1 weltkrieg+2. weltkrieg= ein Krieg?

Arne schrieb:
Um die Antwort kurz zu halten: Meinst du nicht, daß die Schwächung der jungen Republik durch die Belastungen des Versailler Vertrages ein Grund war, daß sie nicht erfolgreich den Angriffen der Extremisten stand hielt?

Frankreich war sicherlich am stärksten interessiert Deutschland zu schwächen, hatte doch der Krieg auf franz. Territorium so stark gewütet, daß men schon Verständnis für die harte franz. Haltung im Versailler Vertrag haben müßte.-Wirtschaftl. Schwächung und Gebietsabtretung.
Die Engländer haben den Vertrag hinsichtlich zu von Frankreich durchgesetzten überzogenen Härten ja modifiziert gesehen, abgesehen von der Haltung der USA , die wiederum teils andere Gründe hatte Deutschland nicht in seiner Wirtschaftsmacht zu zerstören.

Lloyd George (ab 1916 englischer Premierminister) bemerkte 1919 zum Versailler Vertrag: "Wir haben ein schriftliches Dokument, das uns Krieg in zwanzig Jahren garantiert. Wenn Sie einem Volk Bedingungen auferlegen, die es unmöglich erfüllen kann, dann zwingen Sie es dazu, entweder den Vertrag zu brechen oder Krieg zu führen. Entweder wir modifizieren diesen Vertrag und machen ihn für das deutsche Volk erträglich oder es wird, wenn die neue Generation herangewachsen ist, es wieder versuchen." Lloyd George sollte mit seiner Vorhersage sogar auf das Jahr genau Recht behalten!
 
Ich stimme Dir zu: der Kausalitätsfaktor "Versailler Vertrag" sollte im Hinblick auf den Ausbruch des Zweiten WK gegen Null gewichtet werden.
@ Gandolf: ganz so unbedeutend würde ich den Vertrag nicht sehen. Ich gebe dir insofern recht, als Hitlers Kriegspläne unabhängig von diesem Vertrag existierten.
Um diese Pläne zu verwirklichen, musste er aber die Restriktionen des Vertrages zunächst beseitigen. Und seine Verstösse hätten theoretisch schon 1935 zum Krieg oder einer außenpolitischen Krise führen können. Auch bei seinen ersten Expansion (Österreich, Sudetenland) wurde noch mit dem Vertrag argumentiert.
Viel größer sehe ich die Bedeutung des Versailler Vertrags als Propagandamittel. Schon während der Wahlen in den 20er Jahren, aber auch später in den 30er Jahren, als Hitler sich ja als "Beseitiger" des Vertrags feiern lassen konnte. Nicht zuletzt war der Vertrag eine schwere Hypothek für die demokratischen Parteien, die natürlich mit dessen Unterzeichnung in Verbindung gebracht wurden. Ebenso sehe ich ihn mit als Grund an, weshalb die Konservativen nicht wirklich in die Republik integriert werden konnten. So bildet der Versailler Vertrag keineswegs den Kriegsgrund, aber Hitler nutzte ihn für seine Expansionspolitik.

P.S.: ich lehne aber die These vom "zweiten 30-jährigen Krieg" auch ab.
 
Ich denke, wir sind uns im wesentlichen einig, daß der harte Vertrag ein Faktor zur Machtergreifung der kriegshungrigen Nationalsozialisten war. Wie groß oder wie klein dieser Faktor war, ist auch heute unter den Historikern, so viel ich weiß, umstritten.
Wer nicht der Überzeugung ist die absolute Wahrheit in der linken Gehirnhälfte eintätowiert zu haben, dürfte einsehen, daß ein Streit darum, wie klein oder groß dieser Faktor war, hier zu keinem Ergebnis führen wird, sondern nur zum Austausch von Einschätzungen.
 
Arne:

Zur Klarstellung: unser kleiner Disput ging um die Frage, ob der Versailler Vertrag eine Ursache für den Ausbruch des Zweiten WK darstellte und nicht um die Frage, ob der Versailler Vertrag eine von mehreren Ursachen für den Untergang der Weimarer Republik bzw. den Aufstieg Hitlers darstellte. Letzteres ist völlig unstrittig. Hmm... über die auf der rechten Gehirnhälfte möglicherweise eintätowierten Vernebelungsstrategien werde ich im Hinblick auf das Verbot persönlicher Angriffe nicht spekulieren. Es wäre schön, wenn du dieses Verbot auch beachten würdest (Stichwort: linke Gehirnhälfte).


