Die Entstehungsgeschichte des § 81 StGB zum Verfassungs- oder Gebietshochverrat (als sachliche Aspekte des Bundeshochverrats bzw. ihm subsidiär des Landeshochverrats etwa durch "Abtrennungsbestrebungen") kommt derzeit erhöhte Beachtung zu.
Geschichtlich ist das für die Bundesrepublik interessant, weil noch nie auf Grundlage dieser Vorschrift eine Verurteilung* stattfand (wobei die Frage der Verurteilung oder etwa künftigen Anwendung hier völlig unerheblich ist).
Interessant ist der "Gewaltbegriff", dem die Androhung von Gewalt gleichgestellt ist. Das besondere Problem aus juristischer Sicht besteht hier darin, dass die Frage aufkommt, wie weit der übliche "Gewaltbegriff" gegen Personen auf Verfassungsinstitutionen, Bund oder Land etc. übertragbar ist.
Im Fall der "Startbahn West" Verfahren wurde zunächst einmal betont, dass es auf die "persönliche Anwesenheit" der Androher oder Anwender von "Gewalt" nicht ankomme (wie etwa beim Landfriedensbruch). Hierzu der "Schubart-Fall":
Was zur Nötigung von Verfassungsorganen geeignete Gewalt ist, ist in Anlehnung an den Gewaltbegriff im Tatbestand des Hochverrats zu bestimmen. Dies ergibt sich aus der besonderen Schutzrichtung und Funktion des § 105 StGB im System des Staatsschutzstrafrechts, wie sie auch in der Entstehungsgeschichte ihren Niederschlag gefunden haben...
Der Wille des Gesetzgebers ging also dahin, in § 105 StGB die Schwelle zur Annahme von Gewalt gegenüber einem kollegialen Verfassungsorgan höher als in dem Individualrechtsschutz dienenden Strafbestimmungen anzusetzen und hierfür eine den Hochverratstatbeständen entsprechende Zwangswirkung zu fordern. Mit Recht sieht daher Willms (in: LK, § 105 Rdnr. 1) das Kennzeichnende dieses Verbrechens in seiner Verwandtschaft zum Hochverrat (ähnlich Geilen, S. 86/87 für die a. F.).
d) Den Maßstab, der danach an die Prüfung anzulegen ist, ob die von der Flughafenblockade ausgehende Zwangswirkung geeignet war, die Hessische Landesregierung zu dem geforderten Moratorium zu veranlassen, hat das OLG verkannt...
Die Frage, ob das angedrohte oder eingesetzte Nötigungsmittel eine den Hochverratstatbeständen entsprechende Zwangswirkung erreichen konnte und daher i. S. des § 105 StGB geeignet war, den Willen eines kollegialen Verfassungsorgans zu beugen, darf nicht nur nach den jeweiligen tatsächlichen Gegebenheiten beantwortet werden. So darf sie nicht etwa schon deswegen bejaht werden, weil die amtierende Regierung Druck ohnehin keinen angemessenen Widerstand entgegensetzt oder den gebotenen Widerstand aufgibt, weil ihr das Nötigungsziel relativ belanglos erscheint. Maßgebend ist vielmehr eine die Pflichtenstellung des Verfassungsorgans einbeziehende Bewertung der Zwangseignung.
BGH, Urteil vom 23-11-1983 - 3 StR 256/83 (S) (Frankfurt)
Und der Bezug auf das ältere Urteil:
Als Angriffsmittel waren vor allem Demonstrationen und Streiks bis hin zum Massen- und Generalstreik vorgesehen. Die Frage, ob solche Handlungen an sich schon „Gewalt” i.S. des § 80 Abs. 1 StGB darstellen können, ist in BGHSt. 6, 340 noch offengelassen worden. Der Senat trägt kein Bedenken, sie im vorl. Fall zu bejahen.
