Die RAF war bereits damals in Deutschland ein Anachronismus,dessen Protagonisten sich immer mehr in der eigenen Ideologie einigelten und von der gesellschaftlichen Realität abkoppelten.
Dieser Punkt bringt die Entwicklung der innenpolitischen Bedeutung sehr gut auf den Punkt. Aber auch der Hinweis von Ingeborg zum "Generationskonflikt" in Kombination mit der Infragestellung von Autorität - "Unter den Talaren, Muff von 1000 Jahren" - sind wichtige Aspekte. Ergänzt durch die Sicht von Scorpio auf die RAF als "ideologisch abgehobene" Stadtguerilla.
Zwei weitere Aspekte.
1. Ideologische Ausrichtung:
Die RAF war in Bezug auf die Begründung ihrer politischen Aktivitäten bzw. ihres Terrorismus stark an der Befreiungs-Ideologie eines Mao angelehnt. Mao hatte die Begründung zur "revolutionären Aktion" von Lenin in Bezug auf die Oktober-Revolution für China ausgearbeitet und noch zugespitzt, nicht zuletzt weil in beiden Fällen Marx unbrauchbar gewesen als "Pate" der Revolution. Die Thesen von Mao in Kombination mit einem universellen Antikolonialkampf, wie in Vietnam, gaben die Taktik des Kampfes gegen die Regierung in der BRD vor.
Allerdings ohne wirklich die unterschiedlichen Bedingungen und die Wirkungen des "Kampfes" angemessen zu reflektieren, wie an dem Zitat von zaphodB von Dutsche m.E. prägnant ersichtlich wird.
Die Positionen von einzelnen Philosophen aus dem Umfeld der Neo-Marxisten, wie beispielsweise von H. Marcuse oder von C. Reich, lieferten dann Versatzstücke einer Ideologie, die den "Kampf" rechtfertigen sollte und Anknüpfungspunkte an einzelne Sichtweise der Apo herstellen sollte.
Aber es ist auch darauf hinzuweisen, dass wiederum von anderen Theoretikern aus dem Umfeld des "Neo-Marxismus" der Sichtweise der RAF deutlich widersprochen worden ist, so beispielsweise von J. Habermas oder von T. Adorno.
2. Politisches Umfeld und Konsequenzen:
Die RAF hat sicherlich zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für das politische System der BRD bedeutet. Dennoch hatte sie eine gewisse Bedeutung für die politische Kultur, die sich am besten in "Deutschland im Herbst" bildlich darstellte.
In den sechziger bzw. siebziger Jahren wurde zunehmend die Legitimation des Kapitalismus weltweit in Frage gestellt. In Deutschland schrieb K. Offe "Strukturprobleme des kapitalistischen Staates" und J. Habermas "Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus" und drückte das aus, was auch andere wie beispielsweise U. Jaeggi oder W-D Narr formuliert hatten.
Von J. Hirsch wurde diese Sicht Ende der siebziger dann als "Der Sicherheitsstaat. Das Modell Deutschland" aufgegriffen und in Bezug auf die sich entwickelnden Neuen Sozialen Bewegungen thematisiert.
Und in diesen Sichtweisen kam die Kritik zum Ausdruck die eine sich emanzipierende Gesellschaft an der Politik und an der Wirtschaft formulierte. Und damit die BRD im Sinne einer Zivilgesellschaft transformieren half.
Die Verunsicherung hinsichtlich der Zukunft des Kapitalismus wurde noch verstärkt durch die Diskussion über die Konvergenz der beiden großen rivalisierenden politischen Systeme, ergänzt durch Ideen zum Ende der Ideologien (P.Bender).
Diese Entwicklung war für die "etablierte" Gesellschaft durchaus eine ideologische Herausforderung, die das Potential hatte, im Rahmen des "Marsches durch die Instanzen" die Gesellschaft, inklusive Politik und Wirtschaft zwar langsam aber dennoch nachhaltig zu transformieren.
Die RAF, deren objektive politische Bedeutung für die BRD eingeschränkt war, fiel die - unfreiwillige - Steigbügelhalterfunktion zu, die Innenpolitik zu dynamisieren. Und in der Folge eine "Neokonservative" Restauration begründen zu helfen (H. Dubiel: Was ist Neokonservatismus?)
Wie gesagt, eine Dynamik, die Dutschke klar erkannt hatte.