Das gleichsame Anerkenntnis der britischen Seeüberlegenheit seitens Frankreich war m.E. die Kontinentalsperre. Damit räumte Frankreich implizit ein, daß es nicht in der Lage war, die strategische englische Seeherrschaft mittels seiner eigenen Marine zu brechen.
Du sprichhst das "Lager von Boulogne" an, wir wissen ja wie es ausging, Bestätigung der strategischen britischen Seeherrschaft, die französischen Siege zu Land halfen da auch nicht weiter.
Vielmehr begann seitens Frankreichs ab 1806 eine Fixierung der Außenpolitik auf die Kontinentalsperre.
Damit ist aber die Frage "warum die französische Marine unterlegen war" noch nicht beantwortet. Die Beantwortung hat m.E. zwei Seiten:
1. Seite, gab es eine strukturelle Schwäche der französischen Marine, also z.B. Festlegung der Rüstung auf nicht zielführende Schiffstypen, mangelnde Konzentration der Kräfte, Überdehnung der an die Marine gestellten Anforderungen z.B. an der Peripherie etc. Da ich kein Marineexperte bin, vermag ich diese Fragestellung nicht zu beantworten.
2. Seite, wäre das Verhältnis der Rüstungsausgaben, also das Verhältnis der für die Landrüstung (Heer) zu dem der Seerüstung (Marine und Küstenbefestigungen) aufgewandten Mittel. Das ganze dann in Beziehung zur Rüstung von UK gesetzt, hier dann auch noch unter Einschluß von eventuellen Subsidienzahlungen. Ich fürchte, daß es dafür keine validen statistischen Werte gibt, insbesondere nicht lange Reihen, eingedenk dessen, daß auch damals Marinerüstung gegenüber der Heeresrüstung (Ausschluß Befestigungsanlagen) einen längeren Vorlauf benötigte.
Da ich beides nicht beantworten kann, bleibt mir nur ein historisches Analogieschlußverfahren. Mit folgenden historischen Fragestellungen:
1. Hat Frankreich im UZ die strategische britische Seeherrschaft gebrochen, nein.
2. Hat Frankreich im Uz die strategische britische Seeherrschaft akzeptieren müssen, ja, z.B. Kontinentalsperre.
3. Wäre Frankreich bei einer eventuellen anderen Verteilung der Rüstungsmittel in der Lage gewesen, einen maritimen Rüstungswettlauf zu gewinnen, wahrscheinlich schon, zumindest ein Patt.
4. Warum hat Frankreich seine maritime Rüstung nicht so stark verstärkt, daß die französische Marine zumindest eine Patt-Situation erreicht hätte, was einem strategischen Sieg Frankreichs gegenüber UK bedeutet haben könnte? Offensichtlich hat die französische Außenpolitik im Uz andere Prioritäten gesetzt oder ist von anderen Annahmen ausgegangen (z.B. Kontinentalsperre).
5. Ging eine direkte militärische Bedrohung von UK aus, eher nein.
6. Was bedeudete die strategische Seeherrschaft von UK für Frankreich? Eine Abschneidung von der Peripherie und überseeische Handelshemmnisse. Offenbar im Uz für Frankreich tolerabel.
7. Wie reagierte Frankreich auf diese Situation? Offenbar durch den weiteren Ausbau seiner kontinentalen Mochtpositionen.
Das ist mal ein sehr reizvoller Beitrag! Du stößt mal so eben einen Schwung von Fragen an, von denen jede einzelne die eine oder andere Doktorarbeit rechtfertigen würde. Ich möchte mal fragementarisch und qualitativ einige Deiner Punkte aufgreifen. Die dazu notwendigen Daten und Quellen müssten wir später zusammentragen, im Moment habe ich leider nix in petto.