Ashigaru:

Selbstverständlich hat Hitler den Versailler Vertrag für seine Propaganda genutzt. Aber die Ursache für den Ausbruch des Zweiten WK würde ich eher beim Propagandisten als bei dem für die Propaganda benutzten Gegenstand (= Versailler Vertrag) ansiedeln - rein logisch betrachtet.


Arcimboldo:

Nur weil Llyod George mit seiner Vorhersage recht behielt, bedeutet dies nicht, dass der - seiner Meinung nach - zu harte Versailler Vertrag tatsächlich zum Krieg führte. Stichwort: selbsterfüllende Prophezeiung. Vom schlechten Gewissen bewegt, aber auch von der Vorstellung verführt, Hitler als Bollwerk gegen den Bolschewismus nutzen zu können, das Geld für die Rüstung sparen und bei den nächsten Unterhauswahlen die Stimmen der Pazifisten einfahren zu können, unterließ es London Hitler mit einer Politik der Stärke entgegenzutreten.

Übrigens prophezeite Marschall Foch ebenfalls, dass es zum Krieg kommen würde. Der hielt den Vertrag gegenüber Deutschland für nicht hart genug (Fortbestand der Deutschen Einheit). Angenommen das Deutsche Reich wäre 1919 in kleine Länder liquidiert worden. Wäre dann ein von Deutschland ausgehender Zweiter WK überhaupt denkbar gewesen? Soll der - nach Foch - zu lasche Versailler Vertrag also doch ursächlich für den Ausbruch des Zweiten WK gewesen sein?


Leo:

Ich sehe die Problematik grundsätzlicher. Dem Kausalitätsprinzip lassen sich so viele Ursachen für den Eintritt eines bestimmten Ereignisses ableiten, dass man Gefahr läuft, vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr zu sehen. So hat zum Beispiel die Mutter eines Mörders mit der Geburt ihres Sohnes eine Ursache für dessen Mord gesetzt. Doch die an sich wahre Aussage, die Mutter habe den Mord verursacht, erzeugt eine völlig falsche Vorstellung über die eigentlichen Ursachen des Mordes.

Um ein zutreffendes Bild von den eigentlichen, wichtigen Ursachen eines Ereignisses zu erhalten muss deshalb der Einfluss der einzelnen Kausalitsfaktoren gewichtet werden (fernliegend/naheliegend). Dabei ist jedoch der Einfluss zielgerichteter Handlungen (z.B. die mörderische Handlung des Sohnes) gegenüber dem Einfluss jener Kausalitätsfaktoren, an die solche Handlungen anknüpfen (z.B. das von der Mutter geschenkte Leben) deutlich hervorzuheben. Im Beispielsfall ist der Einfluss des letzten Faktors (Geburt) sogar ganz auszublenden.

Entsprechend wird man auch das außenpolitische Verhalten Hitlers, sein Streben nach Krieg, bei der Darstellung der Kriegsursachen deutlich hervorzuheben haben - im Gegensatz zu der außenpolitischen Lage Deutschlands, die er - nach Versailles - im Januar 1933 vorgefunden hatte und sechs Jahre lang mitgestaltet hat, es sei denn man möchte behaupten und beweisen, dass der Einfluss, der von Versailles ausging so stark (deterministisch) war, dass 1939 alles so kommen musste wie es kam.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bin dafür, die Fragestellung umzukehren: ab wann war der II. WK unvermeidlich? Diese Umkehrung hat den Vorteil, keine gewagten Kausalketten konstruieren zu müssen (da es niemals nur eine ursache gibt, eine unzulässige Verinfachung der Realität).
Mit Abschluß des Versailler Vertrags? Mit der Wetlwirtschaftskrise? Mit Brünings Aushöhlung der Republik? Mit dem 30. Januar 1933? Oder sogar erst mit den laschen Reaktionen der Westmächte auf Hitler zahlreiche Vertragsbrüche ... bis hin zur Hilfestellung bei der Vernichtung der CSR? (letzteres erscheint mir am plausibelsten).
 
