Und die Vorbehalte der weitgehend des Lesens unkundigen Bevölkerung kann man gut von der Kanzel steuern.
Nicht unbedingt. Wenn das ohne weiteres steuerbar gewesen wäre, hätten wir heute wesentlich weniger überlieferte Klagen aus den Reihen des Klerus über das was dieser für Aberglauben hielt.
Vorbehalte der Kirche haben z.B. gegen die Neigung von Teilen der Bevölkerungen Leichen auszubuddeln und sie entsprechend zu bearbeiten um sich vor "Widergängern" u.ä. zu schützen herzlich wenig ausrichten können und das bis deutlich ins 18. jahrhundert hinein.
Es ist bekannt, dass die Kirche den Feuertod für Ketzer forderte, damit von ihren Körpern nichts für das Weiterleben nach dem Tod bliebe.
Dann wundert mich allerdings, dass diese Art zu töten in den Territorien in denen geistliche Fürsten neben der kirchlichen auch die weltliche hohe Gerichtsbarkeit inne hatten, nicht konsequent vollzogen wurde.
Zurück zum Papst Bonifatius VIII. and seinem „Anatomieverbot“ aus dem Jahr 1299. Heute wird gesagt, er hätte das nicht so geschrieben bzw. gemeint, aber Tatsache ist, dass der Papst Benedikt der XIV. – das ist der, der den Bann gegen Kopernikus aufhob – dies 400 Jahre später ausdrücklich richtigstellte; offensichtlich war man da der Meinung, es gäbe ein solches Verbot, sonst hätte es einer solchen Richtigstellung nicht bedurft.
Offensichtlich hat in den folgenden 400 Jahren mal irgendjemand behauptet, dass ein solches Verbot existierte.
Das es hierzu eine päpstlich Entscheidung gab beeweist leiglich, dass eine entsprechende, möglicherweis ziemlich abseitige Interpretation in diese Richtung vorgebracht wurde, nicht dass diese einer breiten Überzeugung entsprochen hätte und auch nicht, dass dem bereits Jahrhunderte früher so gewesen wäre.
Einer Klärung bedarf es dann, wenn eine mit Entscheidungskompetzen versehene Institution vor einer unklaren Situation steht, z.B. weil sich 2 Grundsätze nach denen sie handelt widersprechen oder zu widersprechen scheinen, dazu bedarf es keiner Massenbewegung, genau wie es in der modernen Rechtssprechung zur Schaffung eines Präzedenzfalls keiner Massenbewegung bedarf, da reicht bereits eine vollkommen abseitige, aber spezielle Fallkonstellation unter Umständen hin.
Das ist so wie mit den unechten Paulusbriefen: Diese Briefe waren zwar nicht von Paulus, aber sie entfalteten die gleiche Wirkung als seine echten. Will sagen: Wichtig ist allein, was geglaubt wurde und wird, nicht was – von wem auch immer – geschrieben.
Also zunächstmal hast du keinen überzeugenden Nachweis afür vorgebracht, was denn allgemein geglaubt wurde, denn allein der Umstand einer päpstlichen Stellungnahme ist kein Nachweis dafür.
Eine solche Stellungnahme kann genau so eine innere Reaktion auf eine sich im Klerus herausbildende Interpretaiton gewesen sein, wie eine Reaktion auf Bewegungen in der Bevölkerung und wird sich schon deswegen eher an den Klerus oder Teile davon gerichtet haben, weil der gemeinen Bevölkerung ein 400 Jahre alter Erlass namentlich eher weniger bekannt gewesen sein dürfte.
Und weiterhin ist natürlich von Bedeutung, was geschrieben wurde und demnach als Quelle verwertbar ist, zumindest ist es mal wesentlich verlässlicher als deine bloßen Spekulationen, was die Allgemeinheit wohl geglaubt haben wird.