Ad "Kontinentalsperre": M. E. war diese nicht die Anerkenntnis der britischen Überlegenheit zur See. Das war spätestens der Abbruch des Lagers von Boulogne bzw. die Aufgabe des großen Planes, der die Vereinigten Flotten (unter Villeneuve) über den Atlantik und in die Katastrophe von Trafalgar geführt hat. Ein Nachbrenner war die Vernichtung des Geschwaders von Rochefort in 1806 bei St. Domingo durch Duckworth. Erst nach diesem weiteren Debakel stellten die Franzosen große überseeische Expeditionen ein. Die Kontinentalsperre war in meinen Augen eher eine Anerkenntnis der britischen Wirtschaftsmacht als DER Grundlage des britischen Fähigkeit, den Krieg - mit eigener Flotte als Defensiv- und gekauften Landmächten (Österreich, Rußland) als Offensivwaffen - fortzuführen. Entziehe ihnen die Einkünfte und sie können keine Staaten und Armeen mehr kaufen und gegen la belle France aufhetzen.
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1. Seite: Das sind für sich gute Punkte, treffen aber auf die frz. Marine gerade nicht zu. Die Hauptschiffstypen (Linienschiffe und Fregatten) wiesen keine wesentlichen Unterschiede zu denen der Konkurrenz auf, waren sogar modern designed und die Franzosen hatten ihre Schiffstypen (ich denke so ab den 1780er/90er Jahren radikaler als die Briten standardisiert). Mangelnde Konzentration war zwar in der Tat ein Problem: Man hatte eine Atlantikküste, (eine Kanalküste noch obendrein) und eine Mittelmeerküste zu verteidigen. Zwischen Brest und Toulon, den Hauptkriegshäfen lagen die Biskaya, die ganze Pyrenäenhalbinsel und die von den Briten kontrollierte Straße von Gibraltar. Ein ganz erhebliches Problem in der Tat, allerdings zwang es auch die Royal Navy zur Aufteilung ihrer Kräfte und zeitweise war das Mittelmeer sogar ein französisch-spanisches Mare nostrum. Eine besondere strategische Überdehnung gab es auf den ersten Blick nicht - grundsätzlich waren die Franzosen zu Anfang der Konflikte in der Lage, ihre Aufgaben in Übersee zu erfüllen.
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2. Seite: Ohne Zahlen zu nennen: In England wurden im UZ durchwegs für die Marine mehr Mittel aufgewandt als für die Flotte. Starke Abweichungen dürften für den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und ggf. für die Zeit zwischen 1812 und 1815 möglich sein. Für Frankreich würde ich das vom Finanzhaushalt her nicht so eindeutig sehen. Landstreitkräfte waren billig und die Franzosen egal welcher Regierung haben stets viel Geld für ihr Schiffsmaterial - insbesondere den Neubau ausgegeben. Hier wäre noch Forschung in Literatur und ggf. sogar Archiven fällig.
Zu 1.: Zeitweise schon, während es amerikanischen Unabhängigkeitskrieges haben französische Flotten den Briten das Leben in West- und Ostindien sehr sehr schwer gemacht und gemeinsam mit den Spaniern errangen sie sogar zeitweise die Kontrolle über den Kanal. Aber sie konnten das alles nicht halten, was - meine These - Symptom ihrer strukturellen technisch-administrativen Unterlegenheit war.
Zu 3.: Siehe 1783 - ja! Kriegsmüdigkeit dürfte auch in der Londoner City hin und wieder ein Thema gewesen sein, bis 1812 und weiter...
Zu 4.: Die Franzosen haben diese Lage nie hingenommen. Nach dem Siebenjährigen, nach dem Unabhängigkeitskrieg und nach Trafalger haben sie gebaut, gebaut, gebaut (und geklaut). Die erfolgreichen französischen Anstrengungen, ihre frappierenden Verluste an Schiffen zu ersetzen ist bewundernswert - und war gewiss ein finanzieller Kraftakt. Zeitweise wurden in Italien und Dalmatien in jeder Bucht irgendwelche Kriegsschiffe gebaut.
Zu 5.: Nicht durch eine britische Armee, die mit der Marine käme. Aber indirekt: JAAAAAHA!
Zu 6.: Hinnehmbar war das nicht, aber welche Wahl hatten die Franzosen. Ich möchte nicht wissen, wie viele Handelshäuser in Marseille, Bordeaux, Nantes etc. während der Kriege pleite gingen...
Zu 7.: Naja, das war das Problem, an dessen Lösung Napoleon am Ende gescheitert ist. Oder andersherum: So lange die Briten sich um die Balance of Power kümmert, konnte (weil durfte) Frankreich nicht Überseehandel und Napoleon als Kaiser zugleich haben.