Saint-Just schrieb:
Ich bin dafür, die Fragestellung umzukehren: ab wann war der II. WK unvermeidlich? .

das finde ich so gefragt aber auch irreführend und spekulativ. :confused:
Einen möglichen Konflikt wegen des Bruchs des Münchner Abkommens z. B. hätte nicht schon zu dem Weltkrieg führen müssen, der sich dann als verbrecherischer Angriffskrieg von deutschem Boden aus entwickelt hat.
 
Also, ich halte die These von einem Krieg für absurd. Da mit den Pariser Vorortverträgen 1919 der Kriegszustand völkerrechtlich ganz klar beendet wurde, kann man hier nicht ernsthaft von einer Kontinuität sprechen.

Das ist beim 2. Weltkrieg anders: hier gab es nie einen offiziellen Friedensschluss. So gelten Deutschland, Japan und Italien heute immer noch laut UNO-Charta, Artikel 53 Abs. 2 als Feindstaaten (auch wenn die Uno ohne deren Zahlungen längst hätte dichtmachen müssen). Es gibt somit eine plausible Argumentation, dass der 2. Weltkrieg und der sog. "Kalte Krieg" ein und derselbe Konflikt sind.

Letzlich handelt es sich aber dabei lediglich um unterschiedliche Ansichten über die Ursachen und die Struktur dieser Konflikte. Sieht man den Ersten Weltkrieg als Krieg um die Vorherrschaft in Europa an, so kann man tatsächlich argumentieren, dass erst mit der Blockbildung nach 1945 der Konflikt beendet war. Nimmt man den 1.WK aber als Auseinandersetzung zwischen imperialistische Großmächten, ist mit dem Zusammenbruch der alten sozialen Ordnung in fast allen beteiligten Staaten, der Konflikt jedenfalls beendet, Der nachfolgende 2. Weltkrieg resultiert demnach aus dem sich durch den Zusammenbruch der Weltreiche entstandenen Machtvakuum in Europa.

Diese beiden Thesen sind sich oberflächlich betrachtet sehr ähnlich, haben aber gänzlich andere Ansatzpunkte (einmal sozial, einmal politisch). Nimmt man nun die Gesellschaften als Untersuchungsgegenstand, wird man feststellen, dass der "Klassenkampf" eine bedeutende Rolle einnimmt. Dieser "Klassenkampf" kann auch als eine Auseinandersetzung zwischen Liberalismus und Totalitarismus interpretiert werden. Geht man jedoch davon aus, dass Staaten der bestimmende Faktor in der Internationalen Politk sind, dann kann man genauso argumentieren, dass der Versailler Vertrag mit der inkonsequenten Anwendung von neuen völkerrechtlichen Prinzipien (Selbstbestimmungsrecht der Völker) und dem gleichzeitigen Rückfall in die Interessenpolitik der Nationen tatsächlich nur ein Waffenstillstand auf 20 Jahre war, wie es -glaube ich - Marschall Foch ausdrückte.

Sobald man sich aber von dieser alten Sichtweise löst und nicht nur Staaten als Akteure annimmt, wird schnell deutlich, wo die Grenzen dieses Konzepts liegen. Denn der 2. Weltkrieg spielte sich, nicht nur technologisch, auf einer ganz anderen Ebene ab, auch - und gerade - weil es sich dabei um eine WEiterführung (nicht Fortführung) des 1.WK handelte.
 
Albatros schrieb:
Das ist beim 2. Weltkrieg anders: hier gab es nie einen offiziellen Friedensschluss. So gelten Deutschland, Japan und Italien heute immer noch laut UNO-Charta, Artikel 53 Abs. 2 als Feindstaaten (auch wenn die Uno ohne deren Zahlungen längst hätte dichtmachen müssen). Es gibt somit eine plausible Argumentation, dass der 2. Weltkrieg und der sog. "Kalte Krieg" ein und derselbe Konflikt sind.

Kennst Du Historiker die sich mit dieser These befassen?
 
ursi schrieb:
Kennst Du Historiker die sich mit dieser These befassen?

John Lewis Gaddis ist, glaube ich, einer der kompetentesten Historiker diesbezüglich. Aber frage mich nicht, wie seine Argumentation lautet. Ob pro oder contra, ich weiß es nicht.
 
ursi schrieb:
Kennst Du Historiker die sich mit dieser These befassen?
Historiker? Ich kenne diese These vor allem aus dem rechtsextremen Bereich. Altnazis sahen sich geistig schon immer im Kriegszustand mit dem Bolschewismus.:rolleyes:
 
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