetik, die das Gegenteil seriöser Forschung und Geschichtsschreibung darstellt.