Das Ziel der geplanten Aktionen war, wie dargelegt, die Ausschaltung der Bundesregierung und des Bundestags in seiner durch die Wahlen gegebenen Zusammensetzung. Es sollte also auf diese Verfassungsorgane in einer Weise eingewirkt werden, die ihre weitere Tätigkeit unmöglich machte. Dazu war die Anwendung von Körperkraft in irgendeiner Form gegen ihre Mitglieder weder das erforderliche noch das geeignete Mittel. Vorstellungen solcher Art gehören einer vergangenen Zeit an; die Gegenwart kennt andere und nicht minder wirksame Methoden des gewaltsamen Umsturzes. Eine Auslegung, die für den Begriff der Gewalt i.S. des § 80 StGB körperliche Kraftentfaltung fordert, würde also die praktische Bedeutung der Vorschrift weitgehend entwerten. Entscheidend kann nur die Zwangswirkung sein. Diese Auffassung steht mit der Entwicklung im Einklang, die der Begriff der Gewalt allgemein in Schrifttum und Rspr. genommen hat (z.B. BGHSt. 1, 145 = NJW 51, 532).[/
BGH, Urteil vom 4. 6. 1955 - St E 1/52
Die Frage der Gewaltandrohung (oder Gewalt) als Tatbestandsmerkmal beim Bundes- oder Landeshochverrat, egal ob Gebietshochverrat oder Verfassungshochverrat, ist also durchaus kompliziert, und zT einerseits in anderen Kategorien zu bemessen als die Androhung physischer Gewalt. Andererseits gibt es einen Eskalationsmassstab, bei dem "im Kollektivgeschehen" eine funktionierende Demokratie "mehr aushalten muss" als ein Staat im offenen Chaos. Gesamtabwägungen im Hinblick auf Schutzzwecke, "Fernziele" der verräterischen Handlungen als "Totalhandlungen" etc. spielen dabei eine große Rolle.
Dies ist keine einfache Regelung, deren Anwendungsvoraussetzungen sich unmittelbar erschließen und die populistischen Phrasen zugänglich ist. Die simple Übertragung von Gewaltvorstellungen gegen Personen, auch Kategorien wie Bombenleger und Brandstifter, sind einerseits Kurzschlüsse, andererseits (Eskalationsregel) springen sie sogar zu lang.
* mE auch nicht in den RAF-Fällen
Geschichtlich ist das für die Bundesrepublik interessant, weil noch nie auf Grundlage dieser Vorschrift eine Verurteilung* stattfand (wobei die Frage der Verurteilung oder etwa künftigen Anwendung hier völlig unerheblich ist).
Interessant ist der "Gewaltbegriff", dem die Androhung von Gewalt gleichgestellt ist. Das besondere Problem aus juristischer Sicht besteht hier darin, dass die Frage aufkommt, wie weit der übliche "Gewaltbegriff" gegen Personen auf Verfassungsinstitutionen, Bund oder Land etc. übertragbar ist.
Im Fall der "Startbahn West" Verfahren wurde zunächst einmal betont, dass es auf die "persönliche Anwesenheit" der Androher oder Anwender von "Gewalt" nicht ankomme (wie etwa beim Landfriedensbruch). Hierzu der "Schubart-Fall":
Was zur Nötigung von Verfassungsorganen geeignete Gewalt ist, ist in Anlehnung an den Gewaltbegriff im Tatbestand des Hochverrats zu bestimmen. Dies ergibt sich aus der besonderen Schutzrichtung und Funktion des § 105 StGB im System des Staatsschutzstrafrechts, wie sie auch in der Entstehungsgeschichte ihren Niederschlag gefunden haben...
Der Wille des Gesetzgebers ging also dahin, in § 105 StGB die Schwelle zur Annahme von Gewalt gegenüber einem kollegialen Verfassungsorgan höher als in dem Individualrechtsschutz dienenden Strafbestimmungen anzusetzen und hierfür eine den Hochverratstatbeständen entsprechende Zwangswirkung zu fordern. Mit Recht sieht daher Willms (in: LK, § 105 Rdnr. 1) das Kennzeichnende dieses Verbrechens in seiner Verwandtschaft zum Hochverrat (ähnlich Geilen, S. 86/87 für die a. F.).
d) Den Maßstab, der danach an die Prüfung anzulegen ist, ob die von der Flughafenblockade ausgehende Zwangswirkung geeignet war, die Hessische Landesregierung zu dem geforderten Moratorium zu veranlassen, hat das OLG verkannt...
Die Frage, ob das angedrohte oder eingesetzte Nötigungsmittel eine den Hochverratstatbeständen entsprechende Zwangswirkung erreichen konnte und daher i. S. des § 105 StGB geeignet war, den Willen eines kollegialen Verfassungsorgans zu beugen, darf nicht nur nach den jeweiligen tatsächlichen Gegebenheiten beantwortet werden. So darf sie nicht etwa schon deswegen bejaht werden, weil die amtierende Regierung Druck ohnehin keinen angemessenen Widerstand entgegensetzt oder den gebotenen Widerstand aufgibt, weil ihr das Nötigungsziel relativ belanglos erscheint. Maßgebend ist vielmehr eine die Pflichtenstellung des Verfassungsorgans einbeziehende Bewertung der Zwangseignung.
BGH, Urteil vom 23-11-1983 - 3 StR 256/83 (S) (Frankfurt)
Und der Bezug auf das ältere Urteil:
Als Angriffsmittel waren vor allem Demonstrationen und Streiks bis hin zum Massen- und Generalstreik vorgesehen. Die Frage, ob solche Handlungen an sich schon „Gewalt” i.S. des § 80 Abs. 1 StGB darstellen können, ist in BGHSt. 6, 340 noch offengelassen worden. Der Senat trägt kein Bedenken, sie im vorl. Fall zu bejahen.
Das Ziel der geplanten Aktionen war, wie dargelegt, die Ausschaltung der Bundesregierung und des Bundestags in seiner durch die Wahlen gegebenen Zusammensetzung. Es sollte also auf diese Verfassungsorgane in einer Weise eingewirkt werden, die ihre weitere Tätigkeit unmöglich machte. Dazu war die Anwendung von Körperkraft in irgendeiner Form gegen ihre Mitglieder weder das erforderliche noch das geeignete Mittel. Vorstellungen solcher Art gehören einer vergangenen Zeit an; die Gegenwart kennt andere und nicht minder wirksame Methoden des gewaltsamen Umsturzes. Eine Auslegung, die für den Begriff der Gewalt i.S. des § 80 StGB körperliche Kraftentfaltung fordert, würde also die praktische Bedeutung der Vorschrift weitgehend entwerten. Entscheidend kann nur die Zwangswirkung sein. Diese Auffassung steht mit der Entwicklung im Einklang, die der Begriff der Gewalt allgemein in Schrifttum und Rspr. genommen hat (z.B. BGHSt. 1, 145 = NJW 51, 532).[/
BGH, Urteil vom 4. 6. 1955 - St E 1/52
Die Frage der Gewaltandrohung (oder Gewalt) als Tatbestandsmerkmal beim Bundes- oder Landeshochverrat, egal ob Gebietshochverrat oder Verfassungshochverrat, ist also durchaus kompliziert, und zT einerseits in anderen Kategorien zu bemessen als die Androhung physischer Gewalt. Andererseits gibt es einen Eskalationsmassstab, bei dem "im Kollektivgeschehen" eine funktionierende Demokratie "mehr aushalten muss" als ein Staat im offenen Chaos. Gesamtabwägungen im Hinblick auf Schutzzwecke, "Fernziele" der verräterischen Handlungen als "Totalhandlungen" etc. spielen dabei eine große Rolle.
Dies ist keine einfache Regelung, deren Anwendungsvoraussetzungen sich unmittelbar erschließen und die populistischen Phrasen zugänglich ist. Die simple Übertragung von Gewaltvorstellungen gegen Personen, auch Kategorien wie Bombenleger und Brandstifter, sind einerseits Kurzschlüsse, andererseits (Eskalationsregel) springen sie sogar zu lang.
* mE auch nicht in den RAF-Fällen